Museumswissenschaft

Museumswissenschaft

Museologie (eine alternative Bezeichnungen ist Museumswissenschaft) „umfasst die Beschreibung, Klassifizierung und Erklärung sämtlicher für das Musealphänomen maßgebenden theoretischen Grundlagen und praktischen Verfahren, Methoden, Techniken und Hilfsmittel. Da das Arbeitsfeld der Museologie wie das anderer Grunddisziplinen umfassend ist, bedient sie sich auch einer Vielzahl von Methoden. Zu ihnen gehören vor allem Beobachtung, Befragung, Erhebung, Messung, Deutung, Ableitung, Vergleich, Schlußfolgerung, Verallgemeinerung und Erklärung.“ [1] Die Begriffsableitung Museologe bezeichnet zum einen Angehörige dieser Wissenschaft, das sind diejenigen, die sich theoretisch und auf der wissenschaftlichen Basis der Museologie mit Musealität (s. u.) und Museum an Universitäten oder Fachhochschulen beschäftigen, zum anderen diejenigen Personen, die nach entsprechender wissenschaftlicher Ausbildung museologische Ansätze in die Museumspraxis einbringen. Das bedeutet, dass nicht automatisch alle an Museen beschäftigten (Fach-)Wissenschaftler Museologen sind.

Als Begründer der wissenschaftlichen Museologie in Europa gilt der Museumsdirektor, Museologe und Kulturphilosoph Prof. Dr. Csc. em. Zbynek Z. Stransky (* 26. Oktober 1926 in Kutná Hora, Tschechische Republik)[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der musealen Ordnungswissenschaft

Eine erste Systematik für Kunstkabinette als Vorläufer der modernen Museen stellte bereits Samuel Quiccheberg (1529-1567) auf. Begründer der Museologie als Ordnungswissenschaft ist Johann Daniel Major (1634–1693). Louis-Sébastien Mercier stellt 1771 in L'An 2440, rêve s'il en fut jamais am Vorabend der der Französischen Revolution die Ordnungskonzepte der zentralisierten Museen Frankreichs dar (Louvre).[1]

Musealität

Als ureigener Forschungsgegenstand der theoretischen Museologie gilt weniger das Museum, sondern vielmehr die „Musealität“. Unter Musealität wird je nach Ansatz verstanden:

  • "eine spezifisch erkennende und wertende Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit"[3] Dies ist gleichbedeutend mit der Annahme einer anthropologischen Konstante, dass der Mensch Dinge als Zeugnisse bestimmter Sachverhalte auswählt, aufbewahrt und der Gesellschaft vermittelt. Im Lauf der Geschichte äußert sich diese Konstante in unterschiedlichen Formen, zuletzt im Phänomen "Museum".
  • die einem Objekt durch Aufnahme in eine museale Sammlung zugewiesene Qualität als Erinnerungsträger
  • die Eigenschaft von einem gegenständlichen „Kulturerbe“, in einer Realität eine andere zu dokumentieren.

Es wird deutlich, dass sich diese drei Ansätze grundsätzlich nicht ausschließen, sondern ergänzen.

Aufgabe der angewandten Museologie ist es, die Musealität vor dem Hintergrund eines bereits existierenden oder zu schaffenden Sammlungskonzepts zu erkennen, herauszuarbeiten und zu vermitteln (siehe auch Museumspädagogik). Dies kann entweder im verdichteten Medienverbund einer Ausstellung mehrerer Objekte, am einzelnen Objekt oder mittels sekundärer Medien (Publikation, Film, Audio, Internet, ...) erfolgen. Museologie ist nicht zu verwechseln mit praktischer Museumskunde, die sich z. B. Fragen der Bestandserhaltung, Konservierung, der Dokumentation und Inventarisierung, des Leihverkehrs und der Vermittlung (Museumspädagogik) widmet.

Sammlung, Sammlungsstrategien, Inventarisierung

Eine der vorrangigen Aufgaben von praktisch tätigen Museologen ist es, in Abstimmung mit den Fachwissenschaftlern, Restauratoren und benachbarten Institutionen, Strategien für die Sammlungstätigkeit des jeweiligen Museums zu entwickeln. Es ist anhand eines konkreten Sammlungskonzepts zu entscheiden, ob und nach welchen Kriterien ein Objekt in die Sammlung des Museums aufgenommen werden soll. So können Objekte als Repräsentanten einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Region oder einer Entwicklungsreihe gesammelt werden. Weitere Sammlungskriterien sind Einzigartigkeit, Seltenheit, Häufigkeit, materielle Beschaffenheit und Wert.

