Wartezeit, Zuwartezeit

Wartezeit, Zuwartezeit

Wartezeit, Zuwartezeit. Bei Aufstellung des Fahrplans (s.d.) gehört es zu den wichtigsten Aufgaben, die dem Personenverkehr dienenden Züge der sich berührenden Bahnstrecken (s. Anschlußbahnen) so zum Zusammenschluß (train connection; correspondence des trains; corrispondenza dei treni) zu bringen, daß sie den Verkehrsanforderungen eines möglichst großen Bahngebiets dienen. Die Entwicklung des deutschen Bahnnetzes mit seinen zahlreichen Berührungspunkten – Anschlußstationen – und seinen vielfach voneinander abzweigenden und sich durchkreuzenden Verkehrsbeziehungen macht die Erfüllung dieser Aufgabe besonders schwierig. Um an einer Stelle einen Anschluß zu erreichen, muß häufig auf ihn an anderer Stelle verzichtet, oder es muß versucht werden, mit Übergangszeiten auszukommen, die schon bei geringen Zugverspätungen (s.d.) zu Anschlußversäumnissen (s.d.) führen würden, wenn nicht für diesen Fall dem anschließenden Zuge eine W. vorgeschrieben würde. Solche W. werden daher für alle innerhalb gewisser Zeitgrenzen liegenden Zuganschlüsse festgesetzt und in den Vorschriften über die W., übersichtlich zusammengestellt, den Beamten des Fahrdienstes bekannt gegeben. Die Vorschriften bestimmen, wie lange die Züge mit Personenbeförderung auf Anschlußzüge und Dampfschiffe zu warten haben (to wait for a connection; attendre la correspondence des trains; aspettare la corrispondenza dei treni) und in welchen Fällen verspätete Anschlußzüge als Sonderzüge nachzuführen sind (vgl. FV. S. 32 und Art. 146 der österreichischen Vorschrift für den Verkehrsdienst über die Zuwartezeit). Die Bemessung der W. richtet sich nach der Bedeutung des Anschlußverkehrs und der Tragweite der durch ihre Innehaltung entstehenden Zugverspätungen, die in der Regel nur in geringem Umfange durch Anwendung der kürzesten Fahrzeiten (s. Fahrplan) wieder eingeholt werden können. Die W. schwanken zumeist zwischen 5 und 15 Min., steigen jedoch bis auf 60 Min. und mehr, besonders wenn es sich um den letzten Abendzug handelt, dessen Versäumnis die Reisenden kurz vor dem Ziel zu Übernachtungen zwingen würde. In solchem Falle wird häufig sogar eine unbeschränkte W. festgesetzt. Bei Anwendung der W. stellt der den Zug abfertigende Beamte fest, zu welcher Zeit der einen verspätenden Zug abwartende Anschlußzug auf Grund der einlaufenden Verspätungsmeldung unter Einrechnung der für den Übergang der Reisenden und des Gepäcks erfahrungsgemäß notwendigen Zeit voraussichtlich abfahren kann. Wird hierbei die W. überschritten, so muß der Zug ohne Anschluß abfahren, andernfalls hat er zu warten. Dabei gilt als Regel für alle Anschlüsse, daß ein Zug angesichts eines einfahrenden Anschlußzuges nicht abfahren, sondern den Anschluß abwarten soll. Durch Lösung von Fahrkarten oder Behandlung des Gepäcks darf dem Anschlußzuge kein Mehraufenthalt erwachsen. Die Fahrkarten sind auf einer geeigneten Station nachzulösen und das Gepäck ist dort nachzubehandeln. Um eine unnötige Anwendung der W. in dem Falle zu vermeiden, in dem Anschlußreisende nicht vorhanden sind, war früher allgemein die Vormeldung der letzteren an die Anschlußstation durch die Zugführer des verspäteten Zuges vorgeschrieben. Bei Zunahme des Verkehrs und Verlegung der Fahrkartenprüfung an die Bahnsteigsperre erwies sich die Vorschrift nicht mehr als durchführbar. Sie findet jetzt nur unter einfachen Verhältnissen Anwendung, während im übrigen die W. angewendet werden auch auf die Gefahr hin, daß Anschlußreisende nicht vorhanden sind. Die österreichischen Vorschriften für den Verkehrsdienst enthalten hierzu in Art. 146 die Bestimmung, daß W. auch einzuhalten sind, wenn von dem Verkehren des Anschlußzuges keine verläßlichen Nachrichten zu erlangen sind. Dieselben Vorschriften verpflichten die Zugbegleiter und Fahrkartenausgeber, die Reisenden bei voraussichtlicher Überschreitung der W. auf die Anschlußversäumnis aufmerksam zu machen.

In den Vorschriften über die W. soll nach der deutschen FV. (§ 32,2) auch bestimmt werden, wenn Schnell- und Eilzüge ausnahmsweise halten müssen, um bei Zugverspätungen Reisende aufzunehmen oder abzusetzen und wie zu verfahren ist, wenn Kurswagen (s. Durchgehende Wagen) den Anschluß nicht erreichen. Im ersten Fall handelt es sich entweder um die Weiterbeförderung von Reisenden, die von einer Anschlußstrecke eingetroffen sind, oder um solche, die auf einer Überholungsstation von einem Zug auf den andern übergehen (s. Überholung). Im zweiten Fall sind ebenfalls von der betriebsleitenden Stelle aus Anweisungen zu erlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen für die Weiterbeförderung von Kurswagen, Zugteilen oder ganzen Zügen Sonderfahrten auszuführen oder die Reisenden auf nachfolgende Personen- oder Schnellzüge zu verweisen sind. Handelt es sich hierbei um Wagenläufe, die das Gebiet fremder Verwaltungen berühren, so werden über das Nachbringen in der Regel besondere Vereinbarungen getroffen, in denen auch bestimmt wird, ob etwa die Kosten von Sonderfahrten für das Nachbringen durchgehender Wagen oder Züge der Verwaltung in Rechnung zu stellen sind, die durch verspätete Anbringung des Anschlußzuges zu den Sonderleistungen Anlaß gibt (s. Anschlußversäumnis). Da von einem eigentlichen Verschulden in solchen Fällen meist nicht die Rede sein kann, den Reisenden gegenüber auch stets die Verwaltung als die Verpflichtete erscheint, in deren Bezirk der Anschluß versäumt wird, so pflegen die Verwaltungen heute von der gegenseitigen Inrechnungstellung solcher Sonderleistungen meist abzusehen.

In beschränktem Umfange hat sich auch im Güterverkehr die Festsetzung von W. als notwendig und zweckdienlich erwiesen, um die Überführung wichtiger regelmäßig wiederkehrender Sendungen von Zug zu Zug besonders im Eilgut- und Tierverkehr sicherzustellen (s. Wagenübergangsplan).

Breusing.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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