Melanchthon

Melanchthon
Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. 1532 Philipp Melanchthon

Philipp Melanchthon, eigentlich Philipp Schwartzerdt (* 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg), war ein Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe, Lehrbuchautor, neulateinischer Dichter und wurde als „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands) bekannt. Neben Martin Luther wurde er als Reformator eine treibende Kraft der deutschen und europäischen kirchenpolitischen Reformation.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Elternhaus und Kindheit

Marktplatz in Bretten mit Melanchthonhaus, das als Gedenkstätte an der Stelle des Geburtshauses Philipp Melanchthons gebaut wurde

Philipp Melanchthons Vater Georg Schwartzerdt (um 1459–1508) stammte aus Heidelberg und war mit dem Amt des kurfürstlichen Rüstmeisters und Waffenschmiedes (Vorsteher der fürstlichen Waffenkammer) betraut. Seine Mutter Barbara Reuter (um 1477–1529) war eine Tochter des Tuch- und Weinhändlers, Schultheißen und Bürgermeisters von Bretten, Johann (Hans) Reuter (um 1476–1508) und seiner Frau Elisabeth Reuchlin († 1518), die die Schwester des Humanisten Johannes Reuchlin war. Vier Jahre nach der Eheschließung 1493, am 16. Februar 1497, wurde der jungen Familie der Stammhalter Philipp im Hause seiner Großeltern in der kurpfälzischen Stadt Bretten geboren und erhielt seinen Namen zu Ehren des Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen von der Pfalz. Philipp hatte vier Geschwister, unter anderem einen Bruder Georg und eine Schwester, Anna Grünbach, geb. Schwarzerdt, von der der Arzt Robert Mayer abstammt.

Melanchthon wuchs in Brettheim auf, wie Bretten damals genannt wurde. Sein Großvater sorgte für eine gründliche Erziehung, vor allem durch Unterweisung in lateinischer Sprache durch Johannes Unger aus Pforzheim. So kommt er schon frühzeitig mit durchreisenden Scholaren in Kontakt und konnte mit diesen diskutieren.

Im Landshuter Erbfolgekrieg gegen die Hessen war sein Vater mit der Betreuung der Geschütze betraut. Als er von einem vergifteten Brunnen trank, kehrte er als kranker Mann nach Hause zurück. Einzig seine tiefe Religiosität half ihm dieses Schicksal und das darauf folgende Siechtum zu ertragen. Mit dem Tod seines Großvaters am 17. Oktober und dem Tod seines Vaters am 27. Oktober 1507 sowie dessen bewegendem Abschied war Melanchthons Kindheit beendet. Als Elfjähriger wurde er und sein Bruder Georg nach Pforzheim zu Verwandten gebracht.

Bildungsweg

Anschließend besuchte er, gemeinsam mit seinem Bruder Georg, die Lateinschule in Pforzheim und wohnte bei seiner Großmutter Elisabeth (Els) Reuter, der Schwester Johannes Reuchlins. Die Lateinschule hatte durch den Rektor Georg Simler aus Wimpfen und Johannes Hildebrand aus Schwetzingen hohes Ansehen und gewaltigen Zulauf gewonnen. Eine große Anzahl der aus dieser Schule hervorgegangenen Schüler wie beispielsweise Simon Grynaeus haben sich in ihrem späteren Leben einen Namen gemacht. Der Begabteste war jedoch Melanchthon, der nebenher auch noch Griechisch lernte und aufgrund seiner bereits in Bretten erworbenen Kenntnisse mühelos die Anforderungen der Lehranstalt bewältigen konnte.

