Müllstrudel

Müllstrudel
Die fünf größten zirkulierenden Meeresströmungen der Erde
Plastikmüll am Strand der Dominikanischen Republik
Müll am Strand von Hawaii
Plastikmüll am Strand der unbewohnten Insel Henderson (Pitcairninseln) im Südpazifik

Müllstrudel ist eine Bezeichnung für subarktische und subtropische Wirbel im Ozean, die gigantische Müllteppiche angesammelt haben. Dem Nordpazifikwirbel (englisch „North Pacific Gyre“) hat dieses Phänomen den Beinamen „Great Pacific Garbage Patch“ eingebracht.

Inhaltsverzeichnis

Ausdehnung

Durch Meeresströmungen entsteht ein subarktischer Meereswirbel, in dem sich Zivilisationsmüll ansammelt. Die Fläche der Ausdehnung entspricht etwa der Größe von Texas[1] oder Mitteleuropa. Schätzungen zufolge zirkulierten Anfang 2008 etwa 100 Mio. Tonnen Kunststoffmüll (mit steigender Tendenz) in dem Müllstrudel.[2] Er rotiert zwischen Nordamerika und Asien und wird von der Erdrotation sowie Winden angetrieben. Der emeritierte Ozeanograf Charles Curtis Ebbesmeyer aus Seattle hat Strömungsmodelle entwickelt, um die Anlandung an US-Küsten besser zu bestimmen.[3] Nach einer UNEP-Studie befinden sich heute bis zu 18.000 Plastikteile auf jedem Quadratkilometer Meeresfläche.[4]

Der Frachter Hansa Carrier verlor am 27. Mai 1990 1.000 Seemeilen südlich von Alaska fünf Container mit 61.000 Turnschuhen. Auf derselben Route wie die Hansa Carrier verlor ein anderes Schiff einen Container mit 29.000 bunten Spielzeugentchen.[5]

Im Jahre 1992 verlor das Frachtschiff Tokio Express, auf dem Weg von Hongkong nach Washington, 29.000 Lego-Spielzeugfiguren.[6] Seitdem werden etwa alle drei Jahre an die Strände in Alaska Teile dieser verlorenen Ladung angespült. Nach Berechnungen von Ebbesmeyer bewegt sich der Müll demnach mit elf Zentimetern pro Sekunde (entspricht 0,4 km/h) in seinem riesigen Kreis.[7]

Der an der Oberfläche treibende Plastikmüll ist nur ein geringer Teil. Etwa 70 Prozent sinkt auf den Meeresgrund. Nach einer Hochrechnung von holländischen Wissenschaftlern liegen auf jedem Quadratmeter Meeresboden jeweils 110 einzelne Plastikteile. Da sich der Müll ungleichmäßig verteilt, liegen in einigen Gebieten der Ozeane wahre Müllhalden auf Grund, die alles Leben unter sich begraben und ersticken, während in anderen Gebieten nur sehr wenig liegt.[8]

Weitere Müllstrudel

Der subtropische Wirbel des Nordpazifiks ist der größte der fünf großen Strömungskreise in den Ozeanen. Doch das Müllproblem hat bereits auch andere Gebiete erreicht.

In der Sargassosee im Nordatlantik, einem weiteren Meeresstrudel, haben Wissenschaftler ebenfalls hohe Konzentrationen von Plastikmüll nachgewiesen.

Bestandteile

Nach Untersuchungen der National Oceanic and Atmospheric Administration treibt der überwiegend aus zerkleinertem Kunststoff bestehende Teppich bis zu 16 Jahre in dem Kreisel. Weitere Bestandteile sind Plastiktüten,[9] Einmalrasierer, CD-Hüllen, Eimer, Kabeltrommeln, Zahnbürsten und Feuerzeuge. Die Zersetzung von Kunststoff im Meer dauert mutmaßlich etwa einhundert Jahre. Ein Stück Bakelit, verloren von der United States Navy im Zweiten Weltkrieg, trieb 60 Jahre im Meer, bevor es von einem Albatros verschluckt wurde.[10]