Nach dem formal-juristischen Akt der Registrierung im Eingangsbuch erfolgt meist zeitversetzt die Inventarisierung, in der alle relevanten wissenschaftlich recherchierten Daten zum Objekt erfasst und mit verwaltungstechnischen Angaben (z. B. Aufbewahrungsort, Ausleihdaten) versehen werden. Im besten Fall ist die dabei erfasste Datenmenge weitaus größer als die in Ausstellungskatalogen abgedruckten Inhalte.

Siehe auch: Museumsdokumentation

Ordnungsprinzipien

Ein Museum ist ein Raum zur Aufnahme von Gegenständen, ein Kulturbehälter, der einer begehbaren inneren Ordnung bedarf, wobei die räumliche Anordnung nicht notwendigerweise die Systematik der jeweiligen Bezugswissenschaft abbilden muss. Bei näherer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass dies zum einen nur bei wenigen Wissenschaften möglich ist, zum anderen Präsentationen, welche die Systematik zum alleinigen Ausgangspunkt haben, kaum besucherfreundlich sind.

Die Museumswissenschaft befasst sich seit Johann Daniel Major als Ordnungswissenschaft mit der systematischen oder didaktischen räumlichen Anordnung musealer Gegenstände im architektonischen Raum des Museums. Grundlage sind Ordnungskonzepte, die den einzelnen Gegenstand in den Sinnzusammenhang des zeitlichen, räumlichen, materiellen oder qualitativen Ordnungsgefüges einbetten. Dadurch werden Epochen und großräumige und globale Zusammenhänge zu überschaubaren Präsentationen exemplarischer Gegenstände reduziert. Die Gliederung nach Epochen oder Periodisierungen erlaubt eine synchronistische Geschichtsdarstellung.

Hieraus ergibt sich auch die Differenzierung von Dauerausstellung und Ausstellung auf Zeit sowie die Trennung von Ausstellungshalle, Schausammlung und Studiensammlung und Magazin. Andererseits bedingt die Präsentation der Gegenstände deren Bewachung, Erhalt und Konservierung, Beschriftung und Beleuchtung sowie verschiedene Techniken der Veranschaulichung und Vermittlung.

Die räumliche Ordnung kann

  • zeitliche Abfolgen wiedergeben (AntikeMittelalterNeuzeitModerne) und dadurch Entwicklungen sichtbar machen, wie auch naturhistorische Museen Entwicklungslinien durch entsprechende Anordnungen der Sammlungsbestände nachvollziehbar machen (siehe: Phylogenese).
  • Materialklassen zusammenfassen, und so die Entwicklung besonderer Technologien zeigen, wie dies in den Glas-, Keramik- und Porzellan-Abteilungen von Kunstgewerbemuseen und Technikmuseen, Waffen- und Instrumentensammlungen geschieht. Daher ist auch die Numismatik auch eine Museumswissenschaft.
  • Kontinente und Länder in ihren Entwicklungen zusammenfassen, wie es Abteilungen für Europäische Kunst oder Präkolumbische Kultur, für Italienische Malerei oder Holländische Kunst in den kunst- und kulturgeschichtlichen Museen leisten und Volkskunde- und Freilichtmuseen durch topografische Ordnung.
  • qualitative Ordnungen, z. B. nach künstlerische Schulen durch eine Anordnung nach den Hauptmeistern und ihrer Werkstattwirkungen, eine Anordnung, der viele Gemälde- und Graphiksammlungen folgen. Andere qualitative Ordnungen unterscheiden zwischen Monumentalwerken und Kleinkunst, zwischen Hochkunst und Alltagsgegenstand, Medien vom Werbemittel über das Plakat bis zur Zeitung, Technologien vom Handwerk bis zur Großindustrie.
  • thematische Ordnungen versuchen aus Einzelgegenständen besondere historische Ambiente, historische Ereignisse und Produktionsprozesse entweder mit Originalen oder durch Rekonstruktionen und Modelle zusammenzustellen. Diese Ordnungsgefüge sind gleichmaßen in naturhistorischen wie in technischen Museen anzutreffen.
  • schließlich ist die Museologie als Ordnungswissenschaft Grundlage für die Herausbildung von Museumsabteilungen und Spezialmuseen sowie der Differenzierung von Schausammlung und Studiensammlung.

Historische Museologie, Museologie der Museumstypen und Museumsforschung

Historische Museologie umfasst die Geschichte des Sammelns dinglicher Natur- und Kulturzeugnisse, der Museumsgebäude und die Wissenschaftsgeschichte der Museologie; enger gefasst, bearbeitet sie die Entstehung und Entwicklung der Institution Museum und deren gesellschaftliche Kontexte. Ein Sonderforschungsgebiet ist die Museologie einzelner Museumstypen (z. B. Kunstmuseen, technische Museen). Museumsforschung analysiert – u. a. statistisch – Museen, ihre Ausstattung und Besuchszahlen, aber auch die Eigenschaften von Besuchern und Nichtbesuchern.

