Moribana

Moribana

Ikebana (jap. 生け花 auch いけばな, wörtlich lebende Blumen) ist die japanische Kunst des Blumenarrangierens. Die meditative Form des Ikebana wird Kadō (jap. 華道, dt. Weg der Blumen) genannt.

Hirozumi Sumiyoshi, Rikka um 1700

Inhaltsverzeichnis

Ikebana als Kunst

Toyokuni III, Kurtisane beim Blumenarrangieren, Ausschnitt aus einem Farbholzschnitt, 1854

Ikebana ist eine eigenständige, ausschließlich in Japan entwickelte Kunstform. Neben der Teezeremonie, der Kalligraphie, der Dichtkunst und der Musik gehörte sie zwingend zur Ausbildung jedes Adligen. Praktiziert wurde sie auch von Samurai und den Priestern der buddhistischen und shintoistischen Klöster. Sie war zunächst ausschließlich Männern vorbehalten. Erst im Verlauf der Edo-Zeit (1603-1867) wurden die Frauen des Adels in dieser Kunst unterrichtet. Ebenso wurde sie zu einer Fertigkeit, die von hochrangigen Kurtisanen und den Geisha erwartet wurde. Ab Mitte des 17. Jahrhundert übten sich auch wohlhabende Kaufleute und andere Angehörige des Bürgertums in dieser Kunst. Wohl erst mit Beginn des 19. Jahrhundert wurde sie dann auch von den Frauen des Bürgertums in den großen japanischen Städten praktiziert. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie für japanische Mädchen zum Pflichtfach an den Schulen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Kunst in alle Welt verbreitet und wird heute überwiegend von Frauen ausgeübt.

Sinn des Ikebana

Das Ikebana-Arrangement soll einerseits die Natur in den Lebensraum des Menschen bringen, jedoch gleichzeitig die kosmische Ordnung darstellen. Durch das Arrangement stellt der Gestalter sowohl sein Verhältnis zur Natur als auch seine jeweiligen Gefühle dar, die ihn während des Gestaltens bewegen. In den klassischen Schulen des Ikebana muss auch immer die jeweilige Jahreszeit durch die Auswahl des Materials zu erkennen sein. Im Gegensatz zur dekorativen Form des Blumensteckens in der westlichen Welt, schafft das Ikebana eine Harmonie von linearem Aufbau, Rhythmik und Farbe. Während im Westen die Anzahl und Farbe der Blumen betont und hauptsächlich die Blüten beachtet werden, betonen die Japaner die linearen Aspekte der Anordnung. In dieser Kunst werden ebenfalls Vase, Stängel, Blätter, Zweige sowie auch die Blüten beachtet. Die meisten Ikebana-Formen basieren auf den drei Linien shin, soe und tai, die Himmel, Erde und Menschheit symbolisieren.

Geschichte

Toyokuni III, Gedächtnisbild für Ichikawa Danjuro VIII, Chabana, Nageire, Kerze und Weihrauch 1854

Die Anfänge des Ikebana reichen bis ins 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurück. Buddhistischen und shintoistischen Gottheiten wurden und werden Blumenopfer dargebracht. Das Opfer bestand/besteht immer aus drei Teilen: dem Weihrauch als Speise für die Gottheit, der Kerze als Widerspiegelung des Universums und den Blumen als Zeichen der Bewunderung für die Gottheit durch den Menschen. Siehe dazu das nebenstehende Bild von Toyokun III, einem Gedächtnisbild für Ichikawa Danjuro VIII von 1854 mit Chabana an der Wand, Weihrauch, Kerze und Nageire auf dem kleinen Altar.

Aus der Heian-Zeit (794-1192) sind mehrere Texte überliefert, die die Bewunderung der Angehörigen der Hocharistokratie für die Natur im allgemeinen und Blumen und Blumenarrangements im besonderen schildern. Die Kamakura-Zeit (1192-1333) brachte eine zunehmende soziale Bedeutung und wachsenden Wohlstand für die Klasse der Samurai mit sich. Die japanischen Ritter übten sich mehr und mehr neben den Kriegskünsten auch in den klassischen japanischen Künsten wie dem Ikebana. Ein neuer Architekturstil entstand und seither ist die Tokonoma (eine Andachts- und Meditaionsnische) unverzichtbarer Bestandteil japanischer Häuser. Ohne jeden Zweifel wurden in den Tokonoma von Anfang an auch Blumen und Zweige in Vasen aufgestellt.

