Muslimische Kunst

Muslimische Kunst

In der Kunstgeschichte bezeichnet der Begriff islamische Kunst im Allgemeinen die Kunst der von islamischer Kultur geprägten Völker. Darüber hinaus sind auch Kunstwerke wie zum Beispiel der Mantel Rogers II., die mit den Hauptströmen dieser Kunst verbunden sind, Gegenstand des Fachgebiets islamische Kunstgeschichte und werden von dieser bearbeitet.

Die Fachdisziplin der islamischen Kunstgeschichte und der Begriff der islamischen Kunst in Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen entwickelten sich in engem Zusammenhang. Ein erstes wichtiges Ergebnis dieser Entwicklung war die „Ausstellung von Meisterwerken Muhammedanischer Kunst“[1] 1910 in München.

Inhaltsverzeichnis

Bildervermeidung

Teller mit kalligraphischem Dekor (Iran, 11./12. Jahrhundert)
Buchmalerei der Ilchanidenzeit

Da der Islam nicht nur eine Religion sondern auch die Richtschnur für die gesamte Lebensweise der Muslime ist, kann man keine eindeutige Trennlinie zwischen sakraler (religiöser) und profaner (weltlicher) Kunst ziehen. Der Begriff „islamische Kunst“ macht diesen engen Zusammenhang deutlich. Trotz der Unterschiede in der islamischen Kunst verschiedener Zeiten und Regionen fällt dem Betrachter die allgemeine Tendenz zum nichtfigürlichen Dekor auf.

Obwohl in der 59. Sure (Vers 24) Gott als der (alleinige) „Bildner“ bezeichnet wird, enthält der Koran kein ausgesprochenes Bilderverbot. Erst mit der Entstehung der hadith-Sammlungen wurden deutliche Einschränkungen formuliert. Die Handhabung solcher Verbote variiert sehr stark und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Generell lässt sich aber feststellen, dass die bildliche Darstellung in Kunst und Architektur um so stärker vermieden wird, je

  • näher das Bau- oder Kunstwerk dem religiösen Bereich steht (z. B. die Moschee und ihr Inventar),
  • glaubensstrenger das Umfeld (Auftraggeber, Künstler, Herrscher) ist, in dem ein Bau- oder Kunstwerk entsteht,
  • mehr Menschen der Bereich zugänglich ist, in dem sich ein Bau- oder Kunstwerk befindet.

Die Extreme in der Beachtung bzw. Vernachlässigung der Bildervermeidung finden sich in der Verstümmelung vor- oder nichtislamischer Bildwerke einerseits und der figurenreichen Miniatur- und Wandmalerei andererseits. Allerdings scheut man selbst in letzterer meist die Darstellung des Propheten, oder lässt ihn zumindest einen Gesichtsschleier tragen. In Verbindung mit der großen Bedeutung des Wortes, gleichsam als Träger der Offenbarung, führt das Vermeiden bildlicher Darstellungen zu einer überragenden Rolle von Schrift (Kalligraphie) und Ornament in der islamischen Kunst. Dabei wird die Schrift häufig selbst zum Schmuck oder Ornamente werden schriftähnlich gestaltet.

Hauptartikel: Bildervermeidung im Islam

Hauptepochen

Das arabische Kalifat

Hauptartikel: Kalifat

Bereits unter der religiösen und politischen Führung des Propheten Mohammed (ca. 570–632) begann die Herausbildung eines neuen Staatswesens auf der arabischen Halbinsel. Seine Nachfolger waren zunächst Männer aus seinem Stamm, die sogenannten vier rechtgeleiteten Kalifen. Unter ihrer Herrschaft (632–661) wurde das Reich durch die Eroberung des Irak, Irans, Syriens, Ägyptens und Teilen von Nordafrika erheblich ausgedehnt. Aus den jahrelangen Machtkämpfen nach dem Tode des Kalifen Uthman (656) ging schließlich nach der Ermordung des Kalifen Ali (661) der Gouverneur Syriens, Muawiya, als Sieger hervor. Er begründete die Dynastie der Umayyaden, die die Hauptstadt nach Damaskus verlegte. Das Reich wurde nach Westen (Nordafrika, fast die gesamte Iberische Halbinsel, Teile Südfrankreichs) und Osten (Choresmien, Transoxanien, Afghanistan, Gebiete beiderseits des Indus) gewaltig erweitert und darüber hinaus Feldzüge gegen das Frankenreich und Byzanz geführt. Die durch die geographische Ausdehnung hervorgerufenen Spannungen mündeten schließlich in einen von den östlichen Provinzen ausgehenden Aufstand. Im Jahre 750 wurden die Umayyaden gestürzt und von den Abbasiden abgelöst, unter denen sich der Schwerpunkt des Kalifats nach Osten verlagerte. Zur neuen Hauptstadt wurde Bagdad, in der Zeit von 838 bis 883 diente das neugegründete Samarra als Residenz. Bereits im 9. Jahrhundert verlor der Kalif zunehmend an Einfluss und war schließlich kaum mehr als das geistliche Oberhaupt der Muslime. In vielen Gebieten des Kalifats wurden die dort ansässigen Fürsten (Emire) weitgehend selbständig und begründeten eigene Dynastien, die nur noch nominell dem Abbasidenkalifen unterstanden.

