Milo Manara

Milo Manara

Milo Manara (* 12. September 1945 in Lüsen (Südtirol); eigentlich Maurilio Manara) ist ein Comiczeichner, der vor allem durch seine erotischen Comics, realistischen Zeichnungen und den markanten, präzisen Strich bekannt geworden ist.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Manara widmete sich am Anfang seiner Karriere, wie viele andere Zeichner auch, zuerst der Malerei und der Werbung, bevor er mit dem Krimi Genius 1969 als Comiczeichner debütierte. Mit regelmäßigen Zeichnungen für zwei in Italien sehr populäre, zum Teil pornografische Comicmagazine des Genre fumetti neri (Kriminal und Satanik) finanzierte er zwischen 1968 und 1971 sein Architektur-Studium an der Universität Venedig. Gleichzeitig zeichnete er Plakate für ein maoistisches Künstlerkollektiv mit dem Namen Miraculo. Zuvor war der damalige Architekturstudent bei dem spanischen Bildhauer Miguel Ortíz Berrocal in die Lehre gegangen, wodurch er viel über die plastische Darstellung des menschlichen Körpers gelernt hat. Zwischen 1971 und 1973 zeichnete er billig produzierte erotische Piratenstory Jolanda de Almaviva und fertigte etliche Comicstrips für die italienischen Magazine Telerompo und Corriere dei Ragazzi. Beim letzteren Magazin, das in den frühen 80er Jahren eingestellt wurde, gestaltete er Geschichten nach Vorlagen von Mino Milanis, die mit verschiedenen historischen Figuren comicgerecht abrechneten. Dafür hat er 1975 zehn Episodender Serie La Parola Alla Giuria (Die Geschworenen haben das Wort) gezeichnet, in denen Taten jeweils einer historischen Persönlichkeit (Nero, Attila, Maximilien de Robespierre, Robert Oppenheimer usw.) nacherzählt wurden. Der Leser sollte in jedem Fall für sich entscheiden, ob die Personen rechtmäßig gehandelt hatten.

Der internationale Durchbruch gelang Manara 1978 mit seiner Comicadaption des chinesischen Literaturklassikers Der Affenkönig (mit dem Text von Silverio Pisus, zuerst veröffentlicht im Magazin Pilote). Es folgten weitere nennenswerte Arbeiten für den Verlag Larousse, und zwar für dessen enzyklopädische Buchreihen: Historie de France und Die Eroberung der Welt (unter anderem über die Kreuzzüge, Karl den Großen, James Cook und Vasco Núñez de Balboa), bevor er schließlich für die belgische Zeitschrift (à suivre) zwei Jahre später seine berühmteste Serie angefangen hatte. Weltruhm erlangte Manara nämlich mit den nach Vorlagen von Hugo Pratt und Federico Fellini entstandenen, von 1978 bis 1987 gezeichneten vier Abenteuergeschichten um den Zeitgeist-Helden Giuseppe Bergmann, in denen sich eine der intelligentesten Comic-Romanentwürfe mit einem souveränen Erzähl- und Zeichenstil paart. Seine Anspielungen auf künstlerische, philosophische und religiöse Themen vermitteln ein komplexes Bild seiner Weltanschauung und seiner Selbstpräsentation als moderner Künstler. Um die Jahrtausendwende sind zwei weitere Hefte mit den Abenteuern dieser bekanntesten und erfolgreichsten Figur Manaras erschienen, die sich jedoch deutlich im Stil und Technik von den Vorgängern unterscheiden. In Zu schaun die Sterne spielt Manara mit Traditionen und Klischees der Malerei und nutzt die Sinnbildlichkeit übernommener Motive zur Bereicherung seiner Bildaussagen. Hier begegnet Bergmann einem Mädchen, das sich in alle möglichen Illustrationen der Weltliteratur hineinstürzt. Als der Comic-Held ihr nachspürt, schlägt er Seiten mit Illustrationen von Botticelli und Doré auf. Es sind Illustrationen zu Dantes Die göttliche Komödie. Dann sieht der Leser Umrissformen von Dante und Vergil als seinen Führern durch das Inferno, so wie Doré sie gestochen hat, in einem Panel von Manara stehen. So reflektiert der Comic den Holzstich der Buchillustrationen im 19. Jahrhundert als Vorläufermedium. Er zeigt sich aber auch fasziniert von einem literarischen Werk, das wie kaum ein anderes bildnerische Imaginationen freigesetzt hat. Hier nimmt Manara den Leser auf ähnlichen Rundgang durch die Geschichte der schönen Künste wie in Mein Museum, einer Huldigung auf die Malermodelle aus verschiedenen Epochen: die Muse des Praxiteles, die mythische Phryne, Rembrandt van Rijns Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels oder das Modell für Caravaggios "Tod Mariens".