Widmung Reuchlins in Melanchthons griechischem Wörterbuch

Durch seine lateinische Versdichtung und seine Fortschritte bei der griechischen Grammatik fiel er dem in Stuttgart lebenden und in Tübingen als oberster Richter des schwäbischen Bundes tätigen Johannes Reuchlin auf. Als Gelehrter der Altgriechischen Sprache führte er später das Griechischstudium in Deutschland ein und richtete die erste Professur 1515 in der Universität Leipzig ein. Er sollte in der Folge Melanchthons größter Förderer werden. Die Lehre der griechischen Sprache wurde zum Zeitpunkt der Begegnung der beiden miteinander nur sehr selten und nur besonders begabten Schülern vermittelt. Daher gab es noch kaum Literatur zu dieser Thematik. Reuchlin schenkte Melanchthon ein Exemplar der griechischen Grammatik und verfasste ihm eine Widmung, die auf Deutsch lautet:

„Diese griechische Grammatik hat zum Geschenk gemacht Johannes Reuchlin aus Pforzheim, Doktor der Rechte, dem Philipp Melanchthon aus Bretten, im Jahr 1509 an den Iden des März.“

Damit verlieh Reuchlin Philipp Schwartzerdt am 15. März 1509 den Humanistennamen Melanchthon, eine griechische Umsetzung des Geburtsnamens Schwartz – μέλας/μέλαινα/μέλαν (melas/melaina/melan) – und erdt – ἡ χθών (chthon) – (siehe dazu auch Gräzisierung).

Nach knapp einem Jahr konnte Melanchthon zwölfjährig im Oktober 1509 die Universität Heidelberg beziehen. In Heidelberg fand er im Hause des Pallas Spangel Unterkunft, wo Jakob Wimpheling gelegentlich abstieg. Bereits in Pforzheim hatte er von dessen Schriften zur Reform der Lehr- und Unterrichtsmethoden Kenntnis erhalten und machte ihn mit den Schriften des Erasmus von Rotterdam vertraut. 1510 veröffentlichte Melanchthon in Wimphelings Büchern seine ersten lateinischen Gedichte. Durch seine hohe Begabung bewältigte Melanchthon das Studium in Heidelberg problemlos und erwarb zum frühesten möglichen Zeitpunkt am 10. Juni 1511, den ersten akademischen Grad eines Baccalaureus artium.

Am 17. September 1512 wechselte er aus Altersgründen an die Universität Tübingen. Dort studierte er Astronomie, Musik, Arithmetik und Geometrie. Zugleich beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Er las antike Autoren, humanistische Dichter und machte Bekanntschaft mit neuen Lehrmethoden. So lernte er auch die Schriften von Rudolf Agricola zur Logik kennen und entnahm ihnen ein neues Verständnis der Dialektik. Zusammen mit Franciscus Irenicus gehörte er dort zu den Neckargenossen.

Als Reuchlin durch ein Gutachten über das hebräische Schrifttum in einen Prozess verwickelt wurde, setzte er sich für seinen Förderer publizistisch ein. Am 25. Januar 1514 schloss er sein Studium an der philosophischen Fakultät mit dem Magistertitel ab. Bereits in Tübingen war er als Tutor zweier Grafensöhne tätig gewesen und wirkte als Griechischlehrer. Somit war der Übergang vom Lernenden zum Lehrenden bei Melanchthon fließend erfolgt. In die Tübinger Zeit fallen auch Melanchthons eigene erste Publikationen, so eine Ausgabe des lateinischen Komödiendichters Terenz 1516, samt einer Einleitung über die Geschichte der antiken Komödie, des Weiteren eine griechische Grammatik von 1518, die bis 1544 neunzehn Auflagen erlebte. Und letztlich arbeitete er an einer Rhetorik, die 1519 in Wittenberg herauskam.

Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte, fand am 26. April 1518 eine Heidelberger Disputation über die Grundlagen seiner Forderungen an der Universität statt, die auf Melanchthon entscheidenden Eindruck hinterließ. Daher begab er sich mit seinen Studienkollegen nach Wittenberg um sich die Ansichten Luthers näher erläutern zu lassen. Fortan war Melanchthon gegenüber dem reformatorischen Gedankengut aufgeschlossen.