Kunst im arabischen Kalifat

Lüsterkeramik (Irak, 10. Jahrhundert)

Den gesamten Mittelmeerraum prägte bis ins 13. Jahrhundert eine gemeinsame Kunstsprache der Formen und Motive, die sowohl in den islamischen als auch in den christlichen Reichen verstanden wurde. Die frühislamische Kunst unter den Umayyaden entwickelte sich auf der Grundlage hellenistischer, byzantinischer und sassanidischer Traditionen. Vereinheitlichend wirkten dabei der Fernhandel, der aufblühende Städte miteinander verband, und der Islam als geistige Basis. Von der Hauptstadt Damaskus aus gingen Impulse bis nach Spanien im Westen und nach Transoxanien im Osten. Unter ihren Nachfolgern, den ab 750 in Bagdad regierenden Abbasiden, bekamen iranische und mittelasiatische Einflüsse größeres Gewicht: die Ornamente und Motive wurden stärker abstrahiert, feste Schemata ihrer Anordnung setzten sich durch. Mit der Auflösung des Kalifenreiches traten lokale Stilformen neben die durch Handel, geistigen und künstlerischen Austausch beförderten Gemeinsamkeiten.

Während Plastik und Relief unter den Umayyaden noch eng an vorislamische Traditionen anknüpften, setzten sich unter den Abbasiden die der islamischen Kunst eigenen Kompositionsprinzipien endgültig durch, so die vollständige Bedeckung mit Dekor und die Aufteilung von Flächen in Borte und Feld.

Seldschuken, Mongolen und Timuriden

Schlacht Timurs, Miniaturmalerei der Timuridenzeit (Behzād)

Vom 11. Jahrhundert an drangen aus Zentralasien Stämme und Völker mit nomadischer Lebensweise nach Westen vor und schufen auf dem Boden des Kalifats neue Reiche. Die Eroberung Bagdads (1055) markierte den Erfolg der Seldschuken auf eindrucksvolle Weise. Ihre Sultane ließen das Kalifat als geistliches Amt bestehen, konnten aber damit kein neues Universalreich aller Muslime begründen. Bald erreichten Lokaldynastien (Atabegs) weitgehende Selbständigkeit, die Rum-Seldschuken in Kleinasien gründeten das Sultanat von Konya.

Der Einfall der Mongolen im 13. Jahrhundert war der Auftakt für weitere Eroberungszüge turko-mongolischer Nomadenvölker, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts immer wieder zur Bildung von Großreichen führten, welche schließlich wieder in kleinere Herrschaftsgebiete zerfielen.

Mit Chülegü, einem Enkel Dschingis Khans, begann im Iran die mongolische Dynastie der Ilchane (1255/56 1353). 1258 wurde Bagdad zerstört und der letzte Abbasidenkalif Al-Mustasim getötet. Erst in der Schlacht von Ain Djalut (1260) konnten die Mamelucken den Vormarsch der Mongolen aufhalten. In der Mitte des 14. Jahrhunderts schuf Timur in Mittelasien ein neues Reich mit der Hauptstadt Samarkand (1369/70), das er mit der Eroberung des Iran, Syriens und Kleinasiens rasch ausdehnte. Nach seinem Tode (1405) herrschten seine Nachfolger als Dynastie der Timuriden im Wesentlichen in Iran, Afghanistan und Transoxanien.

Kunst der Seldschukenzeit

Minai-Keramik, Iran, 12./13. Jahrhundert

Die Reichsbildung der Seldschuken im 11. Jahrhundert führte zu einer erneuten Vereinheitlichung der Formensprache, die nun auch mit ostasiatischen Motiven in Berührung kam.

