Mehrzweckwaffe 1

Mehrzweckwaffe 1

Die Mehrzweckwaffe 1 (MW-1) ist ein ausschließlich für den Panavia Tornado entwickelter Submunitionsbehälter zum Einsatz gegen Flächenziele.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Beschaffung der MW-1 für die Bundeswehr wurde nach über 15-jähriger Entwicklungszeit 1984 beschlossen. 1985 begann der Zulauf in der deutschen Luftwaffe. Hersteller war die Firma Raketentechnik GmbH aus Unterhaching. Bei dieser handelte es sich um ein Tochterunternehmen von Diehl und Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB). Von ursprünglich geplanten 2554 MW-1 wurden lediglich etwa 850 Stück zu einem Preis von 2,315 Milliarden Deutsche Mark gekauft.[1]

Neben Deutschland hat nur Italien die Fähigkeit, die MW-1 einzusetzen, da hierfür spezielle technische Vorbereitungen erforderlich sind.[2] Bestellt wurden für die italienischen Luftstreitkräfte zunächst 100 Stück, davon mindestens 30 in einer Minen-Konfiguration.[3]

Beschreibung

Die MW-1 ist ein System aus drei oder vier Submunitionsbehältern mit verschiedenen Kleinbomben und Minen.

Submunitionsdispenser

Die Ausstoßbehälter bestehen aus je einem abgerundeten Vorder- und Hinterteil und einem oder zwei Mittelteilen. Ein Anbau erfolgt unter dem Flugzeugrumpf des Tornados an den äußeren beiden Außenlastträgern. Die Container verfügen über insgesamt 112 seitlich angeordnete Ausstoßrohre. In Abhängigkeit von der zu verschießenden Munition beträgt das Gewicht des Gesamtsystems bis zu 4,7 Tonnen. Für An- und Abbauübungen wurden Beladetrainer ohne Munition hergestellt. Flugfähiges Übungsgerät wurde nicht entwickelt.

Submunition

Der Behälter wurde so konzipiert, dass verschiedene Arten von Submunition pyrotechnisch seitlich aus den Ausstoßrohren verschossen werden konnten.

Folgende Beladung der MW-1 war möglich:

  • KB 44 (Kleinbombe 44; 42 pro Rohr): Bomblet mit Splitter- und Hohlladungswirkung: zum Einsatz gegen ungepanzerte und leicht gepanzerte Ziele wie Fahrzeuge und abgestellte Flugzeuge etc.
  • MUSPA (Multi-Splitter-Passiv-Aktiv; 6 pro Rohr): Mine mit aktiven und passiven Sensoren mit Splitterladung (2.100 Metallsplitter) zur sofortigen oder zeitgesteuerten Detonation zur Zerstörung oder Beschädigung vorbeirollender Flugzeuge und Fahrzeuge
  • MUSA (Multi-Splitter-Aktiv; ähnlich der MUSPA; 6 pro Rohr): Mine mit aktiven Sensoren mit Splitterladung zur sofortigen oder zeitgesteuerten Detonation
  • MIFF (Mine-Flach-Flach; 8 pro Rohr): Panzerabwehrmine mit Doppelhohlladung; unter anderem mit Magnetfeldsensor
  • STABO (Startbahnbombe; 2 pro Rohr): Bombe zur Zerstörung von Start-/Landebahnen. Die zunächst beim Aufschlag detonierende Hohlladung schafft einen Kanal in der Oberfläche. Eine Nachschussladung schafft einen unterirdischen Hohlraum, der aufwändig beseitigt werden muss, um die Startbahn wiederherzustellen.

Zusätzlich sind zwei Mischbeladungen (sog. „Mix 1“ bzw. „Mix 2“) möglich, die gegen Panzer-/Fahrzeugansammlungen bzw. Flugplätze optimiert sind.

Die Minen zerlegen sich jeweils nach einer voreingestellten Zeit selbst.

Der ASW (Anti-Shelter-Wirkkörper), eine Bombe gegen gehärtete Flugzeugschutzbauten (engl. Shelter) mit einem ähnlichen Aufbau wie die STABO, wurde zwar entwickelt jedoch nicht beschafft.

Großbritannien als weiterer Tornado-Nutzerstaat entwickelte mit dem JP233 ein Pendant zur MW-1. Dessen Submunition war ausschließlich für Flugplätze optimiert (Startbahnbomben/Minen) und wurde beim Zielüberflug nach unten ausgestoßen. Tornados der britischen Royal Air Force und der saudischen Luftstreitkräfte waren in der Lage je zwei JP233-Behälter zu tragen. Diese Waffe kam im Krieg gegen den Irak (1990/1991) zum Einsatz.

Einsatz

Die MW-1 wurde zur Zeit des Kalten Kriegs beschafft, um mit einem möglichst geringen Kräfteansatz Ziele mit einer großen räumlichen Ausdehnung, wie zum Beispiel gegnerische Flugplätze oder Panzeransammlungen bekämpfen zu können. Das Ziel musste dabei im Tiefstflug überflogen werden. In Abhängigkeit von der Beladung und dem Einsatzprofil konnte ein Bereich von 300 bis 500 Meter Breite und 180 bis 2.500 Meter Länge abgedeckt werden. Zur Verringerung des Strömungswiderstands und des resultierenden Treibstoffverbrauchs wären die Container nach dem Ausstoß der Munition vom Flugzeug abgesprengt worden.

Bei der MW-1 handelte es sich um eine Einmal-Waffe. Ein Aufmunitionieren und eine erneute Nutzung nach einem Einsatz war nicht möglich.

Verbot von Landminen/Streumunition

Wie die Submunition von Streubomben oder des JP233 ist auch die MW-1 trotz einer relativ niedrigen Blindgängerquote von maximal 1 %[4] und der zeitlich sichergestellten Selbstzerlegung im Fokus der aktuellen Diskussion über den Einsatz und die Lagerung von Landminen beziehungsweise Streumunition.

Italien klassifizierte die MIFF und die MUSPA als Antipersonenmine und verbot daraufhin den Einsatz und ordnete deren Zerstörung an. Auch die USA werten die MUSPA als Antipersonenmine.[5]

Deutschland klassifiziert die MIFF und die MUSPA ebenfalls als Minen, die gegen entsprechende Abkommen verstoßen und hat daher eine Nutzung ausgeschlossen. Zur Frage nach der Einstufung der MUSA, STABO und KB44 als Streumunition und eines Nutzungs- und Lagerungsverbots gemäß des Oslo-Prozesses gibt es noch keine offizielle Stellungnahme. Vielmehr wird bisher lediglich auf die parallele Ausphasung der MW-1 und des Tornados verwiesen.[6]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geschichte der MW-1 auf der Homepage des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit; eingesehen am 2. November 2008
  2. Mehrzweckwaffensteuerung auf der Homepage der BASE TEN SYSTEMS Electronics GmbH; eingesehen am 2. November 2008
  3. Homepage des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit; eingesehen am 2. November 2008
  4. Bundestagsdrucksache 16/6697 vom 10. Oktober 2007 (PDF, 90kb)
  5. Tödliche Alternativen - Wie die verbotenen Antipersonenminen ersetzt werden. Homepage der German Initiative to ban landmines/landmine action; eingesehen am 2. November 2008 (engl., PDF, 1,1MB)
  6. Bundestagsdrucksache 16/2456 vom 25. August 2006 (PDF, 122kb)

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