Die Universität Wittenberg

Die Schlosskirche der Lutherstadt Wittenberg

1518 stiftete Kurfürst Friedrich der Weise an seiner 1502 gegründeten und mehrfach reformierten Universität Wittenberg einen Lehrstuhl für Griechische Sprache. Zunächst versuchte man für den neu eingerichteten Lehrstuhl den damals bekanntesten Gräzisten Johannes Reuchlin zu gewinnen. Dieser lehnte jedoch aus Altersgründen ab und empfahl seinen geförderten Zögling Melanchthon für die Stelle. Da Melanchthon während seiner Tübinger Zeit bereits auf sich aufmerksam gemacht hatte, nahm man die Empfehlung Reuchlins an und trug Melanchthon die Aufgabe auf. Dieser verabschiedete sich von seinen bisherigen Wirkungsstätten und erreichte Wittenberg am 25. August 1518. Seine schmale und kleine äußere Gestalt von 1,50 Metern, verbunden mit einem kleinen Sprachfehler, beeindruckten die Wittenberger zunächst wenig. Jedoch als Melanchthon seine ausgefeilte und flammende Antrittsrede am Samstag, dem 28. August, in der Schlosskirche von Wittenberg hielt, schlug der erste Eindruck völlig um.

Melanchthon sprach über eine Universitätsreform und malte zunächst ein düsteres Bild der Bildung vergangener Jahrhunderte. Er verfolgte den Leitgedanken, dass die Lektüre der antiken Schriftsteller aus den ursprünglichen Quellen durch humanistische Studien zum Quell neuen Lebens und Denkens werden kann. Damit traf er den Puls der Zeit im damaligen Wittenberg, und Martin Luther war sogleich fasziniert von dem kleinen Graeculus (Griechlein). Diese Faszination beruhte auf Gegenseitigkeit und wurde in der Folge zu einer der wichtigsten Kooperationen der Reformation, die erst mit Luthers Tod endete.

Schnell erkannten auch die Studenten, welches Potenzial Melanchthon in sich barg; er war daher ein überaus beliebter Universitätslehrer. Er lehrte griechische Grammatik, las über antike Autoren, erklärte biblische Bücher und verband dies mit Wissensbildung auf zahlreichen Gebieten. Oft hatte er bis zu 400 Zuhörer, die vor allem seine präzise Sprache, die Fülle an Beispielen und die klare Gliederung seiner Ausführungen schätzten.

Durch den Einfluss Luthers erwarb Melanchthon den akademischen Grad eines baccalaurus biblicus am 19. September 1519. Dazu war er befähigt, auch an der theologischen Fakultät Vorlesungen zu halten. Obwohl Melanchthon zeitlebens davon Gebrauch machte, bevorzugte er jedoch die philosophische Bildung, die man als Voraussetzung der theologischen Bildung verstand. Als man ihm 1525 eine besonders gut dotierte Professur schuf, die ihn von den Fakultätszwängen befreite, änderte sich hier auch nicht des Praeceptors Einstellung. Es ist hierin kein mangelndes Interesse gegenüber der Kirche zu sehen. Vielmehr fühlte sich Melanchthon aufgrund seiner körperlichen Schwäche und seines Sprachfehlers nicht zum Priester berufen, was auch die Tatsache erklärt, dass Melanchthon nie die christlichen Sakramente gereicht hat. Vielmehr war für ihn das geistige Potential der Theologie wichtig, und so stieg unter seiner Mitwirkung neben Luther die Universität Wittenberg zur bedeutendsten Universität in Europa auf.