Mit den Seldschuken bekam das Motiv der menschlichen Figuren eine große Bedeutung, besonders bei Themen, die in Verbindung mit der Verehrung des Herrschers standen. Auch in der Keramik waren anfangs vorislamische Wurzeln noch deutlich erkennbar. Die vereinheitlichenden Tendenzen der Reichskunst brachten dann die flächendeckende Verzierung, den floralen und geometrisierenden Dekor in Form von Schriftbändern und Arabesken und schließlich die vielgestaltigen figürlichen Szenen der Seldschukenzeit zur Geltung. Die emaillierten Gläser jener Zeit folgten dieser Entwicklung ebenfalls, zum Beispiel mit vielfarbigen Szenen.

Kerzenhalter, Chorasan, 11./12. Jahrhundert

Die enge Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen islamischen Kunsthandwerks zeigt sich auch an den Metallarbeiten: Zunächst wurden mit Bildern wie dem „fürstlichen Reiter“ oder den Hofszenen die Traditionen sassanidischer Zeit fast bruchlos fortgeführt, bevor in der Seldschukenzeit neuartige Tiermotive aus Mittelasien und China hinzukamen. Der immer detailreichere und kompliziertere Dekor wurde nun ergänzt durch eine neue Verzierungstechnik, die Tauschierkunst ergänzt. Beim Tauschieren werden ornamentale, figürliche oder kalligraphische Dekore in die Oberfläche eines Gegenstandes aus härterem Metall eingeschlagen, graviert oder auch eingeätzt. Danach wird das Edelmetall (Silber oder Gold) fest in die Nut eingehämmert. Nach einem einfacheren Verfahren werden die Drähte oder Plättchen des Schmuckmetalls nur auf die aufgerauhte Oberfläche aufgeklopft. Im 11. und 12. Jahrhundert war die persische Provinz Chorasan ein Zentrum dieser Verzierungstechnik, im 13. Jahrhundert erlangten die Bronzen aus Mosul Berühmtheit. Das Einschlagen andersfarbiger Metalle in die Oberfläche von Kannen, Schalen oder großen Kesseln bot vielfältigere Möglichkeiten, aufwendige Bildfelder und Borten zu gliedern, als das Gießen, Treiben und Ritzen. Während die erhaltenen Reste größerer Holzarbeiten die vereinheitlichenden Entwicklungen der jeweiligen Reichskunst widerspiegeln, verweisen kleine Schnitzereien und Elfenbeinarbeiten noch lange auf das Beharrungsvermögen des frühislamischen Dekors.

Teppiche sind vielfach nur nach ihren Darstellungen auf Miniaturen zu erschließen. Während die Arbeiten der Hofwerkstätten neben dichtem Flechtwerk und Rapportmustern in der Timuridenzeit mehr und mehr die großen Medaillonkompositionen aufnahmen, zeigen die erhaltenen kleinasiatischen Teppiche des 15. Jahrhunderts geometrische Muster und geometrisierende Tierfiguren, die auf traditionellere Nomadenkunst schließen lassen.

Miniaturmalerei, Irak, 13. Jahrhundert

Miniaturmalerei ist seit der Seldschukenzeit nachweisbar. Anfangs waren die Darstellungen relativ klein und eng an den Text gebunden. Byzantinische, iranische und buddhistische Einflüsse sind deutlich zu erkennen. In Bagdad blühte Anfang des 13. Jahrhunderts eine eng an die städtische Sphäre anknüpfende Malweise, die sich von den strengen Formen des Bildaufbaus löste und andere Bildthemen als die des Hofes bevorzugte.