Vereinigungen, Forschung und Lehre

Die zentrale Forschungs- und Dokumentationsstelle für Museumsforschung in Deutschland ist das Institut für Museumskunde in Berlin. Im deutschsprachigen Raum werden Studiengänge zur Museologie u. a. an folgenden Hochschulen angeboten:

In Großbritannien, Kanada und den USA gibt es Museum Studies an etwa 54 Universitäten[4].

Die zentrale internationale Organisation ist der International Council of Museums (ICOM). Die Untergruppierung ICOFOM ist offen für Museumspädagogen und Museologen.

In der Schweiz gibt es den Berufsverband der Museologinnen und Museologen Schweiz.

In Deutschland gibt es den Berufsverband der deutschen Registrare, registrars deutschland e. V.

Siehe auch

Verwandte Wissenschaften sind unter anderem die

Weblinks

Einführungen

  • Peter van Mensch: Towards a methodology of museology. [2]
  • Friedrich Waidacher: Vom redlichen Umgang mit Dingen: Sammlungsmanagement im System musealer Aufgaben und Ziele. Online-Version

Verbände, Organisationen

Ressourcen zu Dokumentation

Einzelnachweise

  1. Friedrich Waidacher: Handbuch der allgemeinen Museologie. Weimar/Wien: Böhlau, 1999, S. 31f.
  2. Christian Müller-Straten: The Contribution of Zbynek Z. Stransk to Museology within the Frame of the Brno Museology School. In: MUSEUM AKTUELL, Ausg. Januar 2007, S. 19-22
  3. Friedrich Waidacher, auch in diesem Punkt nach Zbynek Z. Stránský in: Handbuch der allgemeinen Museologie. Weimar/Wien: Böhlau, 1999, S. 34.
  4. http://www.museum-employment.com/deeglis.html (Stand vom 15.1.2006)

Literatur

  • Literatur über Museologie in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV

Allgemein

  • Handbuch Museumsmanagement, Band 1: Aufgabenreflexion. Öffentlichkeitsorientierung, Zielentwicklung; Band 2: Ergebnisreflexion, Dienstleistungsorientierung, Organisationsentwicklung, Böhlau Verlag, Köln, Wien 2007, ISBN 978-3-412-16706-6
  • Flügel, Katharina: Einführung in die Museologie. Darmstadt, Wiss. Buchges. 2005, ISBN 3-534-09232-5
  • Andreas Grote (Hsg.): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800. Opladen 1994, ISBN 3-8100-1048-0
  • Minges, Klaus: Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung. Münster: LIT, 1998, Reihe Museen - Geschichte und Gegenwart Bd. 3, ISBN 3-8258-3607-x
  • Katharina Flügel und Arnold Vogt (Hrsg.): Museologie als Wissenschaft und Beruf in der modernen Welt. Weimar VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften Leipzig : Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, 1995. - 149 S. : Ill.. - (Leipziger Gespräche zur Museologie ; Bd. 3), ISBN 3-929742-56-X
  • Gottfried Korff: Museumsdinge. deponieren - exponieren. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2002, ISBN 3412042021
  • Bénédicte Savoy (Hrsg.): Tempel der Kunst. Die Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2006, ISBN 978-3-8053-3637-6.
  • Friedrich Waidacher: Handbuch der allgemeinen Museologie. Weimar/Wien: Böhlau, 1999, ISBN 3-205-99130-3
  • Friedrich Waidacher: Museologie - knapp gefasst. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2005, ISBN 3-205-77268-7 (Böhlau); 3-8252-2607-7 (UTB)

Dokumentation

  • Manfred Hartmann et al.: Inventarisierung, Dokumentation, Bestandsbewahrung. Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfälisches Museumsamt. 4., erw. und überarb. Aufl. Münster: Westfälisches Museumsamt, 2004. - 212 S. . - (= Materialien aus dem Westfälischen Museumsamt 1 ), ISBN 3-927204-58-7
  • Heinz A. Knorr: Inventarisation und Sammlung in den Heimatmuseen. Reihe: Fachlich-Method. Anleitungen für die Arbeit in den Heimatmuseen. Heft 1958. Halle a. d. Saale: Fachstelle für Heimatmuseen, 1957.
  • Holger Simon: Kulturpolitische Anmerkungen zum Umgang mit Kulturgütern aus öffentlichen Sammlungen im Zeitalter der Internetpublikation, in: Rundbrief Fotografie. Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen 13 (2006), S. 23-25. [3]
  • Walter Trachsler: Systematik kulturhistorischer Sachgüter: eine Klassifikation nach Funktionsgruppen zum Gebrauch in Museen und Sammlungen. Bern: Haupt, 1981, ISBN 3-258-02942-3

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