Familie

Melanchthonhaus in Wittenberg
Melanchthonstube im Melanchthonhaus
In seinem 43. Lebensjahr wohnte Melanchthon während 6 Wochen in diesem Haus in Schmalkalden

Melanchthon mietete sich nach seiner Ankunft in Wittenberg ein schlichtes Haus, das er oft auch als Bude bezeichnete. Dort wohnte er mit seinem Gehilfen zusammen. Luther fürchtete jedoch um die Gesundheit Melanchthons, die durch die Männerwirtschaft offensichtlich beeinträchtigt wurde. Um Melanchthons Lebensumstände zu verbessern, aber auch um ihn in Wittenberg zu halten, suchte Luther für Melanchthon 1520 eine Frau. Von dieser Idee war Melanchthon jedoch nicht sehr begeistert. Der junge arbeitswütige Professor fürchtete um den Fortgang seiner Studien. Jedoch gelang es Luther, dass er endgültig am 27. November 1520 Katharina (* Oktober 1497; † 11. Oktober 1557), die Tochter des Hans Krapp († 1515), eines Tuchhändlers und Bürgermeisters von Wittenberg und seiner Frau Katharina (geb. Münzer; † 3. Mai 1548), heiratete. Luther, der selbst eine eigentlich ungewollte Ehe einging, wusste um die Wirkung eines Zusammenlebens und so geschah es auch, dass sich bei Melanchthon und seiner Frau durch das allmähliche Kennenlernen eine Gemeinschaft bildete, in der sich die beiden schätzen lernten.

Obwohl seine Frau aus einem angesehenen Hause stammte und Melanchthon als Professor an der Universität gut verdiente, gab es im Hause Melanchthon nie einen größeren Wohlstand. Ständige Besuche von Universitätsangehörigen, die sich bei diskutierenden Tischrunden im Hause Melanchthons versammelten, junge Studenten, die Melanchthon in seiner „schola domestica“ als persönlicher Mentor unterrichtete und versorgte, schmälerten das finanzielle Budget des Haushalts.

Melanchthon erlangte durch sein Wirken in Wittenberg bald ein so hohes Ansehen, dass ihm Angebote anderer Universitäten in Deutschland und Europa unterbreitet wurden. Johann Friedrich I. (Sachsen) wollte jedoch den angesehenen Professor in Wittenberg halten und errichtete auf dem Grundstück seiner Bude 1536 ein standesgemäßes Haus, das wir heute als Melanchthonhaus in Wittenberg kennen. Als die Familie 1537 in dieses Haus einzog, hatte das Ehepaar bereits die Kinder Anna (* 24. August 1522; † 27. Februar 1547), Philipp (* 21. Februar 1525; † 3. Oktober 1605 in Wittenberg), Georg (* 25. November 1527 in Wittenberg; † 1529 ) und Magdalena (* 19. Juli 1531; † 12. September 1576). Als Familienvorstand widmete er sich mit Hingabe seinen geliebten Kindern und die Sorge um die Kinder schweißte das Ehepaar Melanchthon zusammen. Als Vater litt er an schlaflosen Nächten, als sein zweiter Sohn Georg bereits nach zwei Jahren verstarb und als seine Tochter, die er selbst allseitig bildete, eine unglückliche Ehe mit Melanchthons einstigem Schüler Georg Sabinus einging. Das Zusammenleben mit Melanchthon war jedoch nicht immer einfach. So konnte er, wenn es ihm gegen den Strich ging, recht jähzornig werden. Dies bekam auch sein Sohn Philipp zu spüren, als er sich heimlich mit der Leipzigerin Margaretha Kuffner verlobte, was der Vater nicht in einer Ehe enden ließ.

Last und Sorge bereiteten dem stets Verantwortung für andere Menschen empfindenden Melanchthon seine Pflichten als Hausvater und Ehemann. Getragen wurde er von der ungebrochenen Zuversicht in Gottes Fürsorge und Barmherzigkeit, die er gerade auch durch die Familie zu erfahren glaubte. So wuchs Melanchthon langsam in seine Existenz als Ehemann und Hausvater hinein. In seiner Frau fand er eine fürsorgliche Ehefrau, die ihren von Arbeit und Verantwortung geschwächten Ehemann pflegte. Als sie am 11. Oktober 1557 verstarb und der langjährige Familienfreund Joachim Camerarius d. Ä. dies Melanchthon, der in Worms beim letzten großen Religionsgespräch weilte, am 27. Oktober mitteilte, empfand er großen Verlust und sehnte sich danach, ihr bald folgen zu können.