Kunst der Mongolen und Timuriden

Die Eroberungszüge der Mongolen bedeuteten im 13. Jahrhundert einen tiefen Einschnitt. Da sich auch für die nicht eroberten Gebiete in Vorderasien langfristig das politische und wirtschaftliche Umfeld veränderte, begannen sich trotz vieler Gemeinsamkeiten die Unterschiede zwischen westlicher und östlicher islamischer Kunst zu vertiefen. Während in den mameluckischen Gebieten Ägyptens und Syriens, in Nordafrika und Spanien die Verfeinerung dekorativer Elemente, die kompliziertere geometrische Aufgliederung von Flächen und der weitgehende Verzicht auf figürliche Darstellungen alle Bereiche der Kunst erfassten, brachten in den östlichen Regionen die mongolischen und später türkischen Eroberungswellen neue Einflüsse aus China und Zentralasien. Auch der Fernhandel, gefördert durch die Großreiche der Ilchane und der Timuriden, sorgte für einen stetigen Zustrom neuer Kompositionstechniken und Motive, wie zum Beispiel Drache und Phönix. Neben den oft am besten erhaltenen Erzeugnissen von Hofwerkstätten und ihrem Umkreis erlangten städtische Manufakturen besonders in Zeiten schwindender Zentralgewalt eine enorme Bedeutung. Hier entstanden auch Formen kommerzieller Kunst, das heißt direkt für die Bedürfnisse wohlhabender städtischer Schichten hergestellte Werke. Besonders der Tradition verhaftet blieb dagegen die Volkskunst, häufig gebunden an nomadische Gruppen.

Miniaturmalerei der Timuridenzeit (Behzād)

In die Keramik fanden jetzt zahlreiche chinesische Elemente wie bestimmte Blüten- und Blattformen oder Wolkenbänder Eingang. Solche östlichen Einflüsse wurden in der islamischen Kunst bis nach Spanien spürbar. Obwohl in fürstlichen Szenen vor allem Pfingstrosen- und Lotosblüten auch ostasiatische Einflüsse verraten, bekamen kalligraphische und nichtfigürliche Dekorformen immer mehr Gewicht. Im Iran wurde unter den Ilchanen das seldschukische Erbe zunächst weiterentwickelt, gleichzeitig aber ostasiatische Blütenformen und Besonderheiten figürlicher Darstellung aufgenommen. Unter den Timuriden setzte sich dann nichtfigürlicher Dekor in Form von Rosetten, Kartuschen und Medaillonformen wieder stärker durch, die Verzierung durch Gravur und Treiben verdrängte zunehmend die Tauschiertechnik. Die Miniaturmalerei entwickelte sich in verschiedenen regionalen Stilen und in Abhängigkeit von den Auftraggebern. Mit der Zeit gewann das Bild eine größere Eigenständigkeit gegenüber dem Text, so dass schließlich auch viele Einzelbilder entstanden.

Die späten Großreiche

Am Anfang des 16. Jahrhunderts gab es ausgedehnte islamische Staaten, die für mehrere Jahrhunderte stabil blieben: das Osmanische Reich, das Safawidenreich und in Nordindien das Mogulreich. Vom 18. Jahrhundert an griffen europäische Mächte immer mehr in die Politik dieser Gebiete ein und beschränkten mehr oder weniger deren Selbständigkeit. Das Osmanenreich hatte sich aus einem kleinasiatischen Fürstentum (Beylik) zu einem machtvollen Sultanat entwickelt, das weite Gebiete Südosteuropas, Vorderasiens und Nordafrikas umfasste. Die Safawiden waren ursprünglich Führer einer schiitischen Sekte, die in relativ kurzer Zeit ein neues iranisches Großreich schufen und damit eine Periode wechselvoller lokaler Dynastien beendeten. Babur (1494–1530), ein Nachkomme Timurs, eroberte nach Farghana (1501) und Kabul (1504) schließlich weite Teile Nordindiens. Die so begründete Moguldynastie (ab 1526) wurde erst 1858 durch die Briten entmachtet.

Kunst der späten Großreiche

İznik-Keramik, 16. Jahrhundert

Die islamische Kunst der frühen Neuzeit wurde entscheidend von den Höfen der Osmanen und der Safawiden geprägt, wobei die gegenseitigen Beziehungen für zahlreiche Gemeinsamkeiten bis in Details der Motiventwicklung sorgten. Doch auch der zunehmende Einfluss Europas spiegelte sich nun in der Kunst wider. Die Anleihen aus Barock, Rokoko oder dem Klassizismus wurden allerdings den traditionellen Kompositionsprinzipien unterworfen: durch

  • Vervielfältigung,
  • Reihung,
  • Friesbildung,
  • Spiegelung,
  • Anordnung als Borte und Feld

sowie ihre Verknüpfung mit traditionellen Mustern fügten sich die fremden Blüten, Muschelformen oder Säulenmotive in die hergebrachten Schemata ein. Die so entstandenen Stile – etwa das Türkische Rokoko – zeugen von der schöpferischen Kraft der islamischen Kunst jener Zeit, fremde Einflüsse souverän zu verarbeiten.

