Massaker von Ciepielów

Massaker von Ciepielów
Erschossene im Straßengraben

Beim Massaker von Ciepielów zu Beginn des Polenfeldzuges wurden am 8. September 1939 in der Nähe des Ortes Ciepielów etwa 250 polnische Kriegsgefangene durch die deutsche Wehrmacht erschossen. Die Exekution Gefangener stellt völkerrechtlich ein Kriegsverbrechen dar.

Inhaltsverzeichnis

Das Massaker

Während der Schlacht bei Radom stieß das III. Bataillon des Infanterieregiments 15 (mot.) im Verband der 29. Infanteriedivision (mot.) entlang des Flusses Weichsel vor, um die dortigen Brücken zu erobern. In der Nähe des Ortes Ciepielów stellte sich diesem Vormarsch das I. Bataillon des 74. Infanterieregiments der polnischen 7. Division unter Major Józef Pelc entgegen. Dabei wurden die Soldaten des deutschen Bataillons in ein heftiges Waldgefecht verwickelt. Trotzdem wurde der polnische Widerstand gebrochen und etwa 450 Gefangene eingebracht. Die Verluste der beteiligten deutschen 11. Kompanie betrugen 14 Tote, darunter auch der Kompaniechef Hauptmann Mark von Lewinski. Darüber soll der deutsche Regimentskommandeur Oberstleutnant Wessel in Wut geraten sein und die Erschießung der Gefangenen angeordnet haben. Dabei wurden 250 Gefangene gezwungen sich zu entkleiden und ihre Ausweise abzugeben, weil sie, nach Auffassung des Regimentskommandeurs, ohne ihre Uniformen als Partisanen behandelt und somit erschossen werden dürften. Nachdem die polnischen Soldaten mit Maschinenpistolen erschossen worden waren, wurden ihre Leichen in einem Straßengraben verscharrt. Die übrigen Gefangenen sollen in das rückwärtige Gelände abgeführt worden sein, wo 50 weitere Gefangene durch einen deutschen Panzerwagen erschossen worden sein sollen.[1]

Nach einer etwas anderen Darstellung fielen in dem Waldgefecht etwa 40 polnische Soldaten während 100 weitere verletzt wurden. Oberstleutnant Wessel soll nach dem Gefecht die Exekution von 150 Gefangenen einschließlich der Verwundeten angeordnet haben. Am folgenden Tag habe eine andere Einheit der 29. Infanteriedivision weitere Erschießungen vorgenommen. Anschließend seien insgesamt etwa 300 Leichen durch die ansässige polnische Bevölkerung beerdigt worden, von denen jedoch die Zahl der regulär im Kampf gefallenen polnischen Soldaten abzuziehen wären.[2]

Nachkriegszeit

Im August 1950 wurde der Fall erstmals bekannt, als ein anonymer Brief im polnischen Konsulat in München einging. Er enthielt die privaten Aufzeichnungen eines deutschen Augenzeugen sowie zwei Fotografien. Fast 20 Jahre später sandte die Polnische Hauptkommission zur Untersuchung der NS-Verbrechen die Aufnahmen an die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltung in Ludwigsburg. Daraufhin wurde ein Untersuchungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet, da der verantwortliche Oberstleutnant Wessel bereits während des Krieges in Italien gefallen war. Zeugenaussagen überlebender Angehöriger des Infanterieregiments 15 (mot.) brachten keinerlei Ergebnisse. Am 10. Januar 1971 wurde das Verfahren eingestellt. In der Begründung hieß es, dass in dem Gefecht bei Ciepielów 13 deutsche und 250 polnische Soldaten gefallen seien. Somit erklärte der Autor der Verfügung die getöteten Polen zu im Gefecht gefallenen Soldaten.[3]

Anmerkungen

  1. Jochen Böhler „Tragische Verstrickung“ oder Auftakt zum Vernichtungskrieg? - Die Wehrmacht in Polen 1939, in: Klaus-Michael Mallmann/ Bogdan Musial (Hrsg.): Genesis des Genozids - Polen 1939-1941 Darmstadt 2004, S. 48f
  2. Robert Seidel: Deutsche Besatzungspolitik in Polen - Der Distrikt Radom 1939-1945, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2006, S.178
  3. Jochen Böhler Auftakt zum Vernichtungskrieg - Die Wehrmacht in Polen 1939, Frankfurt/Main 2006, S. 172f.

Literatur

  • Jochen Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939. Eine Publikation des Dt. Historischen Instituts Warschau. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-16307-2 (Fischer Taschenbücher: Die Zeit im Nationalsozialismus 16307).
  • Jochen Böhler „Tragische Verstrickung“ oder Auftakt zum Vernichtungskrieg? Die Wehrmacht in Polen 1939. In: Klaus-Michael Mallmann, Bogdan Musial (Hrsg.): Genesis des Genozids. Polen 1939–1941. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-18096-8, S. 36–56 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart 3).
  • Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Bechtermünz, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-907-5.
  • Robert Seidel: Deutsche Besatzungspolitik in Polen. Der Distrikt Radom 1939–1945. Schöningh, Paderborn u. a. 2006, ISBN 3-506-75628-1, (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart), (Zugleich: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2004).

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