Krankheit und Tod

Brief Melanchthons an den pommerschen Superintendenten Jakob Runge, verfasst am 14. April 1560, fünf Tage vor seinem Tod
Das Grab Philipp Melanchthons in der Schlosskirche Wittenberg

Melanchthon war von zarter Statur und erweckte stets den Eindruck starker Gefährdung. Dies wurde verstärkt durch seine leise Stimme. Im krassen Gegensatz dazu stand seine Arbeitsleistung und Zähigkeit bei Verhandlungen. Die ständige Überbelastung blieb nicht ohne Folgen. Schon von Jugend an litt er unter Schlaflosigkeit, die sich besonders in Stresssituationen verstärkte. Des Weiteren war sein gestresster Magen auf eine ausgewogene Schonkost angewiesen.

Im Frühsommer 1540 blickte er bereits dem Tod ins Auge, als er auf der Reise zum Hagenauer Religionsgespräch in Weimar erkrankte. Luther eilte zur Trostspende zu ihm. Melanchthon war bereits in Ohnmacht gefallen und lag vor Luther mit eingefallenem Gesicht und gebrochenen Augen. Jedoch konnte sich Melanchthon von diesem Schwächeanfall wieder erholen und setzte seine Arbeit weiter fort. Als er sich im März 1541 auf einer Reise nach Regensburg befand, stürzte sein Reisewagen um und er erlitt schwere Verletzungen. Seit jener Zeit war er durch die erlittene Verletzung beim Schreiben behindert.

Von einer Reise nach Leipzig im Jahre 1560 kam er erkältet am 4. April zurück. Während der Nacht vom 7. zum 8. April bekam er Fieber, das mit kurzen Unterbrechungen immer wiederkehrte. Trotz der Betreuung durch seine Tochter Magdalena und seinen Schwiegersohn Dr. Caspar Peucer nahmen seine Kräfte immer mehr ab. Am 19. April sammelten sich die nächsten Angehörigen, seine Tochter Magdalena, deren Mann Caspar Peucer und der Hausfreund Joachim Camerarius um Melanchthon in seinem Haus, um ihm das letzte Geleit zu geben. Vor dem Hause versammelten sich die Studenten und beteten für ihren Professor. Gegen 19 Uhr wurden Hände und Füße kalt und sein Puls setzte aus.

Nach einer Gedächtnisrede des Medizinprofessor Veit Winsheim fand er an der Seite seines einstigen Mitstreiters Martin Luther in der Schlosskirche Wittenbergs seine letzte Ruhestätte.

Wirken und Einfluss

Der Lehrer Deutschlands

Als Melanchthon seine Antrittsrede vor dem versammelten Publikum der Wittenberger Universität hielt, äußerte er sich bereits zu einer Studienreform, die das alte Lehrsystem in der Folge beseitigte. Seine pädagogischen Hauptanliegen waren die individuelle Betreuung der Studienanfänger durch Präzeptoren und die Schulung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit. Als Rektor der Universität Wittenberg sorgte Melanchthon 1523/24 für eine neue Studienordnung, zunächst erst für die Philosophische Fakultät. Dabei stellte er klar, dass die klassisch-humanistische Bildung für evangelische Theologen unerlässlich ist.

