Montessori

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Maria Montessori

Maria Montessori (* 31. August 1870 in Chiaravalle bei Ancona; † 6. Mai 1952 in Noordwijk aan Zee) war eine italienische Ärztin, Reformpädagogin, Philosophin und Philanthropin. Sie entwickelte die Montessoripädagogik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Maria Montessori im Alter von 10 Jahren, um 1880

Maria Montessori entstammt einer gebildeten Familie. Ihr Vater arbeitete im Finanzministerium und leitete die staatliche Tabakmanufaktur. Mütterlicherseits ist sie mit Antonio Stoppani verwandt, einem Theologie- und Geologieprofessor. In seiner Theorie zur Verbindung von Theologie und Naturwissenschaften steckt der Grundgedanke, nach dem Montessori ihre kosmische Erziehung entwickelte.

Schon in ihrer Schulzeit interessierte Maria Montessori sich für Naturwissenschaften und besuchte daher – gegen den Widerstand ihres konservativen Vaters – eine technische Oberschule. Nach dem Abitur versuchte sie, Medizin zu studieren. An Hochschulen zu studieren, war für Frauen in Italien generell seit 1875 möglich. Doch sie wurde von der Hochschule abgelehnt, da das Medizinstudium Männern vorbehalten war. Darum studierte sie an der Universität Rom von 1890 bis 1892 zunächst Naturwissenschaften. Nach ihrem ersten Hochschulabschluss gelang es ihr schließlich doch, sich in Medizin einzuschreiben. 1896 promovierte sie an der Universität Rom als erste Frau Italiens.

Studium

Im Studium beschäftigte sie sich besonders mit Embryologie und Evolutionstheorie. Ihre Wissenschaftsauffassung entsprach dem Positivismus.

Bereits in ihren letzten beiden Studienjahren arbeitete Montessori als Assistentin an einer psychiatrischen Klinik in Rom. Sie spezialisierte sich auf Kinderheilkunde und setzte diese Tätigkeit als Assistenzärztin in der Abteilung für Kinderpsychiatrie der römischen Universitätskinderklinik fort. Ihr besonderes Interesse galt den dort nur notdürftig versorgten geistig behinderten Kindern. Sie war von dem würdelosen und verwahrlosten Zustand, in dem diese Kinder lebten, tief bewegt und bemühte sich um Abhilfe. Dabei stieß sie auf die in Vergessenheit geratenen Arbeiten von Jean Itard und Edouard Séguin, dessen Lehrbuch über die Physiologische Methode [1] sie ins Italienische übersetzte.

Wissenschaftliche Arbeit

Wie ihre beiden Vorgänger war Montessori davon überzeugt, dass die Behandlung der „Schwachsinnigen“ oder „Idioten“ kein medizinisches, sondern ein pädagogisches Problem ist. Sie forderte daher die Einrichtung spezieller Schulen für die betroffenen Kinder.

Ihre Doktorarbeit schrieb sie 1896 über Antagonistische Halluzinationen im Fach Psychiatrie. Danach begannen ihre wichtigsten Forscherjahre. Bis 1907 entwickelte sie ihre anthropologisch-biologische Theorie und beschäftigte sich mit den neuropsychiatrischen Grundlagen, auf denen ihre Pädagogik und ihre praktischen Experimente in den Kinderhäusern beruhen.

Heilpädagogisches Institut (Scuola magistrale ortofrenica)

1899 erhielt sie vom italienischen Erziehungsminister Guido Bacelli den Auftrag, vor Lehrerinnen in Rom eine Vortragsreihe über die Erziehung geistig behinderter Kinder zu halten. Aus diesem Kurs ging die Scuola magistrale ortofrenica (italienisch „Heilpädagogisches Institut“) hervor, die sie als Direktorin zwei Jahre leitete. Sie entwickelte in dieser Zeit spezielle didaktische Materialien zum Sprachunterricht und zum Mathematikunterricht.

Pädagogisches Institut in Rom

1901 verließ Montessori das Institut und nahm ein Studium der Anthropologie, Psychologie und Erziehungsphilosophie auf. 1904 hielt sie Vorlesungen zur Anthropologie und Pädagogik am Pädagogischen Institut in Rom.