Vom späten 13. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert wurden anlässlich des Tanabata (Fest zur Feier des Sterns Wega) am kaiserlichen Hof Wettkämpfe veranstaltet, bei denen Angehörige des Adels und Mönche der verschiedenen Klöster darin wetteiferten, wer das schönste Blumenarrangement gestalten könnte. Gegen Ende der Muromachi-Zeit (1333-1568) wurde Ikebana formellen Regeln unterworfen, es entstand der tatehana Stil (tateru – stehen, hana – Blumen). Von 1486 datiert das erste erhaltene Manuskript „Kao irai no Kandensho“, das die Regeln des Arrangierens von Blumen und Pflanzen beschreibt. 1542 schrieb Ikenobo Senno das „Senno Kuden“, das dem Ikebana erstmals einen Sinn jenseits des bloßen Zusammenstellens von Blumen und Pflanzen nach ästhetischen Gesichtspunkten zuschreibt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde der Rikka-Stil von zwei Blumenmeistern, Senko I und Senko II, vollendet. Rikka meint wie tatehana ebenfalls „stehende Blume“, aber ist in viel komplexerer Art ausgeführt. Dieses erste Rikka hat sieben Hauptelemente, die alle zusammen eine Rekonstruktion einer großen Naturlandschaft mit Flüssen, Bergen, Seen und Menschen ergeben sollten.

Toyokuni III, Samurai beim Blumenarranigeren, Ausschnitt aus einem kabuki Farbholzschnitt, 1854

Parallel zur Entwicklung des Rikka war die Entwicklung des Chabana (茶花, dt. Teeblumen) verlaufen. Das Chabana ist Bestandteil der Teezeremonie und besteht aus zwei Linien, eine für den Gast und die zweite für den Gastgeber. Ende des 16. Jahrhunderts entwickelt sich aus dem Chabana das Nageirebana (hineingeworfene Blume). Hieraus entstanden dann wiederum die Formen des Shoka, traditionell mit den Linien shin, soe und tai gearbeitet und für formelle Anlässe gedacht, und das eigentliche Nageire (投げ入れ, dt. etwas hineinwerfen), das immer in Vasen gearbeitet wird und ebenfalls aus den drei Linien shin, soe und tai besteht. Das Nageire wurde erstmals 1684 von dem Kaufmann Toichiya Taemon im „Nageire Kadensho“ (Das Blumenarrangement im Nageire-Stil) beschrieben. 1697 gefolgt von „Kodai Shoka Zukan“ (Gesammelte Bilder historischer Shoka-Arbeiten) und geschrieben von Ikenobo Sen’yo. Shoka und Nageire sind einfacher zu gestalten als ein Rikka und erforderten keinen besonderen Anlass. Sie konnten jederzeit ihren Platz in der Tokonoma einnehmen.

Während der ersten Jahrzehnte der Meiji-Zeit (1868-1912) stagnierte die traditionelle Kunst und Kultur. Japan befand sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess und musste lernen, die eigenen Traditionen mit den westlichen Einflüssen in Einklang zu bringen. Wie in vielen anderen Bereichen gelang dies auch auf dem Gebiet des Ikebana zügig. Ohara Unshin (1861-1916) eröffnete 1897 die erste Ikebana-Ausstellung, auf der Werke in dem neuen Stil des Moribana (盛り花, dt. aufgetürmte Blumen) gezeigt wurden. Gleichzeitig mit dem Moribana wurde der Kenzan (剣山, dt. Schwerterberg), der aus Messingnadeln besteht, die in eine Bleiplatte eingegossen sind, eingeführt und der ein technisch sehr einfaches Arrangieren der Pflanzen erlaubt. In den Kenzan können die Pflanzen einfach nur eingesteckt werden (daher auch die fehlerhafte Bezeichnung des Ikebana als „Blumenstecken“). Der Moribana-Stil war die Revolution für das Ikebana. Es stand symbolisch sowohl für Freiheit, Weltoffenheit und Frieden, es war aber auch die Form, die das Ikebana breitesten Bevölkerungsschichten zugänglich machte. Bis heute ist es die beliebteste Form des Ikebana.

Gestaltungsformen

Das Rikka: Es wurde bis ca. 1700 aus sieben Teilen (Hauptzweigen) aufgebaut, seit ca. 1800 besteht es aus neun Hauptzweigen, jeder unterstützt von weiteren Nebenzweigen. Jeder Zweig hat seine besondere Bedeutung, ebenso wie das für jeden der Teile gewählte Material. Rikka sind gedacht für zeremonielle Anlässe und Ausstellungen. Sie sind zumeist sehr groß und ihr Aufbau erfordert höchste technische, formelle und künstlerische Fähigkeiten. Westlichen Ikebana-Schülern gelingt es nur selten, sich die Voraussetzungen zur Gestaltung eines Rikka anzueignen.

