Massaker von Talheim

Massaker von Talheim
Einweihung der Infotafel am 26. Juli 2008; links Talheims Bürgermeister Rainer Gräßle, rechts die Leiterin einer Ausstellung zum Massaker von Talheim

Als Massaker von Talheim wird eine jungsteinzeitliche Begebenheit bezeichnet, die 1983 zu einem spektakulären Skelettfund in Talheim bei Heilbronn (Baden-Württemberg) geführt hat.

Im März 1983 stieß der Talheimer Weinbauer Erhard Schoch, als er ein Frühbeet bei seinem Haus im Gewann Pfädle tiefer legen wollte, auf menschliche Knochen und meldete dies den Behörden.[1] In einer drei Quadratmeter großen Grube lagen Skelettteile kreuz und quer übereinander, wahllos übereinander geworfen und in gut 7.000 Jahren auf rund zwölf Zentimeter zusammengepresst. Insgesamt wurden die Überreste von 34 Menschen gefunden, die durch Gewalteinwirkung ums Leben gekommen waren. Es handelt sich um die Skelette von neun Männern, sieben Frauen, zwei Erwachsenen, deren Geschlecht sich nicht eindeutig bestimmen ließ, und 16 Kindern und Jugendlichen im Alter von zwei bis 20 Jahren. Die Erwachsenen dürften 20 bis 60 Jahre alt gewesen sein. Charakteristische Bruchstücke aus der Bandkeramischen Kultur wiesen auf die frühe Jungsteinzeit hin.[2] Ihr Alter wird nach 14C-Daten auf grob 7000 Jahre geschätzt und fällt in die späte Bandkeramik-Zeit.[3]

Impaktfrakturen deuten darauf hin, dass die meisten Individuen mit quergeschäfteten Beilen (so genannten Schuhleistenkeilen) erschlagen wurden.[4] Auch Pfeilschüsse sind belegt, woraus man auf gute Lichtverhältnisse zur Tatzeit schließen kann. Aus dem Umstand, dass mehrere Schädel Frakturen am Hinterkopf aufwiesen, sowie aufgrund der Altersstruktur der Gruppe als auch aufgrund der nicht rituellen Bestattungsform wird ein morgendlicher oder aus einem Hinterhalt verübter Überfall mit anschließendem Verscharren der Toten als wahrscheinliche Ursache des Funds angenommen. Dabei wird die Häufung von Verletzungen am Hinterkopf dahingehend gedeutet, dass es wohl von Seite der Opfer keine starke Gegenwehr gab und diese zumeist im Schlaf oder auf der Flucht erschlagen wurden.

Das Massaker von Talheim wird häufig als Beleg verstärkter sozialer Spannungen gegen Ende der Bandkeramik angeführt. Angeblich sollen diese Spannungen eine der Ursachen für das endgültige Verschwinden der Bandkeramik als kulturelles Phänomen sein.

Das Massaker von Talheim war im Herbst/Winter 2007/2008 Gegenstand der Ausstellung Tatort Talheim im Archäologie-Museum der Städtischen Museen Heilbronn im Deutschhof. Im Anschluss wurde die Ausstellung vom 16. Februar bis 22. Juni 2008 im Neanderthalmuseum in Mettmann gezeigt. Vom 28. Februar bis 10. Mai 2009 war sie im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz zu sehen.[1]

Im Juli 2008 wurde bei der Fundstelle eine Infotafel enthüllt, die die Hintergründe des Fundes und den Fund selbst erläutert. Sie ist Teil eines historischen Rundwanderwegs der Gemeinde Talheim.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Helmuth Voith: Archäologisches Landesmuseum Konstanz: „Tatort Talheim - 7000 Jahre später“. Kommissar Archäologe ermittelt. In: Schwäbische Zeitung vom 12. März 2009
  2. Joachim Wahl & Hans Günther König: Anthropologisch-traumatische Untersuchung der menschlichen Skelettreste aus dem bandkeramischen Massengrab bei Talheim, Kreis Heilbronn. In: Fundberichte Baden-Württemberg 12, 1987
  3. T. Douglas Price, Joachim Wahl u. R. Alexander Bentley: Isotopic Evidence for Mobility and Group Organization Among Neolithic Farmers At Talheim, Germany, 5000 BC. In: European Journal of Archaeology 2006 9: 259
  4. Jens Lüning: Grundlagen sesshaften Lebens. In: Spuren der Jahrtausende. Katalog zur Ausstellung. Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1337-2. S. 217-218.
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