Morgen (Zeitbegriff)

Morgen (Zeitbegriff)

Die Zukunft ist die Zeit, die subjektiv gesehen der Gegenwart nachfolgt. Die Wissenschaft von der Zukunft ist die Futurologie.

Inhaltsverzeichnis

Physik

Klassische Physik

Vergangenheit und Zukunft bezüglich des Koordinatenursprungs.

In der klassischen Mechanik ist Zeit eine Dimension, d.h. eine Größe zur Parametrisierung eines Ereignisses. Hierbei wird zwischen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit nicht unterschieden. Erst der zweite Hauptsatz der Thermodynamik gibt der Zeit eine festgelegte Richtung. Danach ist die Entropie, welche die Anzahl der möglichen Zustände eines abgeschlossenen Systems angibt, in der Zukunft stets höher (oder zumindest nicht niedriger) als in der Vergangenheit. Hierdurch definiert die Thermodynamik einen Zeitpfeil von der Vergangenheit in die Zukunft. Die Zukunft relativ zu einem Zeitpunkt (Gegenwart) ist somit jener Bereich der Zeitskala, in dem ein abgeschlossenes System eine höhere Entropie als in der Gegenwart hat.

Siehe auch: Zeitskala

Relativitätstheorie

Im Zusammenhang mit der Veränderung der Vorstellung des Begriffs der Zeit seit Einführung der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein haben auch die Begriffe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Umdeutung erfahren. Da zwei Ereignisse, die für einen Beobachter gleichzeitig stattfinden, für einen relativ dazu bewegten Beobachter nicht mehr gleichzeitig stattfinden, ersetzt der Begriff der „Raumartigkeit“ die „Gleichzeitigkeit“.

War die Zukunft früher eine bei der Gegenwart beginnende Halbgerade auf einem fiktiven Zeitstrahl, so sieht die Physik sie nun als den Bereich in der Raumzeit, von dem der Beobachter in der Gegenwart Kenntnis erlangen kann.

Nähere Informationen hierzu siehe Minkowski-Diagramm

Der Wunsch, zu wissen

Die Zukunft hat in der Philosophie, aber vor allem auch im menschlichen Geist überhaupt eine besondere Rolle eingenommen. Die Zukunft hat einen solch hohen Stellenwert, weil der Mensch die Dinge, die in der Zukunft geschehen werden, vorhersehen will. Die Evolution des menschlichen Gehirns ist in großen Teilen eine Evolution der Fähigkeit, die Zukunft vorhersagen zu können, also abstrakte Vorstellungsgabe, Logik und Induktion. Die Vorstellungskraft erlaubt es uns ein mögliches und wahrscheinliches Modell einer gegeben zukünftigen Situation aufzustellen ohne diese selbst zu beobachten und damit die Risiken abzuschätzen. Die Logik gibt einem ganz konkrete Vorhersagen über Konsequenzen von Taten und Veränderungen und gibt somit eine sehr gute Vorhersage über die Zukunft ab. Die Induktion wiederum ist Grundlage der Determination, also der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung und ist somit eine fundamentale Notwendigkeit bei der Vorhersage der Zukunft.

Trotz solcher kognitiven Errungenschaften macht die stochastische Natur der meisten Geschehnisse der Zukunft - also zum Beispiel ihre Eintrittswahrscheinlichkeit - eine exakte Vorhersage in der Regel unmöglich. Trotzdem war genau dies das Bestreben vieler Menschen über viele Kulturen und Jahrhunderte hinweg.

Auch für die Religion bildet die Zukunft einen wichtigen Gegenstand. Prophezeiungen über das angebliche Leben nach dem Tod ebenso wie das Ende der Welt sind Bestandteil fast jeder Religion. Propheten, welche behaupten oder behaupteten in die Zukunft sehen zu können, spielten oder spielen eine wichtige Rolle in vielen religiösen Gemeinschaften der Vergangenheit und Gegenwart. Ganze pseudo-wissenschaftliche Gebiete wie Astrologie oder Handlesen haben sich um das Bestreben, in die Zukunft zu blicken, gebildet. Jedoch können auch viele Anstrengungen der tatsächlichen Wissenschaften gedeutet werden als den Versuch, quantitative und objektive Vorhersagen über zukünftige Ereignisse zu gewinnen.

Psychologie und Soziologie

Eng verbunden mit der Zukunft ist das Bedürfnis des Menschen nach Prognose, Planung und Vorhersage.

Robert Jungk, Zukunftsdenker und Erfinder von Zukunftswerkstätten, schrieb 1952: „Das Morgen ist schon im Heute vorhanden, aber es maskiert sich noch als harmlos, es tarnt und entlarvt sich hinter dem Gewohnten. Die Zukunft ist keine sauber von der jeweiligen Gegenwart abgelöste Utopie: die Zukunft hat schon begonnen. Aber noch kann sie, wenn rechtzeitig erkannt, verändert werden.“ [1]

