Moses Baruch Auerbacher

Moses Baruch Auerbacher
Berthold Auerbach

Berthold Auerbach, eigentlich Moses Baruch Auerbacher, (* 28. Februar 1812 in Horb am Neckar, Ortsteil Nordstetten; † 8. Februar 1882 in Cannes) war ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Berthold Auerbach wurde als neuntes Kind des Händlers Jacob Auerbach und seiner Ehefrau Edel Frank geboren. Er besuchte die 1822 in Nordstetten eröffnete erste jüdische Gemeindeschule im Königreich Württemberg; nach dem Vorbild des Großvaters sollte er Rabbiner werden.

1825 feierte Auerbach dreizehnjährig seine Bar Mizwa und wurde im gleichen Jahr auf die Talmudschule (Beth-Hamidrash) in Hechingen geschickt. Ab 1827 war die finanzielle Lage der Familie derart desolat, dass sie kein weiteres Schulgeld mehr bezahlen konnte. Auerbach verließ Hechingen, um in Karlsruhe die Rabbinatsschule zu besuchen. Hier wohnte er bei seinem Onkel Meier Auerbach und schloss die lebenslange Freundschaft mit dem entfernt verwandten Jacob Auerbach.

1830 wechselte Auerbach an das Obere Gymnasium in Stuttgart. Dort stand er der verbotenen Schüler- und Studentenverbindung Amicitia nahe. Als er im zweiten Anlauf in Stuttgart die Aufnahmeprüfung bestand, wurde ihm ein kleines königliches Stipendium zugebilligt. 1832 nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen auf, wechselte aber schon im nächsten Semester zur Philosophie. In Tübingen wurde Auerbach Kneip-Mitglied der verbotenen Burschenschaft Germania. Als der politische Druck wuchs, beantragte Auerbach im März 1833 einen Reisepass, um nach München zu gehen. Zu dieser Zeit war er bereits Mitglied des äußeren Kreises der Germania.

1833 immatrikulierte er sich in München für Philosophie und gab auch gleich sein Empfehlungsschreiben bei Schelling ab. Am 23. Juni 1834 um 5 Uhr morgens wurde er verhaftet und als radikal-liberaler Burschenschafter wegen staatsfeindlicher Umtriebe[1] unter Polizeiaufsicht gestellt. Die Universität München zwangsexmatrikulierte ihn zwar, doch durfte er „gnadenhalber“ sein Studium in Heidelberg abschließen.

Am 12. Dezember 1836 wurde Auerbach zu zwei Monaten Festungshaft verurteilt. Am 8. Januar 1837 trat er seine Strafe auf der Festung Hohenasperg an. Da in diesem Gefängnis fast ausschließlich Burschenschafter eingesperrt waren, nannte es der Volksmund „Demagogenherberge“. Am 8. März 1837 wurde er nach Stuttgart entlassen. Als Vorbestrafter war ihm dadurch der Weg ins Rabbinat verschlossen und er wandte sich notgedrungen der Schriftstellerei zu.

Auerbach wurde am 3. Oktober 1838 in die Freimaurerloge Zur aufgehenden Morgenröte in Frankfurt am Main aufgenommen, die ihm in einer Trauerloge am 26. Februar 1882 bestätigte, dass er dem „Bruderbunde bis an sein Ende unwandelbare Treue bewahrt hat“.[2]

1843 gelang ihm mit seinen Schwarzwälder Dorfgeschichten der Durchbruch, in denen er „ein ganzes Dorf vom ersten bis zum letzten Hause“ schilderte. Das Werk gab der Erzählgattung der Dorfgeschichte den Namen und beeinflusste Autoren wie Honoré de Balzac, Iwan Sergejewitsch Turgenew und Alexej Tolstoi, mit den letzteren stand er auch in persönlichem Kontakt. Dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland stand er am Ende seines Lebens verbittert gegenüber und konstatierte: „Es ist eine schwere Aufgabe, ein Deutscher und ein deutscher Schriftsteller zu sein, und noch dazu ein Jude“.

1847 heiratete Auerbach in Breslau Auguste Schreiber. Einer der Trauzeugen war Gustav Freytag. Am 4. März 1848 wurde Sohn August geboren und eine Woche später starb die Mutter an Kindbettfieber.

Ende desselben Jahres war Auerbach zu Vorträgen in Wien unterwegs, wo er Friedrich Hebbel und Friedrich von Bodenstedt kennenlernte. Über die beiden machte er auch die Bekanntschaft mit Nina Landesmann, der Schwester des Schriftstellers Heinrich Landesmann. Am 1. Juli 1849 heiratete Auerbach im mährischen Eisgrub Nina Landesmann. Mit ihr hatte er drei Kinder: Ottilie, Eugen und Rudolf.

