Maison d’abattage

Maison d’abattage

Ein Maison d’abattage (dt. Schlachthaus) ist ein Begriff aus dem französischen Prostituiertenjargon und ein Synonym für ein Massenbordell der untersten Klasse. Prostituierte wie Gäste waren gleichermaßen schlimmsten Bedingungen ausgesetzt. Diese Bordelle und die Zustände in ihnen waren einer der Hauptgründe der Pariser Stadtverordneten Marthe Richard, das französische Bordellverbotsgesetz von 1946 zu initiieren.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff

Der Schriftsteller Alphonse Boudard zitiert den Wissenschaftler und Kriminologen Edmond Locard in seinem Buch Das goldene Zeitalter des Bordells auf folgende Weise:

Im Hurenjargon bedeutet „auf Schlachthaus machen“ auf die Schnelle viele Kunden suchen, ohne sich um die Qualität zu kümmern. Ein Schlachthaus ist ein Bordell, in dem einfache Kunden empfangen werden, die nicht das Recht haben, besondere Ansprüche zu stellen. In den Bordellen der volkstümlichen und ärmeren Viertel findet das „Schlachtfest“ vor allem an den Wochenenden statt; es handelt sich um Fließbandarbeit.[1]

Nach den Polizeiberichten gab es 1938 in Paris zwölf offizielle Schlachthäuser, einige Bordelle hatten gar keine Namen, sondern wurden einfach nach den Hausnummern in der Straße benannt, in welchen sie sich befanden: Bekannt waren das 106 und Panier Fleuri (Boulevard de la Chapelle), das 164 und Bon Accueil (Boulevard de la Villette), das Eden (Rue de Lappe), Le Soleil (Rue Caron), Le Moulin Galant (Rue de Fourcy), das 43 (Rue Frémicourt), 162 (Boulevard de Grenelle), das 9 (Boulevard Auguste-Blanqui), das 26 (Rue Gérard), das Fragonard (Rue Bessière neben dem Rathaus von Clichy).[2]

Ein Auszug aus der Hausordnung von 1929 des Moulin Galant:

Der Kunde bezahlt 5 Francs 25. Davon erhält das Haus 2 Franc fünfzig und die Dame ebenfalls; 25 Centimes kostet das Handtuch. Der Kunde ist nicht verpflichtet der Dame ein Geschenk zu machen; tut er es, hat diese das Geschenk mit der Direktion zu teilen. Jede Dame ist verpflichtet, täglich zwölf Stunden anwesend zu sein, von zwei Uhr nachmittags bis zwei Uhr nachts.
Die Unkosten für die Damen betragen 30 Francs pro Tag; Arztbesuche sind in dieser Summe nicht enthalten. Die Damen werden ausdrücklich gebeten, sich ihre Post nicht an die Adresse des Etablissements, 10, rue de Fourcy, schicken zu lassen.

Massenbordelle als Folge der industriellen Revolution

Es gibt kaum zeitgenössische Berichterstattung über die Massenbordelle, der Sexual- und Prostitutionsforscher Parent-Duchatelet (1790-1836) erwähnt keine explizit, aber in seinen Schriften ist 1857 durchaus von Massenprostituierten die Rede, Frauen der untersten Gesellschaftsschicht, die den Garnisonen folgen:

Die wenigsten wohnen in Zimmern oder besitzen gar Möbel; sie hausen zum größten Zeil in Löchern und Speichern …. Ich habe einen nur durch einen Schacht beleuchteten Keller gesehen, der fünf Meter unter der Erde lag, in dem zum Teil bis zu dreißig Frauen zusammengepfercht waren. Ein Vermieter in Belleville hatte mit Brettern zwanzig zwei Meter lange und eineinhalb Meter breite Zellen zusammenzimmern lassen; in jedem dieser Verschläge verbrachten mindestens zwei Mädchen die Nacht, auf einem entsetzlichen Gemisch aus Abfällen und Ungeziefer liegend.[3]

Im Jahre 1887 berichtete Gustave Macé, ehemaliger Chef der Kriminalpolizei, über das Massenbordell 29 in seinem Buch namens Eine hübsche Welt:

Betreten wir das Bordell im Haus Nr. 29, dem letzten der Straße, damit sie eine Vorstellung bekommen, wie damals solche Häuser aussahen. Im Erdgeschoß dieses Lupanars befindet sich ein großer Saal in dem sich die Mädchen und die Besitzer aufhalten. In diesem Salon, in den man durch einen kaum neunzig Zentimeter breiten Gang gelangt, befinden sich drei Tische aus rohem Holz, auf denen entsetzlich dreckige geflickte Wachstücher liegen.
An der Decke des niedrigen, verräucherten Saals hängt eine Ölfunzel; das Licht wird von einem dunklen Schirm nach oben gelenkt, auf eine rotgestrichene Holzkiste und den Kopf einer alten Frau, die auf einem mit Stroh ausgestopften Kissen sitzt und schneeweiße Haare hat; entsetzlich, der Anblick ihres offenen zahnlosen Mundes. … Die sechs Zimmer sind mit einem Bett, einem kleinen Tisch, einer Waschschüssel und einem Krug ausgestattet, die völlig verdreckt sind, da sie seit Wochen nicht mehr gereinigt worden sind. Die Bettwäsche wird einmal pro Monat gewechselt.
Das Personal dieser Häuser entspricht der Einrichtung.[4]

Mit der Industrialisierung Frankreichs und den wachsenden Fabriken wurden immer mehr billige Hilfsarbeiter gebraucht, die sich zu Tausenden aus den ehemaligen Kolonien rekrutierten. Viele billige Arbeiter drängten aus Afrika nach Frankreich, welche nicht die Möglichkeit hatten, ihre Familien nachzuholen bzw. überhaupt welche zu gründen, da sie infolge des alltäglichen Rassismus´ und ihrer begrenzten Begüterung für den französischen Heiratsmarkt nicht in Frage kamen, so blieben für die nordafrikanischen Arbeiter nur die billigen Massenbordelle. Alphonse Bodard zitiert aus einem Brief an Professor Langevin aus dem Jahr 1934:

… Die Frauen treffen morgens um neun Uhr ein und bleiben bis nachts um halb eins, häufig noch länger, … Während der Arbeit steht ihnen kein einziger Stuhl zur Verfügung! Diese abstoßenden Orte werden von Algeriern und Marokkanern besucht. Häufig legen sich pro Tag fünfzig und mehr auf diese unglücklichen Mädchen; die Kunden warten in einer Ecke, die im Milieu als „Garage“ bezeichnet wird, bis sie an der Reihe sind … [5]

Massenbordelle als Folge der französischen Kolonialisierung und Militärprostitution

Französisches Kolonialreich (hellblau: erste Erwerbungen im 16. Jahrhundert, dunkelblau: Erwerbungen bis 1920)
Algerische Kämpfer und französischer Offizier

Massenbordelle in den ehemaligen französischen Kolonien, wie Algerien oder Tunesien haben ihren Ursprung in der Militärprostitution. Prostitution war in Nordafrika gesetzlich erlaubt und wurde sogar gefördert, da die französischen Militärs es als wichtig empfanden um ihre in den islamischen Ländern, mit der jeweils vorherrschenden rigiden Sexualmoral, stationierten Soldaten bei Laune zu halten und um einerseits der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten mit medizinisch kontrollierten Prostituierten Einhalt und andererseits der Homosexualität, die als Sodomie gefürchtet und verurteilt wurde, Einhalt gebieten zu können. In Algier im 18. Jahrhundert von Venture de Paris ist zu lesen:

Ein Militärgesetz Algiers verbietet den Soldaten, sich zu verheiraten bei Strafe, … Die Regierung mußte aber ein Auge zudrücken und zwei Laster offen tolerieren, die die Folge dieses Junggesellendaseins sind: Freudenmädchen und käufliche junge Männer. Jedes maurische Mädchen, das als Hure arbeiten will, läßt sich in die Register von Mezouar eintragen, ihre Eltern haben dann kein Recht mehr auf sie; sie wird die Frau der Youldash.[6]

Die Feldärzte waren damit beauftragt Militärbordelle einzurichten, streng nach Soldaten und Offizieren getrennt. Meist waren es aber die Militärbordelle im Niveau sehr unterschiedlich, während die Offizieren edle Häuser mit schönen und gebildeten Frauen besuchen konnten, standen für die gemeinen Soldaten und Söldnern fast ausschließlich sehr schlecht geführte Häuser zur Verfügung mit katastrophalen Arbeitszuständen für die Frauen, ein Elend für beide Seiten, da sich die Frauen im Massenansturm der Soldaten kaum waschen geschweige denn gegen Geschlechtskrankheiten schützen konnten und diese wiederum an die Männer weitergaben.