Das Chabana: Wird im Zusammenhang mit der Teezeremonie gestaltet. Es ist ein zierliches Arrangement, das die Natur zu den Menschen bringen soll, in diesem Fall zu den Menschen, die die Teezeremonie besuchen. Das Chabana hat zwei Linien, wobei die eine für den Gast und die andere für den Gastgeber steht. Es hat eine einfache, natürliche Anordnung aus einem Zweig und einer Blüte und wird sehr häufig mit nur einem Material gearbeitet.

Das Shoka: Als vereinfachte Form aus dem Rikka entstanden, besteht aus den drei Hauptlinien shin, soe und tai mit einigen Hilfslinien. Das Arrangement hat einen gemeinsamen Fuß und alle Stiele/Zweige müssen in einer Linie hintereinander stehen. Unterschieden wird zwischen klassischem und modernem Shoka. Ein klassisches Shoka wird nur mit einem, höchsten zwei Materialien gearbeitet. Das Material muss ursprünglich aus Japan stammen, es sind nur klassische Gefäße erlaubt und die Blumenhalterung muss mit alter Technik erfolgen. Ein modernes Shoka erlaubt drei Materialien, jedes Material, jedes geeignete Gefäß und den Kenzan als Befestigungstechnik

Das Nageire: Wird in einer Vase gearbeitet, hat die drei Hauptlinien shin, soe und tai. Das Pflanzenmaterial wird mit einem hana-kubari (Blumen-Halter) aus Weide oder Hartriegel in der Vase befestigt, es darf nicht auf dem Vasenboden stehen. Nur der tai darf den Vasenrand berühren, shin und soe müssen frei über dem Wasser stehen. Jedes Material ist erlaubt.

Das Moribana: Wird in flachen Schalen gearbeitet, zur Befestigung der Pflanzen in der Schale dient der Kenzan. Jedes Pflanzenmaterial ist erlaubt. Wie das Nageire hat es die Linien shin, soe und tai und kann ebenfalls wie das Nageire in den Formen chokutai (aufrecht), shatei (geneigt) oder suitai (hängend) gearbeitet werden. Sonderformen des Moribana sind das Shimentai und das Morimono. Das Shimentei ist die einzige Ikebana-Form, die nach allen Richtungen durchgearbeitet ist und von allen Seiten betrachtet werden kann. Ursprünglich wurde sie in der Ohara-Schule entwickelt, später auch in der Sogetsu-Schule. Das Morimono ist ein Arrangement in flachen Schalen oder Körben. Ein Element sind geerntete Früchte oder Gemüse und als Tischarrangement gedacht.

Das Jiyuka: Wird im freien, kreativen Stil gearbeitet. Es ist nicht auf Pflanzen beschränkt, als Material kann alles verwendet werden. Es existiert seit kurzem eine gleichnamige Applikation für das iPhone, die sich an diesem Stil orientiert.

Das Shoka shinputai: Seit 1977 eingeführt. Es wird in Schalen mit Hilfe des Kenzan arrangiert und hat die zwei Hauptlinien shu und yo (dem chinesischen yang und ying entsprechend) und fast immer zwei unterschiedlicher Materialien. Die Linien stehen wie beim Shoka hintereinander.

Ikebana-Schulen

Schulen des Ikebana gibt es zahlreiche. In Japan sind die bedeutendsten die Ikenobo- und die Ohara-Schule, die nach wie vor großen Wert auf Tradition legen und in denen formelle Gestaltungsregeln sowie technisch, handwerkliche Fertigkeiten noch immer die Grundlage jeder freieren Gestaltung bilden. Im Westen erfreut sich insbesondere die Sogetsu-Schule großer Beliebtheit, da ihre Regeln und Gestaltungsvorschriften dem Anfänger größere Freiräume der Gestaltung einräumen.

Ikebana-Künstler

Literatur

  • Gusty L. Herrigel: Zen in der Kunst des Blumen-Weges, O. W. Barth Verlag, 2000, ISBN 3502670145
  • Hiroshi Ohchi, Ikebana - Die Kunst des Blumenarrangements in Japan, St. Gallen, 1961
  • Shozo Sato, The Art of Arranging Flowers - A Complete Guide to Japanese Ikebana, New York, o.J.
  • Yuchiku Fujiwara, Rikka – Klassische Form japanischer Blumenkunst, Stuttgart, 1985, ISBN 3-8001-6120-6

Weblinks


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