Melanchthon war Lehrer aus Leidenschaft. Sein ungeheures Wissen ermöglichte es ihm, auf vielen Gebieten Vorlesungen zu halten bzw. er konnte bei seinen Vorlesungen auf ein reiches Spektrum an Hintergrundwissen zurückgreifen und Zusammenhänge damit anschaulich darstellen. Für den Griechisch- und Lateinunterricht hat Melanchthon Grammatiken verfasst, die an zahlreichen Schulen, auch im Ausland, verwendet wurden. Neben Kommentaren zu antiken Autoren schrieb er auch wichtige Lehrbücher zu Fächern wie Rhetorik, Ethik, Physik, Geschichte und Geographie. In vielen Schulen des 16. Jahrhunderts waren seine Bücher als Unterrichtsstoff vorgeschrieben, so dass er schon zu Lebzeiten als „Praeceptor Germaniae“ (lat: „Lehrer Deutschlands“) gepriesen wurde. Als Lehrer an der Wittenberger Universität legte er vor allem auf die Kenntnis der exakten Wortbedeutung und auf eine klare Sprache Wert. Dabei vertrat er vor allem die Ansicht, man könne nicht auf der Grundlage der Bibel Theologie betreiben, ohne die alten drei Sprachen zu beherrschen, alles andere sei Geschwätz.

Melanchthon kümmerte sich jedoch nicht nur um die zukünftigen Lehrer, sondern beteiligte sich auch bei der Gründung von Schulen (1524 in Magdeburg, 1525 in Eisleben und 1526 in Nürnberg) und entwarf deren Schulordnungen. Er entwarf die Prinzipien die die Schulen beherzigen sollten:

  • Unterrichtssprache ist Latein
  • Die Schüler sollen nicht mit zu viel Lernstoff belastet werden. Wichtig sind Gründlichkeit und Wiederholungen.
  • Die Schüler werden nach Alter und Wissen auf drei Klassen aufgeteilt, erst nach dem Erreichen eines Lernziels kommen sie in die nächst höhere Klasse.

Des Weiteren war er für seinen Kurfürsten unterwegs und visitierte Kirchen und Schulen. Dabei prüfte er die Schulsituation und reagierte auf Missstände mit Verbesserungsvorschlägen. Mit der Oberen Schule St. Egidien in Nürnberg begründete Melanchthon sogar einen neuen Schultyp, der zur Urform des deutschen Gymnasiums werden sollte. Das Gymnasium existiert noch heute, musste aber umziehen. Heute trägt es Melanchthons Namen, Latein ist ab der 5. Klasse Pflicht. In seiner lateinischen Festrede zur Einweihung der Schule am 23. Mai 1526 zeigte er den Wert der Wissenschaften für die gesamte Staats- und Kirchenkunst auf.

Der Reformator

Melanchthon lernte Luther bei der Heidelberger Disputation kennen. Luther, der durch seine Veröffentlichung der 95 Thesen schon 1517 die Kirche zu reformieren begonnen hatte, fand in Melanchthon als Reformer des Bildungswesens eine ergänzende Persönlichkeit für die Erneuerung der Kirche. Von Luther, so sagte Melanchthon selbst, habe er das Evangelium gelernt. Jedoch waren beide sehr unterschiedlich. Während Luther kräftig, korpulent, oft polternd und volksnah war, wirkte Melanchthon sensibel, leicht verletzbar und zart. Luther ärgerte sich bisweilen über die Vorsichtigkeit seines 14 Jahre jüngeren Mitstreiters, wogegen Melanchthon gelegentlich unter der groben und aggressiven Art Luthers litt. Trotz alledem schätzten sich beide sehr und wussten um die Vorzüge und Stärken des anderen. Dies lässt sich auch anhand der Übersetzung des Neuen Testaments durch Luther im Herbst 1521 auf der Wartburg nachvollziehen, als Melanchthon die Durchsicht und linguistische Korrektur vornahm. Alsbald folgte die Übersetzung des Alten Testaments 1524 und 1534 erschien dann die gesamte Lutherbibel.

Bereits 1519 begleitete er Luther zur Leipziger Disputation. 1521 veröffentlichte er die erste systematische Darstellung der reformatorischen Theologie (Loci communes rerum theologicarum). Damit waren die Hauptpunkte reformatorischer Ideen formuliert und die erste einflussreiche Dogmatik der evangelischen Kirche verfasst, die in den Jahren 1535, 1543 und 1559 neu überarbeitet und angepasst wurde.