Gefahren

Toter Albatros mit Plastik im Magen

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat im Herbst 2006 einen Meeresstrudel ungefähr 1000 km nördlich von Hawaii aufgesucht und auf die Gefahren hingewiesen, die für Meerestiere durch den Abfall bestehen, da der Müll DDT und PCB enthalten beziehungsweise aufnehmen kann. Tiere, die Plastikteile aufnehmen, können durch die Inhaltsstoffe des Plastiks sowie mechanisch durch Verstopfungen oder durch Verletzungen leiden oder verenden. So bleiben Seehunde in Getränkekästen stecken. Aufgegebene oder verlorene Fischernetze aus Nylon fangen und töten weiterhin Fische und Delfine. In den Plastikträgern von Bierdosen-Sixpacks verfangen sich Seevögel und strangulieren sich. Meeresschildkröten fressen umhertreibende Plastiktüten und verhungern mit vollem Bauch. Sie verwechseln die Plastiktüten mit Quallen, ihrer eigentlichen Nahrung.[11] An dem Plastikmüll verendete Tiere, die ihrerseits gefressen werden, führen zur Anreicherung der Schadstoffe in der Nahrungskette.

Mehr als zwei Millionen Albatrosse nisten auf den Midwayinseln. Dort sterben jährlich etwa ein Drittel der Jungvögel, weil sie von ihren Eltern versehentlich mit Plastikabfällen gefüttert werden. Ebbesmeyer fand in einem verendeten Albatros-Jungtier an die 100 Plastikteile, mit denen es von den Elterntieren gefüttert worden war (National Geographic 10/2005).[12][13]

Der Mensch produziert Plastik erst seit etwa 60 Jahren. Die meisten Kunststoffsorten zerfallen in der Umwelt nicht oder nur sehr langsam. Obschon schwimmende wie auch am Grunde lagernde Plastikteile dem Ansatz sessiler Tiere oder deren Larven, zum Beispiel Seepocken, Entenmuscheln, Hydrozoen und Pflanzen (Algen, Tange) dienen (vergleiche Riffball) und so Ausgangspunkte von Biotopen werden können, überwiegen die ökologischen Schäden meist weit.

Giftakkumulation

Auch im Fall, dass Tiere und Plankton nicht an den Plastikteilen verenden, gelangen die Stoffe früher oder später in den Nahrungskreislauf. Dies stellt ein besonderes Problem dar, da viele der im Plastik konzentrierten Substanzen Endokrine Disruptoren sind, die Fortpflanzung und Wachstum beeinträchtigen.

Der Meeresbiologe Richard Thompson[14] von der University of Plymouth hat untersucht, wie große Plastikteile im Wasser zu immer kleineren Teilchen zerfallen. Außerdem untersuchte er, wie die kleinen Meeresorganismen wie etwa Seepocken auf diese kleinen Plastikteile reagieren. Das Ergebnis war, dass die Kunststoffpartikel Giftstoffe des Meerwassers akkumulieren. Sie wirken wie ein chemischer Schwamm und reichern sich mit giftigen Schadstoffen des Meeres an. Wenn Fische diese Teilchen als Nahrung zu sich nehmen, vergiften sie sich unweigerlich. Wenn die Fische nicht daran sterben, sammeln sich die Toxine in ihrem Organismus an und gelangen in die Nahrungskette des Menschen. Laut Richard Thompson wirken die kleinen Kunststoffteilchen wie Magnete auf die Toxine im Meer.

Plastikpartikel an Stränden

Globale Meeresströmung: Tiefenströmung blau, Oberflächenströmung rot

Plastikmüll kann für mehrere hundert Jahre in den Ozeanen treiben. Wind und Wellen erzeugen Reibung, die ihn zerfallen lassen. Wird der Müll an einen Strand gespült, geht der Zerfall durch die Reibung in Sand und Wellen besonders schnell. Schließlich bleiben nur noch kleine Plastikkügelchen übrig. Sie sehen aus wie Sandkörner. Je kleiner die Teile sind, um so gefährlicher werden sie für Krabben, Wattwürmer und Fische.

Thompsons Untersuchungen an Stränden haben ergeben, dass die Kunststoffverschmutzung auf mikroskopischem Niveau viel schlimmer ist, als man bisher glaubte. Die Plastikpartikel machen in Sandproben bis zu einem Viertel des gesamten Gewichts aus. Diese Kunststoffteilchen wurden an den Stränden aller Kontinente der Erde gefunden.[15] Diese Plastikkügelchen sind so klein wie Sandkörner und – auch wegen des gleichen Aussehens – mit dem bloßen Auge nicht davon zu unterscheiden.

