Martha Dodd

Martha Dodd

Martha Eccles Dodd (* 8. Oktober 1908 in Ashland, Virginia; † 10. August 1990 in Prag), war eine US-amerikanische Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dodd wurde 1908 als Tochter des amerikanischen Historikers und Politikers William Edward Dodd und dessen Frau Martha Johns geboren. 1931 heiratete sie in Chicago den New Yorker Bankier George Bassett Roberts (1894 – 1996). Roberts war Vizepräsident der National City Bank und Schatzmeister des National Bureau of Economic Research. Erst im November 1933 wurde die Eheschließung durch die Presse öffentlich bekannt. 1934 wurde sie geschieden. Nachdem ihr Vater, der als einer der besten amerikanischen Deutschlandkenner galt, im Juli 1933 vom neugewählten US-Präsident Franklin Delano Roosevelt zum amerikanischen Botschafter für das Deutsche Reich ernannt worden war, begleitete sie diesen nach Berlin.

In Berlin lebte Dodd in den folgenden Jahren fünf Jahren zusammen mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder William Edard Dodd, Jr. in der Residenz des amerikanischen Botschafters in der Bendler-Straße. Während ihrer Berliner Zeit hatte Dodd Gelegenheit, die Verhältnisse im Deutschland der ersten Hitler-Jahre aus der Nähe, zugleich aber auch von der Warte einer Außenstehenden zu beobachten. Nach ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten legte sie ihre Erlebnisse und Eindrücke in mehreren Erinnerungsbüchern nieder.

Als Tochter des amerikanischen Botschafters wurde Dodd während ihrer Jahre in der Reichshauptstadt zu zahlreichen Empfängen und anderen Veranstaltungen des Diplomatischen Corps eingeladen. Dabei kam sie mit zahlreichen bedeutenden und bekannten Persönlichkeiten der deutschen Politik und der Berliner Gesellschaft in Kontakt. Unter anderem wurde sie auch den meisten führenden Männern des nationalsozialistischen Regimes wie Joseph Goebbels, Hermann Göring, Heinrich Himmler und Adolf Hitler selbst vorgestellt. Privat freundete sie sich vor allem mit Mildred Harnack, die zu dieser Zeit den Frauenclub an der amerikanischen Botschaft leitete, und mit dem Diplomaten Hans-Otto Meissner, an. Darüber hinaus wurden ihr zahlreiche Affären nachgesagt, so mit Rudolf Diels, dem ersten Chef der Gestapo, mit Ernst Udet, mit Hitlers Pressechef Ernst Hanfstaengl und mit Boris Winogradow, dem Sekretär der sowjetischen Botschaft in Berlin. Die zuletzt genannte Beziehung ist dabei die einzige, die als historisch gesichert gilt.[1]

Nachdem Dodd in den ersten Monaten ihres Aufenthalts in Berlin dem NS-Regime auf eine sehr naive und kritiklose Weise begegnet war, wandelte sich ihre Sicht auf den Hitler-Staat im Sommer 1934 drastisch. Die als „Röhm-Putsch“ bekannt gewordene Mordwelle vom 30. Juni bis 2. Juli 1934 – in deren Zuge Hitler tatsächliche und vermeintliche Gegner in den eigenen Reihen umbringen ließ – ließen sie aufschrecken und veranlassten sie dazu, die nationalsozialistischen Machthaber fortan kritischer zu betrachten. Im Gegensatz zu ihrer apolitischen Haltung in ihrem ersten Jahr in Berlin beobachtete Dodd die Verhältnisse in der deutschen Hauptstadt 1934 bis 1937 mit wachsender intellektueller und politischer Reife und Klarsicht: Als sie 1939 ihre – also bereits vor dem Kriegsausbruch niedergeschriebenen – Erinnerungen an ihre Berliner Zeit veröffentlichte, waren ihre Kenntnisse der deutschen Machthaber bereits so weit gediehen, dass sie sehr präzise die außenpolitischen Ziele voraussagte, die diese später umzusetzen versuchten: Die Eroberung großer Gebiete in Osteuropa sowie die „Abrechnung“ mit den Juden.

Nach ihrer Rückkehr in die USA im Dezember 1937 heiratete Dodd am 12. September 1938 in Round Hill, Virginia Alfred Kaufman Stern (1897 – 1986) aus Manhattan. Stern war Musikverleger und Vorsitzender des Citizens Housing and Planning Councils of New York. Er war zuvor mit Marion Rosenwald verheiratet gewesen, einer Tochter des amerikanischen Modeschöpfers Julius Rosenwald, einem der Gründer der Sears Holdings Corporation. Durch Marions Erbe war Stern zum Millionär geworden. Aus der Ehe ging ein Sohn, Richard, hervor.

Nach dem Erscheinen ihrer Berlin-Erinnerungen 1939, die zu einem Bestseller wurden, galt Dodd als eine der überzeugtesten amerikanischen Antifaschisten. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges tat sie sich durch ihre anti-nazistisches Betätigungen hervor. Im März 1941 gab sie die Erinnerungen ihres Vaters heraus, die das NS-Regime ebenfalls in ein negatives Licht rückten – ihr allerdings auch den Vorwurf einbrachten, durch ihr Versäumnis, das Buch sorgfältig editorisch zu bearbeiten, die Namen deutscher Hitler-Gegner, zu denen ihr Vater Kontakt hielt, in das fertige Druckwerk gelangt haben zu lassen (was diese gefährdet habe). 1944 gab sie den Roman "Sowing the Wind" - deutsch "Die den Wind säen" - heraus, in dem sie sich mit der Verstrickung der Masse der Deutschen in das NS-Regime befasst.

In den frühen 1950er Jahren, während der Verfolgung kommunistischer Kader in den Vereinigten Staaten, gerieten Dodd und ihr Mann (die nachweisbar Spione des sowjetischen Geheimdienstes KGB waren) in Panik und gingen nach Mexiko ins Exil. Seit 1957 lebten sie in der Tschechoslowakei, wo Dodd 1990 starb.

Schriften

  • Through Embassy Eyes, Harcourt, Brace and Co., New York 1939. (Auf Deutsch als: Aus dem Fenster der Botschaft. Wahrheitsgetreue Schilderung eines Augenzeugen, Berlin 1947. [von der sowjetischen Militärverwaltung veröffentlichte gekürzte Version] und als: Meine Jahre in Deutschland 1933 bis 1937. Nice to meet you, Mr. Hitler, Frankfurt am Main 2005. [vollständige Version])
  • Sowing the Wind, Harcourt, Brace and Co., New York 1945.
  • Die den Wind Säen, Roman, Berlin 1947 (2. Auflage: Verlag Volk und Welt, Ost-Berlin 1960).
  • The Searching Light, Citadel Press, New York 1955.
  • Der Eid des John Minot, Berlin 1964.

Literatur

  • Oliver Lubrich: Formen Historischer Erfahrung. Die Metamorphosen der Martha Dodd[2]
  • Shareen Blair Brysac: Mildred Harnack und die „Rote Kapelle“. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung, Bern 2003. ISBN 3-502-18090-3
  • Gert Rosiejka: Die Rote Kapelle. „Landesverrat“ als antifaschistischer Widerstand, Hamburg 1986. ISBN 3-925622-16-0

Einzelnachweise

  1. so Volker Ullrich
  2. http://www.ingentaconnect.com/content/maney/ogs/2005/00000034/00000001/art00006;jsessionid=2f3gudnlwkh95.alice?format=print

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