Mautner (Familie)

Mautner (Familie)

Die Familie Mautner ist eine aus Böhmen stammende österreichische Familie. Ihre Bedeutung lag im 19. und 20. Jahrhundert einerseits im Unternehmertum, andererseits im kulturellen wie künstlerischen Bereich. Die Familie begründete im 19. Jahrhundert die Vereinigte Österreichische Textil-Industrie Mautner Aktiengesellschaft, einen der zur damaligen Zeit größten europäischen Textilkonzerne Europas mit ca. 23.000 Beschäftigten in seiner Blütezeit. Nicht zu verwechseln ist sie mit der ebenfalls österreichischen Industriellenfamilie Mautner Markhof.

Als der wichtigste Vertreter der Familie gilt der im ostböhmischen Náchod geborene Isidor Mautner, der 1874 von seinem Vater Isaak Mautner als Teilhaber in dessen Nachoder Textilfirma aufgenommen wurde und im selben Jahr die Leitung der neu begründeten Wiener Niederlassung übernahm. Sie wurde unter der Bezeichnung „Isaak Mautner & Sohn“ am 6. September 1874 in das Handelsregister eingetragen.

Verheiratet war Isidor mit Jenny, geborene Neumann (1856–1938), Tochter eines Wiener Seidenfabrikanten. Sie galt als sehr kunstinteressiert und als Mäzenin. Durch sie verkehrten zahlreiche Künstler in ihrem Wiener Domizil, im Geymüllerschlössel. Sie selbst sang in einem Damenchor unter der Leitung der Opernsängerin Selma Kurz. Die beiden Maler Josef Breitner und Ferdinand Schmutzer übernahmen die künstlerische Erziehung der Kinder im Hause Mautner. Der Ehe von Isidor und Jenny entstammten die Söhne Stephan und Konrad sowie die Töchter Katharina und Marie.

Stephan Mautner (1877–1944) war wie sein Vater in dem Textilimperium in leitender Position tätig. Zuvor reiste er jedoch auf verschiedenen Schiffen der K.u.k. Marine als kommandierender commercieller Berichterstatter des Handelsministeriums. Nach seiner Rückkehr heiratete er Elsa Eissler (1877–1944), mit der er drei Kinder hatte. Nach dem Zusammenbruch der Firmengruppe des Vaters widmete er sich der Malerei. Neben der künstlerischen Erziehung im Elternhaus hatte er auch eine zusätzliche Ausbildung durch den Maler Hugo Charlemont erhalten. 1939, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, musste Stephan nach Budapest emigrieren. Die Sterbedaten sind nicht ganz gesichert. Nach verschiedenen Quellen soll er im KZ Auschwitz im Jahr 1944 oder 1945 ermordet worden sein.

Konrad Mautner besuchte das Schottengymnasium in Wien. Zwischendurch erhielt er Unterricht durch den Wiener Philosophen Richard Wahle. Nach einem Studienjahr in den Vereinigten Staaten leitete er mit seinem Bruder Stephan das väterliche Unternehmen. Er hielt sich allerdings die meiste Zeit im Salzkammergut auf. In Gößl, wo er eine Villa besaß, betrieb er vor allem volkskundliche Studien.

Katharina (Käthy) Breuer-Mautner (1883–1979) wurde ebenso wie ihre Brüder musisch erzogen. Sie war wie ihre Mutter Chorsängerin und sang in den Chören von Bruno Walter und Eusebius Mandyczewski. Verheiratet war Katharina mit dem Anwalt Hans Breuer, dem Sohn des Mediziners und Mitbegründers der Psychoanalyse Josef Breuer. 1939 flüchtete Katharina, die bereits seit 1926 verwitwet war, mit ihrem Sohn nach England. Sie kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr nach Wien zurück, sondern lebte bis zu ihrem Tod in Reading.

Marie Mautner-Kalbeck (1886–1972) widmete sich vor allem der Malerei und unterstützte ihren Bruder Konrad bei seinen volkstümlichen Forschungen. Sie heiratete 1919 den Regisseur Paul Kalbeck (1884–1949), der vorher mit Helene Thimig verheiratet gewesen war. Mit ihm hatte sie einen Sohn, den Regisseur Florian Kalbeck. Marie flüchtete 1939 ebenso wie ihre Schwester nach England, kehrte jedoch 1947 nach Wien zurück. Ihr Gatte Paul Kalbeck und ihr Sohn waren zu dieser Zeit in der Schweiz im Exil. Ihr Sohn Florian Kalbeck kehrte nach dem Krieg ebenfalls nach Wien zurück.

Der Niedergang des Industrieimperiums der Familie Mautner wurde durch das Ende Österreich-Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise eingeleitet. Zu den Textilfabriken der Familie gehörte auch die Niederlassung in Marienthal, nach deren Zusammenbruch im Jahr 1933 die Studie Die Arbeitslosen von Marienthal durchgeführt wurde. Welche Kunstwerke und Güter die Familie durch Versteigerungen aus Geldmangel oder aber durch die 1938 eingeleitete Arisierung und Vertreibung verloren hat, wird bis heute untersucht. Verhandlungen über eine Restitution waren auch im Jahr 2008 noch nicht abgeschlossen.[1]

Im Jahr 1993 wurde in Wien Währing (18. Bezirk) der Mautnerweg nach Konrad Mautner benannt.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Restitutionsbericht 2007 (PDF) der Stadt Wien, Seite 100 ff

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