Herkunft des Plastikmülls

Die United Nations Joint Group of Experts on the Scientific Aspects of Marine Pollution (GESAMP) hat errechnet, dass der Großteil (ca. 80%) des Plastikmülls über die Flüsse ins Meer gelangt. Ca. 20% stammen von den Besatzungen der Schiffe:[16] Abfälle werden nach alter Tradition einfach über Bord geworfen. Plastikmüll stammt auch von Kreuzfahrtschiffen. Einige besitzen Müllschredder, in denen organischer Müll zerkleinert wird. Oft wird darin auch Plastikmüll zerkleinert, der dann gemeinsam mit dem organischen Müll über Bord geht. Weiterer Müll stammt von Frachtschiffen, die ihre Ladung verlieren wie oben beschrieben.

Gegenmaßnahmen

Umweltschützer plädieren dafür, die Quellen des Plastikmülls zu schließen. Plastiktüten sollten überall auf der Welt verboten werden.

Das Verbot der Einbringung von Plastikmüll durch Schiffe in die Ozeane ist in Marpol Annex V bereits 1988 erfolgt. Die Schiffsführung kommerzieller Schiffe ist verpflichtet, über den gesamten an Bord anfallenden Müll Buch zu führen, das sogenannte Garbage Record Book. Die Abgabe an Land ist mittels Quittung nachzuweisen. Verstöße gegen diese Bestimmungen können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. In Deutschland können gemäß Verordnung über Zuwiderhandlungen gegen das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und gegen das Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen Bußgelder von bis zu 50.000 € erlassen werden.

Die Entladung des Mülls muss in allen Häfen kostenlos sein und der Müll muss an Land fachgerecht entsorgt werden. Eine kleine NGO, Green-Ocean, startete kürzlich ein Pilotprojekt im Hafen von Livorno: es wurde begonnen von den Fischern (1,8 Millionen in europäischen Gewässern) Plastikmüll anzukaufen.[17] Hier wird gerade bewiesen, dass es möglich ist, kostengünstig und effektiv Plastikmüll aus dem Meer wieder zu entfernen. Es fehlen noch europaweite Folgeprojekte.

Zum anderen darf kein Hausmüll mehr über die Flüsse ins Meer gelangen.[18] Biologisch abbaubare Polymere müssen verwendet werden, die sich in ungiftige Komponenten zersetzen. [19] Wissenschaftler der University of Southern Mississippi haben diese Polymere für den Zerfall im Meerwasser optimiert.[20]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://oceans.greenpeace.org/de/die-expedition/news/plastikmuell-bedroht-schutzgebiet
  2. http://www.independent.co.uk/environment/the-worlds-rubbish-dump-a-garbage-tip-that-stretches-from-hawaii-to-japan-778016.html
  3. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,459766,00.html
  4. http://marine-litter.gpa.unep.org/documents/World's_largest_landfill.pdf
  5. http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/bdf79ad4-c5a1-4f13-9d5d-b359a647c5c6.aspx
  6. http://www.ask-eu.de/default.asp?Menue=10&KW=0&Bereich=4&SubBereich=9&ShowNews=2171
  7. http://www.rhombos.de/shop/a/show/story/?965
  8. http://oceans.greenpeace.org/de/unsere-ozeane/verschmutzung/der-strudel-aus-muell
  9. http://epaper.welt.de/download.php?zone=archiv&etag=2006-12-11&pages%5B%5D=31
  10. http://seattletimes.nwsource.com/html/pacificnw04232006/coverstory.html Oceans of Waste. Seattle Times. 23.4.2006
  11. Greenpeace Bordtagebuch: Zum Müllstrudel im Nord-Pazifik
  12. http://www.delphinschutz.org/wissen/meeressaeuger/plastik-vergiftet-weltmeere.html
  13. http://www.plastic-sea.com/?file=projekt_beschreibung&language=german
  14. http://www.plymouth.ac.uk/pages/dynamic.asp?page=staffdetails&id=rcthompson
  15. http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/natur/umwelt_aid_120725.html
  16. http://www.sueddeutsche.de/wissen/195/325060/text/
  17. http://www.green-ocean.org/index.php?file=sub/projekte/plastikmuell&sub=projekte
  18. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/wissenschaft/746878/
  19. http://www.plastic-sea.com/?file=projekt_beschreibung&language=german#suche_alternativprodukte
  20. http://www.delphinschutz.org/wissen/meeressaeuger/plastik-vergiftet-weltmeere.html

Weblinks


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