Aoun

Aoun

Michel Aoun (* 1935 in Beirut) ist ein libanesischer Offizier und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Militärische Ausbildung

Nach dem Studium an der Militärakademie in Beirut wurde er Offizier und erreichte in seiner Karriere den Aufstieg zum jüngsten Oberbefehlshaber der libanesischen Armee im Alter von 48 Jahren. Er durchlief zusätzliche militärische Ausbildungen in Chalons-sur-Marne in Frankreich (1958), Fort Sill in Oklahoma in den USA (1966) und an der École Superieure de guerre in Frankreich (1978-80).

Rolle im Libanesischen Bürgerkrieg 1980 - 1988

Im libanesischen Bürgerkrieg verteidigte er beim Einmarsch der israelischen Truppen im Jahre 1982 den Präsidentenpalast Baabda. Nach der israelischen Invasion weigerte er sich, mit den israelischen Kommandeuren zusammenzuarbeiten, die die falangistischen Milizen unter dem Kommando von Elie Hobeika in die palästinensischen Camps Sabra und Schatila schickten. Im Jahre 1983 schlug er einen Verband von Milizen bei Souk el Gharb und wurde Oberbefehlshaber der von den französischen, US-amerikanischen und italienischen Interventionstruppen neu aufgebauten libanesischen Armee.

Der "Guerre de Libération" 1988 - 1990

Im September 1988 wurde General Aoun vom ausscheidenden Präsidenten Amin Gemayel zum Ministerpräsidenten bis zur Neuwahl ernannt. Diese Ernennung war nicht unumstritten, da das Amt der Ministerpräsidenten im sogenannten Nationalpakt von 1943 für Sunniten vorgesehen ist. Rein verfassungstechnisch aber hätte der Präsident tatsächlich auch einen Christen ernennen können, wie es ja bereits 1952 mit General Fouad Chehab einen entsprechenden Präzedenzfall gab, als dieser, ebenfalls als Chef der Armee, nach dem Sturz von Bechara al-Khoury zum Interims-Premier ernannt wurde und die Wahl von Camille Chamoun zum Präsidenten ermöglichte. Aoun wurde nur in einem Teil des Landes als Ministerpräsident anerkannt. Der Chef der Schiiten-Brigade der Armee, General Jabr Lofti, schlug wie andere muslimische Führer einen Eintritt in Aouns Kabinett aus. Demgegenüber aber versicherte der alte schiitische Verteidigungsminister Adel Osseiran (Adil Ussayran) Aoun seine Loyalität. Im Zuge der Massenproteste zugunsten Aouns hielten sich bis zu 10.000 christliche und muslimische Studenten und Jugendliche um den von Aoun besetzten Präsidentenpalast in Baabda auf, wo sie friedlich für den General demonstrierten. Es traten bei diesen Kundgebungen auch bekannte Künstler und Liedermacher auf.

Zum Ende des Bürgerkrieges führte Aouns 12-15.000 Mann-Armee Kämpfe gegen die 10.-12.000 Mann starke Forces Libanaises, eine christliche Miliz, und erklärte im Jahre 1989 den Krieg gegen Syrien, welche sich als Besatzungsmacht etablierte. Infolgedessen kam es nach nur wenigen Jahren wieder zur Spaltung der libanesischen Armee.

In der Zeit 1989 bis 1990 kommt es vor allem in den christlich kontrollierten Gebieten des Libanon zu Massenprotesten überwiegend junger, im Bürgerkrieg aufgewachsener Menschen für den teilweise auch bei muslimischen Libanesen damals ungeheuer populären "General", der die Rhetorik der antikommunistischen Bürgerbewegungen Osteuropas mit der der palästinensischen "Intifada" geschickt verknüpfte. ("De Prague à Beyrouth - un seul combat - La Liberté: Alexandre Dubcek - Michel Aoun").

Allerdings hatten im Herbst 1990 weder Israel noch die USA, mit denen sich Aoun überworfen hatte, da er das von Saudi-Arabien und den Großmächten arrangierte Taef-Abkommen ablehnte, ein Interesse an einem Sieg des Generals. Sie griffen deshalb nicht ein, als Syrien und seine libanesischen Alliierten im Oktober 1990 den Präsidentenpalast in Baabda stürmten und damit offiziell das Ende des 15-jährigen Bürgerkrieges einläuteten. Aoun ging als Flüchtling in die französische Botschaft und später nach Frankreich ins Exil und betrieb von dort aus bis zu seiner Rückkehr eine Politik gegen die Besetzung Libanons durch Syrien.

Während der syrischen Offensive gegen Aoun wurde auch Dany Chamoun und seine deutsche Frau Ingrid sowie deren kleine Kinder ermordet. Chamoun, dessen Tiger-Miliz 1980 von der Kata'ib vernichtet worden war, war als Chef der Nationalliberalen Partei und Präsident (seit 1988) der u. a. seinem Vater Camille Chamoun und dem Philosophen und Politiker Charles Malik gegründeten Libanesischen Front einer der wesentlichen politischen Stützen von Aoun im christlichen Lager, im Gegensatz zu der Familie Frangié, die auf Seiten Syriens stand, und den "Forces Libanaises". Während der Kämpfe, die zu den blutigsten des Bürgerkrieges gehörten, kamen allein ca. 5.000 Menschen um.

Politische Rolle im Libanon seit 2005

Nach dem Abzug der syrischen Truppen, welcher im April 2005 beendet wurde, kam Aoun am 7. Mai 2005 aus einem 15-jährigen Exil zurück in den Libanon. Mit seiner neuen Partei, dem "Free Patriotic Movement" (FPM) beteiligte er sich an den Parlamentswahlen. Die Partei FPM verfolgt im Prinzip die Ziele, die Aoun schon während des "Guerre de Liberation" vertreten hatte: einen von den Einflüssen anderer Mächte unabhängigen Libanon. Allerdings überraschte Aoun dabei Freunde und Gegner mit seinem Bündnis mit ehemals pro-syrischen Kräften (Michel Murr) und der Hisbollah gegen den politischen Block der Hariri-Familie. Aoun, der mit diesen Bündnissen offenbar eine Mehrheit zur Erlangung des Präsidentenamtes im November 2007 sucht, steht damit im Gegensatz zu seinem Vorbild Fouad Chehab, der 1970 eher die Präsidentschaft ausschlug, als sich in das politische Geschacher hineinziehen zu lassen.

Literatur

  • Rondeau, Daniel, 1991, Chronique du Liban rebelle 1988-1990: Bernard Grasset, Paris, ISBN 2-246-44641-4
  • Bourre, Jean Paul, 1990, Génération Aoun - Vivre libre au Liban: Éditions Robert Laffont, Paris, ISBN 2-221-06754-1
  • Dagher, Carole, 1992, Les Paris du General: Editions FMA, Beirut
  • Theodor Hanf, 1990, Staatszerfall - Der Weg in die Abhängigkeit 1988 - 1990: in: Koexistenz im Krieg - Staatszerfall und Entstehen einer Nation im Libanon: Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft, ISBN 3-7890-1972-0 , S. 704 - 753 (Ausführliche Beschreibung von Aouns "Befreiungskrieg" in deutscher Sprache)

Weblinks


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