Marlies Wanjura

Marlies Wanjura

Marlies Wanjura (* 7. Januar 1945 in Berlin) war zwischen 1995 und 2009 die Bezirksbürgermeisterin des Berliner Bezirks Reinickendorf. Sie gehört der CDU an und war bis 2009 stellvertretende Landesvorsitzende ihrer Partei sowie Ortsvorsitzende im CDU-Ortsverband Lübars-Waidmannslust.[1]

Familie, Ausbildung und Beruf

Marlies Wanjura auf der Nordberliner Hochzeitsmesse in Tegel

Marlies Wanjura wuchs im Reinickendorfer Ortsteil Frohnau auf. Ihre Schulzeit schloss sie 1961 mit der Mittleren Reife ab. Sie ließ sich am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin-Wedding (heute Campus Virchow-Klinikum der Berliner Charité) zur Krankenschwester ausbilden, wo sie nach der Ausbildung auch beruflich tätig war. Nach ihrer Heirat 1967 und der Geburt zweier Söhne unterbrach sie ihre berufliche und politische Arbeit zugunsten ihrer Familie für knapp zehn Jahre. Trotzdem nahm sie weiterhin verschiedene ehrenamtliche Verpflichtungen wahr.

Mitte der 1970er-Jahre trat Wanjura wieder ins Berufsleben ein und war im sozialpflegerischen Dienst eines Berliner Unternehmens tätig, wo sie in den Betriebsrat gewählt wurde. 1979 wechselte sie als Ausbildungsreferentin zur Berliner Caritas. Von 1980 bis 1982 war sie in derselben Funktion beim Malteser Hilfsdienst tätig und engagierte sich für den Auf- und Ausbau der Berliner Sozialstationen.

Am 8. April 2011 ist sie zur Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft im Landesverband Berlin e.V. gewählt worden.

Politisches Wirken

Zwischen 1984 und 1990 hatte Wanjura ihr erstes öffentliches Amt bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Anfang 1991 wurde sie Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, aus dem sie bereits nach einem Monat wieder ausschied, als sie Stadträtin für Gesundheit und Umweltschutz beim Bezirksamt Reinickendorf von Berlin wurde. Ein weiteres Jahr später wurde sie zur stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin gewählt. Von 1995 bis 2009 war sie Bezirksbürgermeisterin in Reinickendorf. In ihrer Amtszeit wurde der Bezirk von der Industrie- und Handelskammer Berlin zweimal als „wirtschaftsfreundlichster Bezirk Berlins“ ausgezeichnet.[2]

Im Juli 2007 lehnte Wanjura den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf, im Zusammenhang mit dem Christopher Street Day jährlich während der Pride Week vor dem Rathaus Reinickendorf die Regenbogenfahne zu hissen, mit der Frage ab, was man tun wolle, „wenn die NPD käme und eine Flagge hissen möge“. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) forderte daraufhin ihren Rücktritt.[3] Ein breites Mehrheitsbündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Grauen in Reinickendorf erhöhte den Druck auf die Bürgermeisterin, das Anti-Gewalt-Projekt Maneo protestierte gegen die Weigerung mit einem Kiss-In.[4]

Umstritten ist Wanjuras Verantwortlichkeit für eine Machbarkeitsstudie im Zuge einer Public Private Partnership für die Bewirtschaftung von Schulgebäuden, für deren Berechnung nicht die wirklich sanierungsbedürftigen Schulen ausgewählt wurden.[5]

Weil in einem anderen Fall die Bauvorbereitung des Tegeler Borsighafens nicht den Regeln der Berliner Landeshaushaltsordnung entsprechen soll, leitete die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen Wanjura ein, das sie im Frühling 2008 jedoch mangels hinreichenden Tatverdachts einstellte.[6] Auch die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigte Wanjura, die Vergabe der Leistungen sei „ordnungsgemäß nach dem geltenden Vergaberecht unter Beachtung der Landeshaushaltsordnung“ erfolgt.[7]

In einem dritten Fall soll Wanjura in einem Letter of Intent die Verpflichtung des Bezirks übernommen haben, die Schiffsverladungen im Borsighafen von Schwertransporten bis Ende 2008 sicherzustellen, obwohl Haushalts- und Rechtsamt vor diesem Geschäft gewarnt hatten. Erst im Nachhinein informierte Wanjura den Rechnungshof, obwohl aus einem Nichteinhalten hohe Schadensersatzforderungen auf den Bezirk zukämen.[5] 2009 trat sie als Bezirksbürgermeisterin aus gesundheitlichen Gründen wenige Monate vor ihrer Pensionierung zurück.[8]