In Nordafrika … gibt es für wenig begüterte Kunden sogenannte Schlachthäuser …, bei denen die Zahl der Stiche den relativ niedrigen Preis kompensieren soll. jede Frau empfängt durchschnittlich vierzig bis sechzig Kunden pro Tag. In den Militärbordellen sind die Zahlen, vor allem auf dem Land, beträchtlich höher: Eine Handvoll unglücklicher Mädchen teilt in der Regel ein Bataillon unter sich auf; dies bedeutet, daß jede in nicht einmal vierundzwanzig Stunden mehr als hundert Freier bewältigen muß …[2]

Der Zweite Weltkrieg und die Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges waren durch die Besetzung der deutschen Wehrmacht, die diese billigen Bordelle hauptsächlich für ihre normalen Soldaten nutzte, im Gegensatz zu den teuren wie das One Two Two oder Le Chabanais, die Offizieren vorbehalten waren, die Preise erheblich angestiegen, die Bordelle machten hohe Gewinne, während die Arbeitsumstände und damit der Gesundheitszustand der Mädchen, die durch die Massenabfertigung meist körperlich und geistig angegriffen waren, sich nicht änderte. Jeder Soldat erhielt eine Karte am Bordelleingang, in welcher der Name des Bordells und des Mädchens mit Datum der Vergnügung einzutragen war. Darunter waren die Worte gedruckt:

Du mußt Dich nach dem Geschlechtsverkehr sanieren lassen! Die nächste Sanierungsstelle findest Du auf dem Plakat am Ausgang. Bewahre die Karte mindestens 5 Wochen gut auf.[7]

Ausländerproblematik und Massenprostitution der Gegenwart

Ein noch größeres Problem ergab sich, als viele der Einwanderer anfingen, die Billigprostitution für sich auszunützen. Dabei wechselten viele die Seite und ließen selbst Frauen als Prostituierte für sich arbeiten. Nicht selten war es so, dass die Frauen auf ein vorgegebenes Pensum kommen mussten. Boudard bürgt für ein Beispiel einer Frau, die zu einem Nordafrikaner gehörte. Sie sollte Juni 1959 (als Bordellprostitution in Frankreich offiziell schon verboten war) in Paris arbeiten und täglich 20.000 Francs einnehmen, bei einem Durchschnittspreis für 500 Francs pro Verkehr.

Rechnen sie selbst: Vierzig mal kobern war notwendig, um die geforderte Summe abliefern zu können; vorausgesetzt natürlich es fanden sich so viele Kunden.[2]

Die französische Frauenrechtlerin Odette Philipon, veröffentlichte 1960 einen Bericht, in dessen Vorwort Gewerkschafter schrieben:

Die Zahl der Kunden ist beträchtlich; dies geht aus den unglaublichen Einnahmen der Zuhälter und der Zahl der Prostituierten hervor, die von der Polizei oder den Behandlungszentren für Geschlechtskrankheiten registriert sind. 13.000 Frauen sind als Prostituierte gemeldet, davon 4000 in Paris. Das bedeutet, daß in der Hauptstadt täglich mindestens 8000 Männer diesen Akt der Erniedrigung begehen: Eine Prostituierte, die nur zwei Durchgänge pro Tag hat, ist arm dran und kann kaum ihr Zimmer bezahlen. Schafft sie für einen Zuhälter an, muß sie auf zehn bis fünfzehn Stiche pro Tag kommen.[2]

Weblinks

Alle folgenden Webseiten sind in französischer Sprache

Quellen und Literatur

  1. Edmond Locard zitiert in: Alphonse Boudard, Romi: Das goldene Zeitalter des Bordells. Heyne Verlag, München 1992, ISBN 3-453-05181-5, S. 43-44.
  2. a b c d Alphonse Boudard, Romi: Das goldene Zeitalter des Bordells. Heyne Verlag, München 1992, ISBN 3-453-05181-5, S. 44.
  3. A. J. B. Parent-Duchatelet: De la Prostitution dans la ville de Paris, considérée sous le rapport de l'hygiène publique, de la morale et de l'administration. Baillière, Paris 1836.
  4. G. Charpentier: The Parisian Police. A Fine World. Paris 1887.
  5. Alphonse Boudard, Romi: Das goldene Zeitalter des Bordells. Heyne Verlag, München 1992, ISBN 3-453-05181-5, S. 57.
  6. Malek Chebel: Die Welt der Liebe im Islam. VMA-Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-928127-86-1.
  7. Alphonse Boudard, Romi: Das goldene Zeitalter des Bordells. Heyne Verlag, München 1992, ISBN 3-453-05181-5, S. 175. (Abbildung einer Wehrmachtskarte)

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