Viele kennen Manara aber vor allem bzw. nur durch zwei berühmte, hoch erotische Geschichten, die zu den Höhepunkten seines Oeuvres gehören: Außer Kontrolle (1 bis 4; im Original unter dem Titel Il gioco (Das Spiel), 1. Teil veröffentlicht 1983 von Playmen) und Der Duft des Unsichtbaren (1./2.; im Original unter dem Titel Il profumo dell'invisibile). Der erste Teil von Außer Kontrolle wurde 1985 unter dem Titel "Le Déclic" von Jean-Louis Richard mit Florence Guérin als Claudia Christiani verfilmt.[1] Der Duft des Unsichtbaren wurde 1997 ebenfalls in Frankreich verfilmt.

Comic-Meilensteine auf Manaras Weg in den Pantheon der Comickünstler waren in den folgenden Jahren auch der Western Der Mann aus Papier (1984 im Volksverlag unter dem Titel "Vier Finger" erschienen) und Comic-Versionen der zwei nie verfilmten Drehbücher von Federico Fellini: Die Reise nach Tulum (deutsche Ausgabe bei Carlsen) und Die Reise von G. Mastorna [alias Fernet] (deutsche Ausgabe bei Schreiber & Leser). In seinen Werken hatte Manara mehrfach durch Bildzitate seine Verehrung für Fellinis Filme ausgedrückt. Zudem hatte er die Plakate zu Intervista und Die Stimme des Mondes gestaltet. Fellinis Drehbuch für den geplanten Film Die Reise nach Tulum erschien zuerst als Fortsetzungsserie in Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera. Der Autor versuchte in seiner Geschichte, das mysteriöse Abenteuer und die Stationen einer Reise nach Mexico auf den unenträtselbaren Spuren von Carlos Castaneda nachzuvollziehen. Im Comic übernimmt die Rolle des Filmregisseurs Fellinis Alter ego Marcello Mastroianni, der mit seiner Truppe nach Mexiko fährt, um dort die geheimnisvolle Welt der dortigen Zauberer kennenzulernen. Das Drehbuch Der Reise von G. Mastorna hat auf Deutsch der Diogenes Verlag veröffentlicht. Manaras Comic-Version des filmischen Treatments ist abgerundet mit absurden Grotesken, surrealen Illustrationen, graphischen Erzählsequenzen und Layout-Scribbles.

Bemerkenswert war auch Manaras Beitrag zum Columbus-Jahr 1992. Das zusammen mit Enzo Biagi und Giacinto Gaudenzi geschaffene Werk Kolumbus (deutsche Ausgabe bei Carlsen) hat Schulbuchqualitäten, bleibt aber immer interessant und spannend.

Für internationales Aufsehen sorgte Manara 1983 auch durch seine direkte Zusammenarbeit mit dem Szenaristen Hugo Pratt, mit dem er sich dem Thema Kolonisation beider Amerikas und den Anfangstagen der Besiedelung des Kontinents widmete (wie zuvor bereits in seinem Western-Comic Vier Finger). Gemeinsam brachten sie Ein indianischer Sommer, eine 144 Seiten lange Graphic Novel heraus. Nach einer weiteren Zusammenarbeit mit Pratt erschien 1991 der Band El Gaucho, der auch diesmal nur wenig mit Erotik zu tun hatte, sondern dem Western-Genre zuzuordnen ist. Dabei wird das Epos um "El Gaucho" durch den Tod Pratts wohl für immer unvollendet bleiben, während "Ein indianischer Sommer" in sich geschlossen ist.