Malerei der Safawidenzeit

Der Fernhandel bewirkte auch in der Keramik der Safawidenzeit deutliche chinesische Einflüsse. Neu erschienen birnenförmige, langhalsige Flaschen aus feingliedrig verzierter Keramik oder einfarbigem Glas. Ihre elegante Form ist wohl im Zusammenhang mit der grazilen, schwingenden Linienführung in der Malerei zu sehen. Entsprechend dem Farbenreichtum der Keramik nahm in der Metallkunst bei Edelmetallen die Verwendung verschiedenfarbiger Edelsteine zu. Bei Werken aus Bronze und Messing wurde die Tauschiertechnik durch Gravur und Schwärzung weiter zurückgedrängt. Den hochwertigen Erzeugnissen der Hofwerkstätten standen zunehmend in städtischen Manufakturen gefertigte, in Technik und Dekor sparsamere Stücke gegenüber. Die großen Teppiche der Safawiden- und Osmanenzeit variieren das Thema der großen Mittelmedaillons besonders reich. Abgebildet wurden ganze Gartenlandschaften und Jagdszenen, wobei Viertelmedaillons in den Ecken des Feldes häufig erkennen lassen, dass man einen Ausschnitt aus unendlicher Reihung wiederzugeben suchte. Osmanische Teppiche aus städtischen Manufakturen zeigen dagegen oft traditionellere Muster wie strenges Rankenwerk und geometrisierende Formen.

Im Mogulreich gelangten auch viele Einflüsse aus der nichtislamischen Kunst Indiens in den Formen- und Motivschatz. Die Hofwerkstätten der Mogulherrscher mit ihren Verbindungen zu anderen Zentren islamischer Kunst sorgten für die Einbindung dieser Elemente in die traditionellen Strukturen, ähnlich wirkten die Handelsbeziehungen und der damit verbundene Austausch. Berühmt ist vor allem die Miniaturmalerei, von denen hervorragende Beispiele auch in europäische Sammlungen gelangten.

Der islamische Westen

Architekturdekor in der Alhambra

Die Gebiete westlich der Syrischen Wüste nahmen über weite Perioden einen deutlich anderen Weg der politischen Entwicklung. Die Fatimiden (909–1171) begründeten ein schiitisches Gegenkalifat, das seit der Gründung Kairos (969) sein Zentrum in Ägypten hatte. Die folgende Dynastie der Ayyubiden (1171–1250) erkannte zwar wieder den Kalifen in Bagdad als geistliches Oberhaupt an, war aber wie die anschließend herrschenden Mamelucken (1250–1517) politisch völlig selbständig. Seit 1258 bestand am Hof in Kairo ein abbasidisches (Schatten-)kalifat, das später auf die osmanischen Sultane übergehen sollte.

Der einzig überlebende Umayyade Abd ar-Rahman rettete sich auf die Iberische Halbinsel und gründete dort ab 756 ein Gegenkalifat, das bis zum 11. Jahrhundert bestand. Der anschließende Zerfall in viele kleine, zum Teil gegeneinander kämpfende Königreiche (Taifa-Königreiche) schwächte das muslimische Spanien gegenüber der christlichen Reconquista. In Nordafrika bildeten sich vor allem von Kairouan, Tunis und Fès ausgehend Herrschaftsgebiete heraus, die vom 11. bis 13. Jahrhundert unter den Almoraviden und Almohaden zu Großreichen vereinigt wurden, die sich auch auf die Iberische Halbinsel ausdehnten. Durch die Bestrebungen der Almoraviden und Almohaden gelang bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts noch einmal eine Stabilisierung. Als letzter Staat bestand (bis 1492) schließlich noch das Emirat der Nasriden von Granada, in dem Kunst und Kultur eine Blüte erlebten.

Siehe auch: Al-Andalus, Mauren

Vom 9. bis 11. Jahrhundert gehörte die Insel Sizilien und zeitweise auch Teile Unteritaliens zum muslimischen Machtbereich. Besonders Einflüsse aus dem fatimidischen Ägypten hinterließen deutliche Spuren, die auch nach der Eroberung durch die christlichen Normannen bis weit in das 13. Jahrhundert hinein fortwirkten.

