Planta, von

Planta, von

Planta, von, altes Adelsgeschlecht in Graubünden, dessen Name »Planta« zur Zeit der römischen Kaiser Claudius und Trajan mehrmals vorkommt, wobei besonders die in Südtirol aufgefundene, im Museum von Trient befindliche Bronzetafel aus dem Jahr 46 n. Chr., laut der ein Julius P. damals die Grenzen etc. ordnete, einen Zusammenhang der römischen P. mit dem rätischen Geschlecht wahrscheinlich macht. Dieses letztere erscheint zuerst im 12. Jahrh., indem laut den Aussagen der alten Chronisten der Bischof von Chur 1139 die Grafschaft Oberengadin erwarb und sie an Konrad P. verlieh. Heute noch urkundlich nachweisbar erscheint zuerst Andreas P. de Zuz 1244 als Ministeriale des Bistums Chur und dann Andreas II, der 1295 vom Bistum die Gerichtsbarkeit und die Bergwerke im Oberengadin zum ewigen erblichen Lehen erhielt. Der Stammsitz der P. war von jeher Zuoz im Oberengadin. Gegen Ende des 15. Jahrh. büßten die P. ihre herrschaftliche Stellung im Oberengadin ein, gewannen aber, in verschiedene Linien verzweigt, in dem neuentstandenen rätischen Freistaat dominierenden Einfluß und ersetzten mit den aus dem Bergell stammenden Salis den im Erlöschen begriffenen hohen Adel Churrätiens. Die Rivalität der beiden mächtigen Familien bildete einen der Hauptfaktoren in den wilden Parteikämpfen, die im 16. und 17. Jahrh. Graubünden durchtobten. Das Geschlecht ist heute protestantisch. Es ging aus ihm eine Reihe hervorragender Staatsmänner, Offiziere, Geistlicher und Gelehrter hervor. Vgl. P. v. Planta, Chronik der Familie von P. (Zürich 1892, Nachtrag 1905). Besonders bemerkenswert sind:

1) Ital, der mit seinen Verwandten Jakob und Heinrich P. 1367 bei der Gründung des ersten rätischen Bundes, des Gotteshausbundes, »als Vertreter aller Planten und der Gemeinde Oberengadin« gegenwärtig war.

2) Thomas, hat sich mit seinen Brüdern Theodosius und Jakob in der Befreiungsschlacht an der Calven 1499 hervorgetan.

3) Konrad, siegelte nach dem Schwabenkriege die Verträge mit Österreich, befehligte 1512 bei der Eroberung des Veltlins die Gotteshausleute und wurde der erste Landeshauptmann des Veltlins.

4) Thomas, 1548–65 Fürstbischof von Chur, der als Retter des durch die Reformation in seiner Existenz bedrohten Churer Bistums sich um die katholische Sache großes Verdienst erwarb.

5) Johann, geb. um 1500 in Zernez, studierte in Bologna beide Rechte, als deren Doktor er 1542 erscheint. Als Herr von Räzüns, das er 1558 von Österreich als Pfand erhielt, und der Freiherrschaft Hohentrins der reichste und angesehenste Bündner seiner Zeit, war er die Hauptstütze der katholischen Partei und erhielt 1571 eine päpstliche Bulle, die ihn ermächtigte, als päpstlicher Generalprokurator alle in Graubünden der Kirche durch die Häretiker entfremdeten Güter zurückzufordern. Obgleich P. zunächst nur beabsichtigte, die Propstei St. Ursula zu Teglio im Veltlin für seinen Sohn herzustellen, rief doch die Kunde von dieser Bulle solche Aufregung im Lande hervor, daß sich, nicht ohne Zutun der Salis, ein tumultuarisches Strafgericht zu Chur konstituierte, das den greifen Mann folterte und 31. März 1572 als Hochverräter hinrichten ließ. Vgl. Valär, Johann von P. (Zürich 1888).

6) Pompejus, Neffe des vorigen, geb. 1569, studierte in Basel, wurde 1605 Rat des Erzherzogs Maximilian von Österreich, 1614 vom Fürstbischof von Chur mit der Landvogtei Fürstenau und 1615 mit dem Marschallamt belehnt. Im Verein mit seinem ältern Bruder, Rudolf, auf Schloß Wildenberg bei Zernez wirkte er eifrig für den engen Anschluß der drei Bünde an Spanien-Österreich. Nachdem auf Rudolfs Veranlassung 1617 ein Strafgericht zu Chur die venezianische Partei verfolgt hatte, wurden die beiden Brüder 1618 durch das von Jenatsch, Blasius Alexander und andern Prädikanten geleitete Strafgericht zu Tusis als Landesverräter vogelfrei erklärt und ihr Besitztum konfisziert. Vergeblich suchten die P. durch ein Strafgericht in Chur ihre Gegner zu treffen, die gegen sie gerichteten Urteile wurden vom Strafgericht zu Davos bestätigt, und die beiden Brüder mußten außer Landes Sicherheit suchen. Durch all dies zum äußersten gebracht, brachen sie, um sich zu behaupten, im Einverständnis mit den fünf katholischen Orten und den Regierungen von Mailand und Tirol mit fremden Truppen im Münstertal ein, verhinderten dann aber selbst ein weiteres Vordringen derselben. Die Brüder wußten, daß ein großer Teil des Bündnervolks, hauptsächlich auch der größtenteils katholische Obere oder Graue Bund, auf ihrer Seite stand, während freilich die Gegner (worunter auch die P. von Zuz und Chur) sehr mächtig waren. Der kleine rätische Freistaat war damals von den Großmächten Frankreich und Venedig einerseits und Spanien-Mailand-Österreich anderseits wegen der vielen wichtigen Bergpässe stets umworben und konnte sich nicht neutral erhalten. Nach dem »Veltliner Mord« im Juli 1620, durch den sich das Untertanenland Veltlin zugleich der Ketzer und der bündnerischen Herrschaft zu entledigten suchte. stimmte der Obere Bund durch Pompejus' Vermittelung einem Vertrag mit Spanien-Mailand zu, durch den das Veltlin den annehmenden unter den drei Bünden erstattet wurde, unter der Bedingung absoluter Amnestie und der Ermächtigung für Spanien, das Veltlin noch acht Jahre lang besetzt zu halten. Um nun auch im Gotteshausbund für Annahme zu wirken, begab sich Pompejus auf sein Schloß Rietberg im Domleschg, wo er bald darauf nächtlicherweile von 19 Berittenen unter Anführung des Georg Jenatsch (s. d.) 21. Febr. 1621 überfallen und ermordet wurde. Es ist wahrscheinlich, daß seine im Schlosse anwesende Tochter Lukretia Katharina die hierbei verwendete Axt für ihre minderjährigen Brüder aufhob. Ihr Bruder Rudolf P. übte 18 Jahre später Blutrache, indem unter seiner Führung der inzwischen zum Lenker der drei Bünde emporgestiegene Jenatsch 24. Jan. 1639 in Chur umgebracht wurde. Die Erzählung, daß auch Lukretia direkt an diesem Vorgang beteiligt gewesen sei, taucht erst im 18. Jahrh. in Zurlaubens »Kommentar zu den Rohanschen Memoiren« auf.