Siehe auch: Zeitgefühl, Zukunftsmanagement

Gesellschaftliche Aspekte

Jede Aussage über die Zukunft erfolgt notwendig vom gegenwärtigen Standpunkt aus, so dass sich prinzipiell zwei Modalitäten ergeben: Im Falle der "gegenwärtigen Zukunft" wird eine pragmatische Perspektive eingenommen, der künftige Verlauf wird aufgrund vorliegender Daten erfahrungswissenschaftlich vorausberechnet bzw. extrapoliert (Planung). Dabei zeigt sich, dass man bestimmte Ereignisse sehr genau vorausberechnen kann, wie zum Beispiel die Flugbahnen von Himmelskörpern, das Schwingen von Pendeln und das Entladen einer Batterie, während andere Bereiche ein chaotisches Verhalten zeigen, wie das Wetter und die Börsenkurse.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei der Imagination "zukünftiger Gegenwarten". Hier werden gerade nicht die zu jener Zeit gültigen Rationalitätsstandards zur Konstruktion eines "realistischen", gegenwartsangepassten Zukunftsbildes angewendet. Vielmehr wird davon bewusst abgesehen, um zu einem utopischen Gegenentwurf zur jeweils vorherrschenden Realität zu gelangen. Innerhalb von Methoden zur Partizipation wie beispielsweise der Zukunftswerkstatt wird dies durch eine besondere Phantasie- und Utopiephase verwirklicht. Somit werden mittels Imaginationsfähigkeiten und Kreativität weitergehende “Zukünfte” (d.h. mehrere Gestaltungsalternativen von Zukunft) gedanklich vorweggenommen.

Aus sozialphilosophischer Sicht ergibt sich zudem ein enger Zusammenhang mit dem Begriff der (Handlungs-)Erwartung, worunter allgemein die Antizipation eines künftigen Zustandes verstanden wird. Zwei Stile lassen sich unterscheiden: Erwartet die handelnde Person normativ, so orientiert sie sich an Konventionen und Regeln (Recht). Erwartet sie hingegen kognitiv, so steht die aktive Suche nach Handlungsoptionen und Kombinationsmöglichkeiten im Vordergrund (Wissenschaft).

Siehe auch: Zeitsoziologie

Aus pädagogischer Sicht mit gesellschaftlicher Langzeitwirkung stellt sich die Frage: Wie bereiten unsere Bildungssysteme Schüler auf ihre Zukunft vor in einer Welt, die sich so schnell ändert wie nie zuvor? Dieser Problematik nähern wir uns mit einer pragmatischen zweiten (und dritten) Frage: Welche Kompetenzen sind prognostizierbar, welche nicht? Recht sicher ist abzusehen, dass Schüler Sprachkompetenzen benötigen werden. Da es nach den Ergebnissen der Hirnforschung und der Lernpsychologie notwendig zu sein scheint, Sprachen möglichst früh zu lernen, müsste konsequenter Weise eine Zweitsprache im Babyalter erlernt werden. Englisch ist die Weltsprache. Englisch als Zweitsprache sollte also möglichst früh angeboten werden. Im Grundschulalter ist das "Lernen in zwei Sprachen" praktisch zu realisieren, wenn politisch gewollt, Mittel eingesetzt werden. Weiter ist absehbar, dass zukünftig Kompetenzen in Technik/Informatik-Naturwissenschaften benötigt werden. Technische Alphabetisierung ist notwendig, zumal unsere Tradition noch immer einen Schwerpunkt auf geisteswissenschaftliche Bildung legt. Dies trifft aber auf ein hochtechnisiertes Umfeld. Dieser Tatsache wird nicht Rechnung getragen. Im wissenschaftlichen Bereich gibt es Ansätze das zu ändern. Grundschulen und Universitäten müssen hier zusammenarbeiten. Für die Probleme, die wir nicht prognostizieren können, sollten wir die kindlichen Kreativkräfte entwickeln, weil Menschen mit einer früh und umfassend entwickelten Kreativität bei unbekannten Herausforderungen leichter zu Ergebnissen kommen. Diese Bildungsansätze sind in einem Erweiterten Lern- und Bildungsangebot (ELBA) im Grundschulbereich umzusetzen.

Fiktion und Utopie

Die Zukunft ist Gegenstand vieler bedeutender literarischer und filmischer Werke. Die Tradition der neuzeitlichen utopischen Literatur reicht bis zu Thomas Morus Utopia zurück.

Während ein Teil des Genres der Science Fiction mit Werken wie Star Trek, Raumpatrouille Orion, Zurück in die Zukunft aber auch Die Zeitmaschine und Utopia sich eher mit technischen Utopien beschäftigt, haben andere Autorinnen und Autoren wie z.B. Ursula K. Le Guin oder Aldous Huxley im Rahmen dieses Genres gesellschaftliche Utopien (bzw. Dystopien) dargestellt.

Einzelnachweise

  1. Zitate von Robert Jungk zum Thema Zukunft, www.zwnetz.de/jungk (2004)

Siehe auch

Literatur

  • Lucian Hölscher (1999). Die Entdeckung der Zukunft, ISBN 3-596-60137-1
  • Niklas Luhmann (1984). Soziale Systeme, ISBN 3-518-28266-2
  • Georges Minois, Geschichte der Zukunft. Orakel - Prophezeiungen - Utopien - Prognosen, Sonderausgabe, Artemis & Winkler, 1998, ISBN 3-538-07072-5
  • Talcott Parsons (1937). The Structure of Social Action, ISBN 0-02-924260-6
  • Karl Popper & Konrad Lorenz (1983). Die Zukunft ist offen, ISBN 3-492-10340-5
  • Bernhard von Mutius (2000). Die Verwandlung der Welt. Ein Dialog mit der Zukunft, ISBN 3-608-94271-8
  • Uerz, Gereon: ÜberMorgen. Zukunftsvorstellungen als Elemente der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. München 2006, Wilhelm Fink Verlag, ISBN 978-3-7705-4305-2

Weblinks


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