Kinderhaus (Casa dei Bambini)

Am 6. Januar 1907 eröffnete sie eine Tagesstätte für geistig normale Kinder aus sozial schwachen Familien, die so genannte Casa dei Bambini (italienisch Kinderhaus), im römischen Arbeiterbezirk San Lorenzo. Ursprünglich sollten diese nur in einem "Volkswohnhaus" verwahrt werden. Bei der Betreuung übertrug sie dann die Hilfsmittel, die sie für die Förderung geistig behinderter Kinder entwickelt hatte, auf die Kinder der armen Leute. Die Ergebnisse waren so überwältigend gut, dass sie sie "mit größtem Staunen und Ungläubigkeit erfüllten", wie sie in "Kinder sind anders" selber beschreibt, und sie daraus Schritt für Schritt ihre Methode entwickelte. Ein Schlüsselerlebnis aus dieser Zeit war ihre Beobachtung eines dreijährigen Mädchens, das völlig selbstversunken in seine Beschäftigung mit Einsatzzylinderblöcken, sich auch durch massivste Ablenkungen nicht stören ließ. Der Ausdruck konzentrierter Aufmerksamkeit, den Montessori an diesem Kind beobachten konnte, bezeichnete sie später als „Polarisation der Aufmerksamkeit“, deren experimenteller Erforschung sie einen Großteil ihrer weiteren Arbeit widmete.

Bericht in The New Student’s Reference Work Chicago, 1914

Aus den in dieser Zeit gemachten Erfahrungen entwickelte sie die Montessori-Methode (Il metodo della pedagogia scientifica, erste Fassung 1909 danach ständig erweitert, und L’autoeducazione, 1916) zur Erziehung von Kindern, die heute in vielen Teilen der Welt populär geworden ist. Nach einer Begegnung Montessoris mit Italiens Faschistenführer Benito Mussolini wurde 1924 die Montessori-Methode an italienischen Schulen eingeführt. Durch diese Protektion wurde die italienische Montessori-Gesellschaft von der faschistischen Regierung unterstützt. 1927 wurde diese Unterstützung sogar noch verstärkt [2]. Die Entfremdung Montessoris gegenüber der faschistischen Regierung setzte erst 1934 ein, als das Regime immer mehr versuchte, sich in die tägliche Arbeit an den Montessori-Schulen einzumischen (z.B. Gebot des Uniformtragens)[3].

Internationale Wirkungen

Ab 1913 entwickelte sich in Nordamerika ein starkes Interesse an ihren Erziehungsmethoden, das später wieder erlahmte und erst 1960 mit der Gründung der Amerikanischen Montessori-Gesellschaft (American Montessori Society) durch Nancy McCormick Rambusch wieder auflebte.

In Deutschland hatten in den 1920er Jahren vor allem Clara Grunwald und nach 1945 Helene Helming die Montessori-Pädagogik bekannt gemacht und verbreitet.

Exil in Indien

Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde sie unter Benito Mussolini exiliert und lebte in Indien, wo sie insbesondere das Prinzip der „Kosmischen Erziehung“ und den „Erdkinderplan“ entwickelte.

Lebensabend in den Niederlanden

Bis zum Ende ihres Lebens verbrachte sie ihre Zeit in den Niederlanden, wo sich heute auch der Hauptsitz der Association Montessori Internationale (AMI) befindet.

Sohn Mario Montessori

1898 wurde ihr unehelicher Sohn Mario geboren. Sie gab ihn in Pflege und besuchte ihn auf dem Lande. Später diente er ihr bis zu ihrem Tode als Sekretär und wahrscheinlich auch als Hersteller der von ihr erdachten Entwicklungsmaterialien. Erst als er über 40 Jahre alt war, bekannte sie sich zu ihm als ihren Sohn.

Nach dem Tod seiner Mutter 1952 leitete Mario Montessori die Gesellschaft bis zu seinem Tod 1982.