Gemälde von Lucas Cranach d.J., von 1559 Philipp Melanchthon im hohen Alter

Im Jahr 1529 übernahm Melanchthon die Rolle des Verhandlungsführers der Reformation auf dem Reichstag zu Speyer, weil Luther als Geächteter an den Verhandlungen nicht teilnehmen konnte. Des Weiteren nahm er im gleichen Jahr am Marburger Religionsgespräch teil. Er war außerdem am Wormser und Regensburger Religionsgespräch beteiligt, die jedoch erfolglos verliefen. Sein Anliegen war dabei stets, die Reformen unter bewusstem Verzicht auf Gewalt durchzusetzen und die Einheit der Kirche zu erhalten. Dem entsprach seine entgegenkommende Haltung auf dem Augsburger Reichstag sowie später gegenüber den Katholiken in den Leipziger Artikeln. Sein diplomatisches Wesen und Geschick, das er bei der Abfassung der Torgauer Artikel, der Confessio Augustana, der Apologie der Augustana und Tractatus de potestate papae (Traktat über die Gewalt und den Primat des Papstes) beweist, zählen zu den grundlegenden evangelischen Bekenntnisschriften und tragen zum Erfolg der Reformation bei.

Nach Luthers Tod fiel ihm die Führungsrolle im Protestantismus zu. Melanchthon bemühte sich intensiv, die evangelische Lehre auf den Reichstagen verständlich zu machen und zugleich um die Einheit der Kirche zu kämpfen. So wurden in der Wasserburg zu Buschhoven 1543 zwei Reformationsschriften (Einfaltigs Bedencken) durch Martin Bucer, ein weiterer Reformator, und Philipp Melanchthon für den Kölner Erzbischof Hermann V. von Wied verfasst.

Die Bemühungen blieben erfolglos, die Spannungen zwischen den Parteien wurden immer stärker. 1546/47 kam es zum Schmalkaldischen Krieg zwischen dem katholischen Kaiser Karl V. und den evangelischen Fürsten.

Auch unter den Protestanten gab es unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Themen, so dass Melanchthon mehrfach zu Religionsgesprächen reisen musste. Bekannt ist beispielsweise das Religionsgespräch in Marburg, bei dem Melanchthon und Luther im Oktober 1529 den Schweizer Reformator Ulrich Zwingli trafen. Während man auf vielen Gebieten Übereinstimmung erzielte, etwa bei der Taufe oder der Beichte, blieb das Verständnis des Abendmahls, also die Frage, ob Christus real oder symbolisch in Wein und Brot anwesend ist, offen. Vor allem wegen dieses Streitpunkts entwickelten sich später reformierte und lutherische Kirchen. Andere Auseinandersetzungen musste Melanchthon mit eigenen Schülern ausfechten, die ihm Verrat an der wahren Lehre Luthers vorwarfen: Melanchthon habe Zugeständnisse gemacht, etwa dass ein evangelischer Pfarrer einen Chorrock tragen dürfe. Melanchthon hingegen hielt solche Fragen für äußerlich und nebensächlich. Doch seine innerprotestantischen Widersacher hielten jeden Kompromiss für Verrat und Rückkehr zum Papsttum. Auch adiaphoristische Streitigkeiten mit den Gnesiolutheranern führten in seinen letzten Lebensjahren zunehmend zu innerer Enttäuschung und Verbitterung. Nach dem Urteil Adolf von Harnacks hatte er sich dies jedoch selbst zuzuschreiben, da er sich z. B. hinsichtlich der Abendmahlslehre (Konsekration) zunehmend von der Position Luthers entfernt hatte und kurz vor seinem Tode sogar bereit war, dagegen öffentlich aufzutreten (Hardenberg Bremen).