In Leipzig erschien 1858–69 jährlich Berthold Auerbach's Deutscher Volkskalender mit Beiträgen namhafter Autoren, unter anderem drei Geschichten von Gottfried Keller. Der Herausgeber hatte den Züricher Dichter 1856 in Dresden kennengelernt und mit ihm Freundschaft geschlossen. 1860 sandte ihm Keller eine Novelle, für die Auerbach den glücklichen Titel Das Fähnlein der sieben Aufrechten fand. Auch durch Besprechungen der Novellensammlung Die Leute von Seldwyla trug Auerbach viel zu Kellers literarischem Ruhm bei.

Am 10. November 1859 wirkte Auerbach an den Feierlichkeiten zu Schillers 100. Geburtstag mit, hält 1861 in der Sing-Akademie zu Berlin einen Vortrag Goethe und die Erzählungskunst zum Besten des Goethe Denkmals[3]).

Im Januar 1862 wurde ihm der Hausorden der Herzöge von Coburg-Gotha und der preußische Adlerorden, 4. Klasse verliehen. Im Herbst 1881 zog sich der fast siebzigjährige Auerbach eine schwere Lungenentzündung zu. Auf Empfehlung seines Hausarztes ging er auf eine längere Kur nach Cannes. Am 13. Dezember bezog Auerbach seine Zimmer in der Villa Mauvarre, der Privatklinik von Dr. Tritschler, wo er nach längerer Krankheit am 8. Februar 1882 starb.

Um zwei Uhr nachmittags seines Sterbetags hatte er noch diktiert: „Heller Sonnenschein, Rauschen des Meeres, morgen um diese Stunde atme ich vielleicht nicht mehr...“ Vier Stunden später war er tot. Am nächsten Tag sprach sein Freund Moritz Lazarus aus Nizza eine kleine Laudatio am Sarg. Bis zur Erledigung aller Formalitäten wurde Auerbach in der evangelischen Kirche von Cannes aufgebahrt.

Am 15. Februar 1882 wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem jüdischen Friedhof [4]] seines Heimatorts Nordstetten beigesetzt. In diesem Stadtteil von Horb am Neckar befindet sich heute auch das Berthold-Auerbach-Museum, das vom Schiller-Nationalmuseum Marbach eingerichtet wurde.

Seit 1982 verleiht die Stadt Horb zu seinem Gedächtnis den Berthold-Auerbach-Literaturpreis.

Einzelnachweise

  1. Umtriebe
  2. Allg. Handbuch der Freimaurerei 1863 Bd. 1 S. 49. Carl Bröcker: Die Freimaurer-Logen Deutschlands... 1894, Nachdruck Osnabrück 1984, S. 94
  3. Stuttgart: Cotta, 1861
  4. [http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2024/Nordstetten%20Friedhof%20155.jpg Bild des Grabsteins

Werke

Auerbach-Denkmal in Stuttgart-Bad Cannstatt
Medaille von Berthold Auerbach
  • Friedrich der Große. Sein Leben und Wirken; 1834
  • Das Judenthum und die neueste Literatur; Essay, 1836
  • Spinoza; Roman, 1837
  • Das Sängerfest zu Frankfurt a. M.. In: europa 1838, S. 481 ff.
  • Dichter und Kaufmann; Roman, 1840
  • Der Brückenweg (Viadukt) bei Burtscheid in der Nähe von Aachen, In: Deutsches Familienbuch 1843, Bd. 1, S. 409.
  • Schwarzwälder Dorfgeschichten; Erzählungen, 1843-1854
  • Oskar; Trauerspiel, 1844
  • Der Gevattersmann (Kalender); 1844-1848
  • Schrift und Volk. Grundzüge der volksthümlichen Literatur; 1846
  • Tagebuch aus Wien; 1849
  • Andree Hofer; Tragödie, 1850
  • Deutsche Abende; Reden, 1851
  • Neues Leben; Roman, 1852
  • Der Wahrspruch; Schauspiel, 1854
  • Der Wahlbruder; Trauerspiel, 1855
  • Barfüßele; Erzählung, 1856
  • Volkskalender; 1858-1868
  • Joseph im Schnee; Roman, 1860
  • Goethe und die Erzählungskunst, 1861 (Digitalisat)
  • Auf der Höhe; Roman, 1865
  • Das Landhaus am Rhein; Roman, 1869
  • Zur guten Stunde; Erzählungen, 1871-1875
  • Walfried; Roman, 1874
  • Tausend Gedanken des Collaborators; Aphorismen, 1876
  • Drei einzige Töchter; Novellen, 1875
  • Nach dreißig Jahren. Neue Dorfgeschichten; 1876
  • Landolin von Reutershöfen; Roman, 1878
  • Der Forstmeister; Roman, 1879
  • Brigitta; Roman, 1880

