Stearinsäure

Stearinsäure

Stearinsäure C18H36O2 findet sich, an Glyzerin gebunden, als Stearin (s. d.) in den meisten Fetten, namentlich in den festen, aber fast immer neben Palmitin und Oleïn. Aus diesen Fetten, besonders aus Talg und Palmöl, seltener auch aus geringern Fetten, wird im großen ein Gemisch von S. und Palmitinsäure dargestellt, das unter dem Namen Stearin in den Handel kommt und hauptsächlich zur Darstellung von Kerzen benutzt wird. Stearin liefert 95,7 Proz. S., Palmitin 94,8 Proz. Palmitinsäure, Oleïn 90,3 Proz. Oleïn- oder Ölsäure. Als Nebenprodukt erhält man Glyzerin. Zur Gewinnung des Fettsäuregemisches erhitzte man das Fett ursprünglich mit Kalkmilch aus 14 Proz. gebranntem Kalk, trennte die erhaltene Kalkseife von dem glyzerinhaltigen Wasser und schied aus derselben durch Schwefelsäure die fetten Säuren ab. In verschlossenen Kesseln (Autoclaves) erreicht man unter einem Druck von 8–10 Atmosphären (bei 172°) eine ziemlich vollständige Verseifung durch Anwendung von nur 2–4 Proz. Kalk. Man erhält etwa 95 Proz. Fettsäuren (45 Proz. Stearin und 50 Proz. Oleïn) und 30 Proz. Glyzerinwasser von 5–6° Be. Die Fettsäuren werden wiederholt mit Säure und Wasser gewaschen und in Platten gegossen (Weiteres s. unten). Man kann die Fette auch mit konzentrierter Schwefelsäure zersetzen. Dabei bilden sich Fettsäureschwefelsäuren, die durch Wasser leicht wieder zersetzt werden, und ein Teil der Ölsäure wird in feste Isoölsäure verwandelt, so daß man eine größere Ausbeute erhält als bei der Kalkverseifung. Bei Anwendung von viel Schwefelsäure und hoher Temperatur färbt sich das Fett braun und ein Teil desselben wird zersetzt. Das Produkt wird mit Wasser gekocht, wiederholt mit siedendem Wasser gewaschen. getrocknet und mit überhitztem Dampf von 250–3507 destilliert. Die obengenannten Übelstände werden durch Anwendung niederer Temperatur und kurze Einwirkung der Schwefelsäure vermieden. Die Fette können auch bei einer Temperatur von ca. 300° ohne Kalk oder Schwefelsäure nur durch Wasser zersetzt werden. Man leitet Dampf von etwa 15 Atmosphären in das Fett, bis es emulgiert ist, erhitzt dann 6–7 Stunden durch eine Dampfschlange, trocknet die ausgewaschenen Fettsäuren bei 120°, behandelt sie mit 4 prozentiger konzentrierter Schwefelsäure und destilliert sie. Nach einem andern Verfahren leitet man 24 Stunden Dampf von 315° in das Fett, wobei Fettsäure und Glyzerin destillieren. Das nach den genannten Verfahren gewonnene Fettsäuregemisch wird in Blechschalen gegossen, die erkalteten Kuchen werden kalt gepreßt, wobei die Ölsäure abfließt, die viel Stearin- und Palmitinsäure gelöst enthält. Zur Gewinnung der letztern kühlt man die Ölsäure mit Eiswasser und scheidet die ausgeschiedenen festen Fettsäuren mit der Zentrifuge oder der Schlammpresse ab. Die ablaufende Ölsäure kommt als Oleïn in den Handel. Die Preßkuchen von der kalten Pressung werden warm und stärker gepreßt und schließlich mit verdünnter Schwefelsäure und Wasser gekocht.

Reine S. erhält man aus dem Fettsäuregemisch, dem Stearin des Handels, wenn man 1 Teil desselben in heißem Alkohol löst, die Lösung mit einer heißen alkoholischen Lösung von 0,25 Teilen Magnesiumacetat fällt, die gefällte stearinsäure Magnesia mit Schwefelsäure zersetzt und die abgeschiedene S. aus Alkohol umkristallisiert. Sie bildet farb- und geruchlose, silberglänzende Kristallblättchen, ist leicht löslich in Alkohol und Äther, nicht in Wasser, reagiert sauer, schmilzt unter starker Volumvergrößerung (11 Proz.) bei 69° und erstarrt schuppig-kristallinisch. Sie siedet bei 291°, ist in kleinen Quantitäten bei vorsichtigem Erhitzen destillierbar, leichter im Vakuum und mit überhitztem Wasserdampf. Von ihren Salzen sind die der Alkalien in Wasser löslich, werden aber durch viel Wasser zersetzt, indem sich unlösliche saure Salze ausscheiden und basische gelöst bleiben. In Kochsalzlösung sind auch die Alkalisalze der S. unlöslich. Die übrigen Salze sind unlöslich; erstere finden sich in der Seife, stearinsaures Blei im Bleipflaster. Beim Zusammenschmelzen von S. mit Palmitinsäure wird der Schmelzpunkt des Gemisches selbst unter den der Palmitinsäure herabgedrückt.

Ein Patent auf Darstellung von Kerzen aus S. und Palmitinsäure nahmen zuerst Gay-Lussac und Chevreul, Cambaceres 1825, doch wurden erst de Milly und Motard Begründer der Stearinindustrie, indem sie 1831 die Kalkverseifung einführten, 1834 auch die Verseifung mit wenig Kalk andeuteten und 1855 diese Methode vervollkommten. 1835–47 verarbeitete Hempel in Oranienburg nach Vorschrift von Runge Palmöl auf Fettsäuren, 1847 waren Stearinfabriken in München und Nürnberg in Betrieb. 1854 gelangten Tilghman und Melsens unabhängig voneinander zu der Zersetzung der Fette durch überhitztes Wasser, und Wright und Fouché konstruierten Apparate für diese Methode. Anfang der 1840er Jahre begründeten Jones, Wilson, Gwynne und Clark die Methode, die auf der schon 1777 von Achard beobachteten Zersetzung der Fette durch Schwefelsäure beruht. Die Reinigung und Verseifung der Fette durch Destillation hatte schon 1841 Dubrunfant vorgeschlagen, doch wurde das Verfahren erst durch Anwendung überhitzten Wasserdampfes technisch brauchbar. Vgl. Marazza, Die Stearinindustrie (deutsch bearbeitet von Mangold, Weim. 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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