Mikrotubuli

Mikrotubuli
Kryo-Elektronenmikroskopische 3-D-Rekonstruktion eines intakten Mikrotubulus (Auflösung: ca. 0,8 nm)
spiralförmig angeordnete Mikrotubuli, Vergr. 65000×

Mikrotubuli sind röhrenförmige Protein­filamente in Zellen, die zusammen mit den Mikrofilamenten und Intermediärfilamenten einen Bestandteil des Zytoskeletts bilden. Sie sind somit mitverantwortlich für die mechanische Stabilisierung der Zelle und ihrer äußeren Form, für aktive Bewegungen der Zelle als Ganzes, sowie für Bewegungen und Transporte innerhalb der Zelle.

Mikrotubuli bestehen aus α- und β-Tubulin, das in helicaler Anordnung polymerisiert, im MTOC kommt des Weiteren noch ein γ-Tubulin vor. Zur Ausbildung einer Drehung werden 13–14 Tubulindimere benötigt. Die Durchmesser solcher Mikrotubuli variieren zwischen 15 und 25 Nanometer.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Im Cytoplasma der Zellen liegt in der Regel ein Gleichgewicht zwischen polymerisiertem und depolymerisiertem Tubulin vor. Die Tubulin-Einheiten werden ständig sowohl am plus- als auch am minus-Ende des Mikrotubulus angebaut und auch wieder depolymerisiert, sodass ein Gleichgewicht entsteht, wobei beide Prozesse am plus-Ende schneller verlaufen (siehe auch: Dynamische Instabilität). Kippt dieses Gleichgewicht, kann es zum völligen Rückgang der Mikrotubulivorkommen kommen, das Gegenteil ist auch möglich. Das dadurch entstehende dynamische Netzwerk von Mikrotubuli-Filamenten in der Zelle hat seinen Ursprung am „microtubule organizing center“ (MTOC), dies ist meist das Zentrosom, welches aus zwei Zentriolen besteht (meist in der Nähe des Zellkerns).

Mit den Mikrotubuli sind zahlreiche Proteine assoziiert. Die bekanntesten sind Motorproteine wie Dynein und Kinesin. Zudem gibt es eine ganze Gruppe von Proteinen mit dem Sammelnamen MAPs („microtubule associated proteins“). Die meisten MAPs nehmen offenbar regulatorische Funktionen wahr.

Mikrotubuli können durch diese Proteine untereinander verbunden werden und sich zu Zilien bzw. Geißeln (9x2 + 2) oder Zentriolen (9x3 + 0) organisieren. Von einem 9 x 2 + 2 Aufbau spricht man, wenn 2 Zentraltubuli von 9 Doppelmikrotubuli (Mikrotubulus A+B) umrahmt werden. Cilien und Geißeln sind aktiv beweglich (über das ATP-spaltende Protein Dynein). Die Zentriolen kommen in der Regel paarweise vor und verdoppeln sich bei der Zellteilung. Zusammen mit dem perizentriolären Körper, von dem Mikrotubuli ausgehen, werden sie als Zentrosom bezeichnet.

Colchicin (ein Alkaloid aus der Herbstzeitlosen Colchicum autumnale), niedrige Temperatur, und ein Überschuss an Calcium-Ionen fördern eine Depolymerisation von Mikrotubuli. Ein Alkaloid aus der Rosafarbenen Catharanthe (Catharanthus roseus), das Vinblastin, fällt Tubulin aus. Das Taxol, ein Alkaloid aus der Eibe und das Epothilon aus dem Myxobakterium Sorangium cellulosum stabilisieren Mikrotubuli und hindert sie am Depolymerisieren.

Funktion

Grafik: Ultrastruktureller Aufbau eines Mikrotubulus

Mikrotubuli erfüllen sehr wichtige Aufgaben in den Zellen. An den Mikrotubuli entlang werden Vesikel und Granulae durch die Zellen transportiert. Während der Zellteilung bilden sie den Spindelapparat aus, über welchen die Chromatiden zu den Polen der Zelle gezogen werden.

Eine besondere Bedeutung kommt auch den Zilien und Geißeln zu. Zilien erzeugen einen koordinierten Flimmerschlag in eine bestimmte Richtung und transportieren Material in einem Lumen, Geißeln bewegen eine einzelne Zelle fort (z. B. ein Spermium), indem sie hin und her schlagen. Abgewandelte, nicht mehr bewegliche, Formen von Zilien (9x2 + 0) bilden spezialisierte Zellkompartimente, z. B. das Außensegment bei ziliären Photorezeptor­zellen oder die Fortsätze bei Riechzellen.

In einer umstrittenen Hypothese behauptet Roger Penrose, dass bewusstseinsbildende Gehirnfunktionen auf makroskopischen Quanteneffekten, die sich in den Mikrotubuli des Zellskeletts abspielen, beruhen. Bei höheren Evolutionsstufen seien es die Mikrotubuli der Hirnneuronen, aber im Prinzip gelte dieser fast panpsychische Mechanismus sogar für Einzeller mit Zytoskelett.[1]

Bedeutung in der Krebsbekämpfung

Endothelzellen unter dem Mikroskop. Die Mikrotubuli sind in grün, Aktinfilamente sind in rot markiert worden. Die Zellkerne sind blau markiert.

Eine starke Bedeutung kommt den Mikrotubuli bei der Bekämpfung von Krebs zu. Da sich der Spindelapparat ohne Mikrotubuli nicht entwickeln kann, können sich die Krebszellen auch nicht weiter mitotisch teilen, das Geschwür wächst also nicht weiter und auch Metastasen bilden sich nicht mehr. So werden die Alkaloide Vinblastin und Paclitaxel bei der Chemotherapie eingesetzt, um den Aufbau von Mikrotubuli zu stören.

Das Medikament wirkt aber nicht nur spezifisch auf Krebszellen, sondern es beeinflusst alle teilungsfähigen Zellen. Da aber Haut-, Haar-, Darm-, Immun- oder Geschlechtszellen ständig erneuert werden müssen, kann es zu erheblichen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Darmbluten oder stärkerer Infektionsanfälligkeit kommen.

Literatur

  • Klaus Werner Wolf, Konrad Joachim Böhm: Organisation von Mikrotubuli in der Zelle. Biologie in unserer Zeit 27(2), S. 87–95 (1997), ISSN 0045-205X

Referenzen, Anmerkungen

  1. „Schatten des Geistes. Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins“. Spektrum, Heidelberg/Berlin/Oxford 1995, ISBN 3860252607 ab Seite 438 und 449

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