7) Martin von, Pädagog und Naturforscher, geb. 4. März 1727 zu Süs im Unterengadin, gest. 29. März 1772 in Marschlins, studierte in Zürich Theologie und ward 1750 Prediger der deutsch-reformierten Gemeinde in London, 1753 Prediger in Zizers; 1761 gründete er in Haldenstein mit Neefemann eine Erziehungsanstalt (Seminar), die alle fruchtbaren Gedanken der Aufklärungsperiode im Gebiete der-Erziehung zu verwirklichen suchte und einen glänzenden Aufschwung nahm. Sie wurde 1763 in das Schloß Haldenstein und 1771 nach Marschlins verlegt. P. lieferte auch mathematische und physikalische Arbeiten und erfand 1755 die Scheibenelektrisiermaschine. Vgl. Christoffel, Martin P., der Vorläufer Pestalozzis und Fellenbergs (Bern 1865); J. Keller, Das Philanthropinum in Marschlins (Gotha 1899).

8) Gaudenz von, Staatsmann, geb. 1757 in Samaden, gest. daselbst 1834, besuchte das Seminar in Haldenstein und hierauf die Universität in Wien. Heimgekehrt, trat er bald politisch hervor und machte sich durch sein sowohl überstürzten Neuerungen als zöpfischem Konservatismus abholdes, energisches Wesen bald viele Freunde und viele Feinde. In den schwierigen Zeiten, die der französischen Revolution folgten, von den drei Bünden mit wichtigen Missionen ins Feldlager Bonapartes und an das Direktorium nach Paris betraut, wurde er 1800 zum Präfekten von Rätien eingesetzt. Nachdem dann die Verhältnisse in Helvetien sich etwas abgeklärt hatten, überwand er seine anfänglichen Bedenken und wirkte eifrig für den Anschluß der drei Bünde an die Schweiz. Seine beständigen Anstrengungen, das Veltlin den drei Bünden und der Schweiz zu erhalten, blieben aber erfolglos. Als dann Bünden ein schweizerischer Kanton geworden war, bekleidete er öfters und bis in sein hohes Alter die ersten politischen Stellen desselben.

9) Peter Konradin von, schweizer. Staatsmann und Geschichtsforscher, geb. 24. Sept. 1815 auf Schloß Wildenberg zu Zernez, gest. 13. Sept. 1902 auf Canova im Domleschg, studierte in Leipzig und Heidelberg 1835–37 Rechtswissenschaft, ließ sich in seiner Heimat als Advokat nieder, gab 1842–43 in Zürich die Zeitschrift »Der Pfeil des Tellen« heraus und redigierte dann in Chur bis 1864 mehrere liberale Zeitungen. Daneben bekleidete er zahlreiche Ämter, wurde 1855 zum Präsidenten des Kantonsgerichts gewählt und war viele Jahre Mitglied der Graubündner Regierung sowie des schweizerischen National- und Ständerats. Er war Redakteur des »Strafgesetzbuches für den Kanton Graubünden« (1851) und des »Bündnerischen Zivilgesetzbuches« (1863). Später wandte er sich historischen Studien zu. Außer zahlreichen Broschüren schrieb er: »Die Wissenschaft des Staates« (Chur 1852, 2 Bde.); »Die Bündner Alpenstraßen« (St. Gallen 1866); »Das alte Rätien« (Berl. 1872); »Die Schweiz in ihrer Entwickelung zum Einheitsstaate« (Zürich 1877); »Die kurrätischen Herrschaften in der Feudalzeit« (Bern 1881); »Dramatisierte Geschichten« (das. 1885–86, 2 Tle.); »Der dreißigjährige Kampf um eine rätische Alpenbahn« (Chur 1885); »Geschichte und Dichtung« (Bern u. Basel 1889); »Geschichte von Graubünden« (2. Aufl., Bern 1894); »Andreas Rudolf v. P., ein republikanischer Staatsmann« (Zürich 1893); »Pater Theodosius, ein menschenfreundlicher Priester« (Bern 1893); »Mein Lebensgang« (Chur 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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