Gegen eine wegen der Vorwürfe im Dezember 2008 gegen sie ergangene disziplinarische Verfügung und eine damit verbundene Geldbuße wehrte sich Wanjura vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich.[9] Die Disziplinarkammer führte aus, ein Dienstvergehen Wanjuras sei „weder offensichtlich noch unstreitig“; auch sei bei der Disziplinarmaßnahme nicht zwischen einer persönlichen und einer möglichen politischen Verantwortlichkeit unterschieden worden.[10][11]

Einzelnachweise

  1. Website des CDU-Ortsverbands Lübars-Waidmannslust.
  2. Angabe auf der persönlichen Website Wanjuras.
  3. Wolfgang Keller: Wanjura setzt Schwule und Lesben mit NPD gleich. LSVD: Bürgermeisterin muss zurücktreten. Meldung auf Gay Web News vom 20. Juli 2007.
  4. Wolfgang Keller: Flagge zeigen in Reinickendorf. Meldung auf Gay Web News vom 7. August 2007.
  5. a b Rainer W. During: Kritik an Bürgermeisterin Wanjura. In: Der Tagesspiegel vom 10. Juli 2007.
  6. Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Berlin im Verfahren 2 WL Js 34/08 vom 15. Mai 2008.
  7. Rainer W. During: Vergabe war »korrekt«. In: Der Tagesspiegel vom 28. August 2007.
  8. Lorenz Weser: Frank Balzer als Reinickendorfer Bezirksbürgermeister nominiert. Pressemitteilung der CDU Reinickendorf vom 19. Juni 2009.
  9. Verwaltungsgericht Berlin 80 K 4.09 DL vom 30. August 2010.
  10. Markus Hesselmann: Wanjura wehrt sich erfolgreich vor Gericht. In: Der Tagesspiegel vom 5. Oktober 2010.
  11. Brigitte Schmiemann: Wanjura siegt im Rechtsstreit mit Senatskanzlei. In: Berliner Morgenpost vom 5. Oktober 2010.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wanjura — Marlies Wanjura (* 7. Januar 1945 in Berlin) ist die Bezirksbürgermeisterin des Berliner Bezirks Reinickendorf. Sie gehört der CDU an und ist stellvertretende Landesvorsitzende ihrer Partei sowie Ortsvorsitzende im CDU Ortsverband Lübars… …   Deutsch Wikipedia

  • Marlies — ist ein weiblicher Vorname. Ableitungen sind: Marliese, Marlis, Marlise, Marilies und Marielies Herkunft und Bedeutung Ursprünglich als Kurzform von Maria Elisabeth, Marie Elisabeth, Maria Luise oder Marie Luise ist es heutzutage aber ein… …   Deutsch Wikipedia

  • Bezirk Reinickendorf — Reinickendorf Bezirk von Berlin …   Deutsch Wikipedia

  • Checkpoint Qualitz — Gedenkstein mit Text: Checkpoint Qualitz Als Dank und zur Erinnerung an den mutigen Grenzdurchbruch am 16. Juni 1990 · ausgeführt von Helmut Qualitz und der Freiwilligen Feuerwehr · Marlies Wanjura Bezirksbürgermeisterin …   Deutsch Wikipedia

  • 7. Jänner — Der 7. Januar (in Österreich und Südtirol: 7. Jänner) ist der 7. Tag des Gregorianischen Kalenders, somit verbleiben noch 358 (in Schaltjahren 359) Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Dezember · Januar · Februar 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Bezirke Berlins — …   Deutsch Wikipedia

  • Dzembritzki — Detlef Dzembritzki (* 23. März 1943 in Berlin) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist seit 2005 Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Von 1994 bis 1999 war er… …   Deutsch Wikipedia

  • Grigers — Herbert Grigers (* 25. Februar 1928 in Gleiwitz, Oberschlesien; † 22. Mai 1983 in Berlin) war ein deutscher Politiker der SPD. Herbert Grigers war Baustadtrat in Berlin Charlottenburg. Danach war er von 1970 bis 1981 Bezirksbürgermeisters von… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Bezirke Berlins — …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Wan — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”