Werkauswahl

Titelseite der Loci praecipui theologici von 1552
  • Institutiones Graecae grammaticae 1518
  • Loci communes rerum theologicarum 1521
  • Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren im Kurfürstentum Sachsen 1527
  • Confessio Augustana 1530
  • Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses 1531
  • Traktat über die Gewalt und den Primat des Papstes 1537
  • Von der Kierchen und alten Kierchenleren; Das die Fursten aus Gottes beuelh vnd gebot schuldig sind; Widder den unreinen Bapsts Celibat und verbot der Priesterche, 1540 (Digitalisat)
  • Tetrabiblos 1553 (Herausgeber von Claudius Ptolemäus' vierbändigem Werk der Astrologie, verfasst um ca. 150 n. Chr.) ISBN 978-3-925100-17-8

Sonstiges

Gedenkstätten

Melanchthondenkmal auf dem Marktplatz der Lutherstadt Wittenberg

Melanchthon-Preis der Stadt Bretten

Zu Ehren ihres großen Sohnes verleiht die Geburtsstadt Melanchthons alle drei Jahre den Melanchthonpreis der Stadt Bretten.

Jahrestage

Sein Todestag, der 19. April, ist zugleich sein Gedenktag.

Briefmarken

Literatur

  • Martin H. Jung: Frömmigkeit und Theologie bei Philipp Melanchthon. Das Gebet im Leben und in der Lehre des Reformators. Tübingen: Mohr, 1998 (Beiträge zur historischen Theologie 102).
  • Günter Frank, Sebastian Lalla (Hrsg.): Fragmenta Melanchthoniana, 3 Bände; Ubstadt-Weiher: verlag regionalkultur, 2003; ISBN 978-3-89735-228-5, ISBN 978-3-89735-240-7, ISBN 978-3-89735-456-2 (Vortragsreihen zur Person und zum historischen Kontext Melanchthons)
  • Gerhard Schwinge: Melanchthon in der Druckgraphik. Eine Auswahl aus dem 17. bis 19. Jahrhundert; Ubstadt-Weiher: verlag regionalkultur, 2000; ISBN 978-3-89735-131-8
  • Horst Jesse: Leben und Wirken des Philipp Melanchthon. Dr. Martin Luthers theologischer Weggefährte; München: Herbert Utz, 2005; ISBN 3-8316-1205-6
  • Stefan Rhein: Philipp Melanchthon; Wittenberg: Drei-Kastanien-Verlag, 1997; ISBN 3-9804492-5-4
  • Heinz Scheible: Philipp Melanchthon. Leben und Werk in Bildern (dt., franz., engl.); Karlsruhe: Landesbildstelle Baden, 1998; ISBN 3-89116-040-2
  • Günther R. Schmidt: Philippus Melanchthon (1497–1560); in: Henning Schröer, Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Klassiker der Religionspädagogik; Frankfurt/M. 1989; S. 23ff; ISBN 3-425-07711-2
  • Günther R. Schmidt (Hrsg.): Philipp Melanchthon. Glaube und Bildung; Stuttgart: Reclam, 1989; ISBN 3-15-008609-4
  • Hans-Rüdiger Schwab: Philipp Melanchthon. Der Lehrer Deutschlands. Ein biographisches Lesebuch; München: dtv, 1997; ISBN 3-423-02415-1
  • Hermann-Ad. Stempel: Melanchthon. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 1184–1188.
  • Robert Stupperich: Philipp Melanchthon. Gelehrter und Politiker; Göttingen: Muster-Schmidt, 1996; ISBN 3-7881-0147-4
  • Predigerseminar der Lutherstadt Wittenberg (Hrsg.): „Man weiß so wenig über ihn“. Philipp Melanchthon, ein Mensch zwischen Angst und Zuversicht; Wittenberg: Drei-Kastanien-Verlag, 2004; ISBN 3-9804492-9-7
  • Julius August Wagenmann: Melanchthon, Philipp. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 268–279.
  • Stupperich, Robert: Melanchthon, Philipp. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, S. 741–745.

Weblinks

Eintrag in Zedlers Universallexikon, Band 20, Blatt 219.


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