Argwohn

Argwohn
Dieser Artikel beschreibt die allgemeine und die rechtswissenschaftliche Bedeutung des Begriffes "Verdacht". Für den gleichnamigen Film von Alfred Hitchcock, siehe Verdacht (Film). Für den Roman von Friedrich Dürrenmatt, siehe Der Verdacht.

Verdacht wird im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert in der Bedeutung "Übles von jemanden denken" verwendet. Bereits im Mittelniederdeutschen existierte jedoch der vordacht in der Bedeutung von Argwohn. Das abgeleitete Adjektiv verdächtig ist in einer älteren Schreibweise und der Bedeutung von "überlegt, vorbedacht" bereits im Mittelhochdeutschen belegt. In seiner heutigen, passivischen, Bedeutung von "mit Verdacht behaftet" ist es erst seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch. Ebenfalls dem 17. Jahrhundert entstammt das Verb verdächtigen, als "einen Verdacht gegen jemanden hegen".[1] Eine Substantivbildung ist Verdächtigung.

Als Generalverdacht wird ein verallgemeinerter, ein generalisierter, Verdacht bezeichnet. Beispielsweise wenn der Verdacht gegenüber einer Person auf eine soziale Gruppe ausgedehnt wird, der diese Person angehört.

Inhaltsverzeichnis

Rechtswissenschaft

Insbesondere ist "Verdacht" ein Terminus aus dem Strafprozessrecht. Hier gilt die Unschuldsvermutung; ob es sich bei dem Beschuldigten um den Täter handelt, ist erst nach rechtskräftiger Verurteilung durch das Gericht entschieden. Zuvor ist deshalb nur ein Verdacht möglich. Der Tatverdacht ist in Abgrenzung zu einer nur statistischen Wahrscheinlichkeit die Voraussetzung für Eingriffe der Strafverfolgungsorgane in die Grundrechte des Bürgers. Entsprechend der Eingriffsintensität werden verschiedene Verdachtsstufen bzw. -grade unterschieden, um dem Übermaßverbot gerecht zu werden.

  • Beim Anfangsverdacht besteht das Recht (und die Pflicht: Legalitätsprinzip) der Strafverfolgungsorgane zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Dazu genügen Beweisgründe oder Anzeichen (Indizien), dass jemand eine Straftat begangen hat. Genaueres soll das Ermittlungsverfahren schließlich erst zeigen.
  • Eine Kompetenz der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung (Öffentliche Klage) besteht dagegen erst bei hinreichendem Tatverdacht, also der Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine strafbare Handlung begangen hat und verurteilt wird.
  • Bei der einschneidenden Maßnahme der Untersuchungshaft (§112 StPO) ist dagegen dringender Tatverdacht erforderlich: die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine strafbare Handlung begangen hat. Die belastenden Momente müssen die entlastenden Momente überwiegen.
  • Weil es keine absolute Sicherheit gibt, ist auch die volle subjektive Überzeugung des Gerichts, die zur Verurteilung des Täters notwendig ist, letztlich nur ein (wenn auch sehr hoher) Verdachtsgrad.

So ist es durchaus möglich, dass ein Beschuldigter mangels dringendem Tatverdacht aus der Untersuchungshaft entlassen wird, obwohl ein (für die Anklageerhebung) hinreichender Tatverdacht besteht.

Der Verdacht hat als Eingriffsvoraussetzung im repressiven Strafverfahren die gleiche rechtsstaatliche Bedeutung wie die Gefahr im präventiven Polizeirecht. In beiden Fällen soll der Bürger davor geschützt werden, nur auf Grund theoretischer Möglichkeiten Grundrechtseingriffe dulden zu müssen.

Einzelnachweise

  1. Etymologie nach Duden «Etymologie» - Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, 2. Auflage, Dudenverlag, 1989

Literatur

  • Nicola Kammann: Der Anfangsverdacht. Hamburg: Verlag Dr. Kovac 2003.
  • Matthias Klatt: Zur Rechtstheorie des Verdachts. In: Rechtstheorie. Zeitschrift für Logik und Juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normen- und Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts, 37. Bd. (2006), S. 388-392.
  • Lorenz Schulz: Normiertes Misstrauen. Der Verdacht im Strafverfahren. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 2001.
  • Georg Steinberg: Verdacht als quantifizierbare Prognose? In: Juristen-Zeitung (JZ), 61. Jg. (2006), Nr. 21, S. 1045-1049.

Siehe auch

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Argwohn — Argwohn, (Arges wähnen) ist eine leise Krankheit der Seele oder eine schwere Reconvalescenz einer durch traurige Erfahrungen erkrankten Brust. Argwohn ist ein Milchbruder der Eifersucht (s. d.) Diese ist die Furcht, zu verlieren, jener die… …   Damen Conversations Lexikon

  • Argwohn — Argwohn, die subjective mit Ungewißheit verbundene Meinung od. Gemüthsstimmung eines Menschen, der einem Andern (ohne objectiv zureichende Gründe) Arges (Böses od. Schlechtes) zutraut. Davon: Argwöhnisch, Argwöhnen etc …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Argwohn — Argwohn, eigentlich Argwahn, jemanden ohne eigentlichen Grund in Verdacht haben, daher das alte Sprichwort: der A. ist ein Schalk (Betrüger) …   Herders Conversations-Lexikon

  • Argwohn — Sm std. stil. (12. Jh.), mhd. arcwān, ahd. argwān Stammwort. Zusammengerückt aus arg und wān (noch im 13. Jh. auch arger wān). Die Entwicklung zu ō ist in den meisten Mundarten üblich. In dieser Zusammensetzung hat das Wort Wahn seine alte… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Argwohn — Argwohn, argwöhnen, argwöhnisch ↑ arg …   Das Herkunftswörterbuch

  • Argwohn — 1. Argwohn betrügt den Mann. – Simrock, 454. Denn er ist ein Schalk, der alles zum Aergsten, also in der Regel falsch auslegt. Jemand hatte von seinem Nachbar die Meinung, wenn er ihn um sein Pferd zu einer Tagereise bäte, er würde es ihm… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Argwohn — Zweifel; Unglaube; Ungläubigkeit; Misstrauen; Unglauben; Skepsis; Verdacht * * * Arg|wohn [ arkvo:n], der; [e]s: das Zweifeln an der redlichen Absicht, der Vertrauenswürdigkeit eines andern; Neigung, hinter dem Tun, Verhalten anderer feindselige …   Universal-Lexikon

  • Argwohn — der Argwohn (Aufbaustufe) geh.: Vermutung, dass jmd. etw. Böses getan hat, Verdacht Synonym: Misstrauen Beispiele: Sein Argwohn hat uns tief verletzt. Sie wurde von ihrer Umgebung mit Argwohn behandelt …   Extremes Deutsch

  • Argwohn — Bedenken, Misstrauen, [schlimme] Vermutung, Skepsis, Verdacht, Zweifel. * * * Argwohn,der:1.⇨Misstrauen–2.⇨Verdacht(1)–3.einenA.haben/hegen:⇨befürchten;A.hegen:⇨Verdacht(2);A.hegen|gegen|:⇨misstrauen Argwohn→Verdacht …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Argwohn — Ạrg·wohn der; (e)s; nur Sg, geschr; der Argwohn (gegen jemanden / etwas) eine sehr misstrauische Einstellung gegenüber jemandem / etwas ≈ Misstrauen <jemandes Argwohn erregen> || hierzu ạrg·wöh·nisch Adj …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”