1992 Manara fertigte Bilder für den Comic El Fuego y las Entranas, dessen Szenario der Filmregisseur Pedro Almodóvar schrieb. Auch die Werbeindustrie hat Manaras Talent für weibliche Kurven - getreu dem Motto Sex sells - unter Vertrag genommen. Außer Autowerbung erarbeitete Manara z.B. 1998 zwei Werbespots für Chanel Nº 5 mit dem Modell Estella Warren in der Rolle des Rotkäppchens, beide in der Regie von Luc Besson. Eine Auswahl seiner Reklame-Arbeiten ist im Artbook Memory zu finden.

2007 unterzeichneten Panini Verlag und Milo Manara einen Exklusiv-Vertrag, der die weltweite Lizenzierung sämtlicher Werke und Merchandising-Produkte Manaras umfasst.

Comics

  • Genius
  • Jolanda de Almaviva
  • Das Tagbuch von Sandra F.
  • Mann aus Papier
  • Der Schneemensch
  • Columbus
  • Vier Finger
  • Der Schein trügt
  • Außer Kontrolle (4 Bände)
  • Der Duft des Unsichtbaren (2 Bände)
  • Candid camera
  • Jeden Tag um sechs
  • Kamasutra (frei nach Vatsyayana Mallanaga)
  • WWW - Wendi, Wilma, Wanda
  • Der goldene Esel (nach dem antiken Roman Metamorphosen von Apuleius)
  • Revolution
  • Gullivera (eine frivole Travestie der Gullivers Reisen von Jonathan Swift)
  • Piranesi - Planet der Verdammten
  • Abenteuer des Giuseppe Bergmann
Band 1 - Das große Abenteuer
Band 2 - Ein Autor sucht sechs Personen
Band 3 - Tag des Zornes
Band 4 - Ein Traum ... vielleicht ...
Band 5 - ...Zu schaun die Sterne
Band 6 - Die Odyssee des Giuseppe Bergmann

Mit Federico Fellini

  • Die Reise nach Tulum
  • Die Reise von G. Mastorna

Mit Hugo Pratt

  • Ein indianischer Sommer (2 Bände)
  • El Gaucho

Mit Alejandro Jodorowsky

Band 1 - Blut für den Papst
Band 2 - Macht und Inzest
Band 3 - Ketzer und Könige
Band 4 - Alles ist Eitel

Mit Valentino Rossi

  • Quarantasei

Artbooks

  • Mein Museum
  • Memory
  • Honey abends allein zu Haus
  • Bolero
  • Glamour Book, Glamour Production International - (2 Bände: Un Giuoco und Lo Scimmiotto)
  • Venus & Salome
  • Die Phantasien des Manara
  • Sensualitars di Milo Manara (La Perla)
  • Donne e motori (mit einem Vorwort von Claudio Nobis und Vincenzo Mollica)
  • Péntiti!
  • 46
  • Quarantasei

Portfolios

Buchillustrationen

  • Die Kunst den Hintern zu versohlen von Jacques Enard
  • Der Sonnenvogel von Wilbur Smith
  • Aphrodite von Pierre Louÿs
  • Iris und der Scheich von Lina Wertmüller
  • L'uomo che cavalcava un sogno von Donatello Bellomo
  • Il traguardo.IT von Vincenzo Borgomeo
  • Il romanzo di alessandro von Valerio Massimo Manfredi

Platten- und CD-Covers

  • Tango dei miracoli von David Riondino
  • Non svegliate l'amore von David Riondino und Mario Baratto
  • 12000 Lune von Lucio Dalla
  • La Grabde Avventura von Riccardo Cocciante
  • Stella Dissidente von Enzo Avitabile
  • Kufia von Coro Al Aqsa
  • Vertigo of Bliss von Biffy Clyro

CD-ROMs

  • Gulliveriana (1996)
  • Il gioco del Kamasutra (1997)
  • Giuseppe Bergmann: A riveder le stelle (1999)
  • Milo Manara - CD-ROM Anthology

Verfilmungen

  • Serien
    • Click (1997[5])
  • Filme
    • Le Déclic (1985[6])
    • Le Parfum de l'invisible (1997[7])
    • La Légende de Parva (2003[8])

Preise

Einzelnachweise

  1. Entfesselte Lust – Filmkritik bei TV Spielfilm.de
  2. IMDb
  3. IMDb
  4. IMDb
  5. IMDb
  6. IMDb
  7. IMDb
  8. IMDb

Literatur

Weblinks


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