Montessoripädagogik

Siehe Hauptartikel Montessoripädagogik

Werke

  • Il metodo della pedagogia scientifica (1909; 3. Aufl. 1926); dt.: Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter, hrsg. auch unter dem Titel: La scoperta del bambino (1950; 7. Aufl. 1966); dt.: Die Entdeckung des Kindes (1969; 4. Aufl. 1974).
  • Antropologia pedagogica (1910).
  • Dr. Montessoris own handbook, 1914; dt.: Mein Handbuch (1922; 2. Aufl. 1928).
  • L'autoeducazione nelle scuole elementari (1916; 2. Aufl. 1940; Neuausg. 1962); dt.: M.-Erziehung für Schulkinder (1926); Schule des Kindes. Montessori-Erziehung in der Grundschule (1976).
  • The child in the church (1929; 2. Aufl. 1965); dt.: Kinder, die in der Kirche leben (1964).
  • Il segreto dell'infanzia (1938, hrsg. 1950; 9. Aufl. 1966); dt.: Kinder sind anders (1952; 8. Aufl. 1967).
  • Formazione dell'Uomo (1949; 5. Aufl. 1955); dt.: Über die Bildung des Menschen (1966).
  • The absorbent mind (1949; ital.: La mente del bambino, 1952; 5. Aufl. 1966); dt.: Das kreative Kind. Der absorbierte Geist (1972).
  • L'Educazione e Pace (1949; 1972); dt.: Erziehung und Frieden (1973).
  • De l'Enfant à l'Adolescent (1948); dt.: Von der Kindheit zur Jugend (2. Aufl. 1973).

Literatur

  • Christine Reentz: Maria Montessori (1870-1952). In: Henning Schröer / Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Klassiker der Religionspädagogik. Frankfurt/M. 1989, S. 197ff. ISBN 3425077112
  • Anne Dieter: Maria Montessori und das Recht der Kinder auf Bildung. Ein Beitrag zum Montessori-Jahr 2007. Potsdam 2007 (Volltext)
  • Ela Eckert: Maria Montessoris (1870-1952) Kosmische Erziehung. Eine Antwort auf die Weltneugier des Grundschulkindes. In: Astrid Kaiser, Detlef Pech (Hrsg.): Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts. (= Basiswissen Sachunterricht; Bd. 1). 2004, ISBN 3-89676-861-1, S. 118-121
  • Birgitta Fuchs: Maria Montessori - ein pädagogisches Porträt. Weinheim und Basel 2003, ISBN 3-8252-2321-3
  • Sigurd Hebenstreit: Maria Montessori - Eine Einführung in ihr Leben und Werk. Freiburg 1999
  • Helmut Heiland: Maria Montessori. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. (= Rowohlts Monographien; rororo 50419). 9. Auflage. Reinbek 2003, ISBN 3-499-50419-7
  • Christine Hofer: Die pädagogische Anthropologie Maria Montessoris oder Die Erziehung zum neuen Menschen. Würzburg 2001, ISBN 3-9335-6392-5
  • Michael Knoll: John Dewey über Maria Montessori. Ein unbekannter Brief. In: Pädagogische Rundschau 50 (1996), S. 209-219.
  • Rita Kramer: Maria Montessori. Leben und Werk einer großen Frau. Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-12455-7
  • Hélène Leenders: Der Fall Montessori. Die Geschichte einer reformpädagogischen Erziehungskonzeption im italienischen Faschismus. Bad Heilbrunn 2001, ISBN 3-7815-1100-6
  • Marjan Schwegman: Maria Montessori. 1870-1952. Kind ihrer Zeit - Frau von Welt. Primus, Darmstadt 2000, ISBN 3-89678-220-7
  • E. Mortimer Standing: Maria Montessori. Leben und Werk. Stuttgart 1959 (Neuauflage: Oberursel/Taunus 1970)
  • Ingeborg Waldschmidt: Maria Montessori - Leben und Werk. München 2002

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Edouard Séguin, 1846: Traitement moral, hygiène et éducation des idiots et des autres enfants arriérés. Paris: J.B. Baillière
  2. [1]
  3. . Ela Eckert: Maria und Mario Montessoris kosmische Erziehung, Berlin-Hamburg-Münster 2007, S. 112 (im Web als Google-Buch[2])


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