Kunst im islamischen Westen

Siehe auch: Arabisch-byzantinisch-normannische Kunst und Mudéjar-Stil

Auch nach der politischen Trennung entwickelte sich die Kunst im islamischen Westen noch lange im engen Kontakt mit den östlichen Gebieten. So spiegeln zum Beispiel die erhaltenen Reste größerer Holzarbeiten die vereinheitlichenden Entwicklungen der jeweiligen Reichskunst wider. Gleichzeitig verweisen kleine Schnitzereien und Elfenbeinarbeiten noch lange auf das Beharrungsvermögen des frühislamischen Dekors.

Die Textilien des 11., 12. und 13. Jahrhunderts aus Ägypten, Spanien und Sizilien zeigen den gleichen Drang zur Entfernung von den natürlichen Vorbildern der Ornamente oder zu fortlaufenden Borten und flächendeckenden Mustern wie andere Objekte der Kleinkunst. Die zahlreichen Tierdarstellungen wurden durch friesartige Wiederholung, geometrische Anordnung oder feinteilige Binnenzeichnung verfremdet.

Belagplatte mit Jagddarstellungen aus Ägypten, 11./12. Jahrhundert

Im umayyadischen Spanien und im fatimidischen Ägypten wurden begehrte Belagplatten und Möbelverzierungen, Kämme, Büchsen und Kästen hergestellt. Diese Tradition wurde auf Sizilien und in Süditalien sogar über die muslimische Periode hinaus unter den Normannen und Staufern bis ins 13. Jahrhundert fortgesetzt.

Die Eroberungszüge der Mongolen im 13. Jahrhundert dagegen bedeuteten einen tiefen Einschnitt. Da sich auch für die nicht eroberten Gebiete in Vorderasien langfristig das politische und wirtschaftliche Umfeld veränderte, begannen sich trotz vieler Gemeinsamkeiten die Unterschiede zwischen westlicher und östlicher islamischer Kunst zu vertiefen. Während in den mameluckischen Gebieten Ägyptens und Syriens, in Nordafrika und Spanien die Verfeinerung dekorativer Elemente, die kompliziertere geometrische Aufgliederung von Flächen und der weitgehende Verzicht auf figürliche Darstellungen alle Bereiche der Kunst erfassten, brachten in den östlichen Regionen die mongolischen und später türkischen Eroberungswellen neue Einflüsse aus China und Zentralasien.

Eine Sonderentwicklung unter der Dynastie der Mamelucken sind die noch in der Ayyubidenzeit beginnenden Wappendarstellungen, die man auch auf den emaillierten Gläsern und auf Metall findet. Im Umkreis der mameluckischen Sultane entstanden auch hervorragende Werke der Tauschierkunst.

Neuzeit

Mit der Orientierung herrschender Kreise an Europa und dem Zerfall der großen islamisch geprägten Reiche war auch der Untergang der an den Höfen produzierten Kunst besiegelt. Im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert bewahrten nur die Nomaden Mittelasiens und die traditionellen Bereiche um den Basar als Handels- und Handwerkszentrum wichtige Teile der Formen und des Motivschatzes islamischer Kunst.

Siehe auch

Literatur

  • Volkmar Enderlein: Islamische Kunst. Verl. der Kunst, Dresden 1990, ISBN 3-364-00195-2
  • Janine Sourdel-Thomine, Bertold Spuler: Die Kunst des Islam. Berlin 1984, (Propyläen Kunstgeschichte, 4).
  • Thomas Tunsch: Kalligraphie und Ornament. Das islamische Kunsthandwerk. In: Herrscher und Heilige. Europäisches Mittelalter und die Begegnung von Orient und Okzident. F. A. Brockhaus: Leipzig, Mannheim 1997. (Brockhaus: Die Bibliothek, Kunst und Kultur; 3). S. 164–168.
  • Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: Museum für Islamische Kunst. von Zabern, Mainz 2001, ISBN 3-8053-2681-5, ISBN 3-8053-2734-X
  • Joachim Gierlichs, Annette Hagedorn (Hrsg.): Islamische Kunst in Deutschland. von Zabern, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3316-1
  • Robert Hillenbrand: Kunst und Architektur des Islam. Tübingen, Berlin 2005, ISBN 3-8030-4027-2
  • Lorenz Korn: Geschichte der islamischen Kunst (bsr. C. H. Beck Wissen, 2570)), C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56970-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Friedrich Sarre, Fredrik Robert Martin (Hg.): Die Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst in München 1910. Nachdruck d. Ausgabe München 1912, Alexandria Press, London 1985. ISBN 0-946579-01-6


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