Briefe

  • Briefe an seinen Freund Jakob Auerbach. Ein biographisches Denkmal. Mit Vorbemerkung von Friedrich Spielhagen und dem Herausgeber [Jakob Auerbach]. 2 Bde. Frankfurt a.M.: Literarische Anstalt, 1884.

Literatur

  • Anton Bettelheim: Berthold Auerbach. Der Mann, sein Werk, sein Nachlaß. Stuttgart 1907.
  • M. T. Kill: Berthold Auerbach als Schriftsteller. Diss. Bonn 1924.
  • M. L. Zwick: Berthold Auerbachs sozialpolitischer und ethischer Liberalismus. Stuttgart 1933 (Diss. New York).
  • W. Dietz: Weltanschauung und Reflexion bei Berthold Auerbach. Diss. Würzburg 1925.
  • Jürgen Hein: Berthold Auerbach. Ein Literaturpädagoge des 19. Jahrhunderts. In: Beiträge zur Didaktik und Erziehungswissenschaft. Festschrift für Theodor Rutt. Hg. v. Josef Tymister. Paderborn 1971, S. 193.
  • H. Kinder: Poesie und Synthese; Frankfurt a.M. 1973, S. 116–135.
  • P. Mettenleiter: Destruktion der Heimatdichtung. Typologische Untersuchung zu Gotthelf, Auerbach, Ganghofer. Tübingen 1974.
  • P. Zimmermann: Der Bauernroman. Diss. Stuttgart 1975.
  • M. Pazi: Berthold Auerbach – dem jüdischen Autor der deutschen Dorfgeschichte zum 100. Todestag. in: Neue Deutsche Hefte 29 (1982), H. 1, S. 95–109.
  • Nancy Kaiser: Berthold Auerbach. The Dilemma of the Jewish Humanist from Vormärz to Empire. In: German Studies Review 6 (1983), S. 406.
  • H. D. Horch: Judenbilder in der realistischen Erzählliteratur. In: H. Strauss / Ch. Hoffmann: Juden und Judentum in der Literatur. München 1985, S. 140–171.
  • Thomas Scheuffelen: Berthold Auerbach 1812-1882. Marbacher Magazin 36/1985 (gleichzeitig Katalog der Ständigen Ausstellung im Berthold-Auerbach-Museum in Horb-Nordstetten). Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 1986.
  • Uwe Baur: Dorfgeschichte. Zur Entstehung und gesellschaftlichen Funktion einer literarischen Gattung im Vormärz. München 1981.
  • Bernd Ballmann / Albrecht Regenbogen (Hrsg.): 150 Jahre Schwarzwälder Dorfgeschichten von Berthold Auerbach 1843-1993. Dokumentation und Aufsätze zu einer neuen Erzählform im Vormärz. Kultur- und Museumsverein Horb a. N. e. V. 1994.
  • Anita Bunyan: Volksliteratur und nationale Identität. Zu kritischen Schriften Berthold Auerbachs. In: Martina Lauster (Hg.): Deutschland und der europäische Zeitgeist. Kosmopolitische Dimensionen in der Literatur des Vormärz. Bielefeld: Aisthesis 1994, S. 63-89. ISBN 3-925670-83-1
  • Jonathan Skolnik, “Writing Jewish History between Gutzkow and Goethe: Auerbach's Spinoza and the Birth of Modern Jewish Historical Fiction,” Prooftexts. A Journal of Jewish Literary History 19:2 (May 1999): 101-126
  • Rosemarie Schuder: "Deutsches Stiefmutterland. Wege zu Berthold Auerbach." Mit einem Nachwort von Thomas Scheuffelen. Teetz 2003.
(Jüdische Memoiren, hrsg. v. Hermann Simon, Bd 9).
  • Kerstin Sarnecki: "Erfolgreich gescheitert. Berthold Auerbach und die Grenzen der jüdischen Emanzipation im 19. Jahrhundert." Oldenburg 2006. (Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien, Bd 17)

Weblinks


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