Beleidigung

Beleidigung

Beleidigung (Injurie, lat. injuria, Beschimpfung, Ehrenkränkung,-Verletzung), jede vorsätzliche und rechtswidrige Willenserklärung, durch die jemand einem andern seine Geringschätzung oder Mißachtung kundgibt. Je nachdem dies durch Tätlichkeiten oder auf andre Weise (Wort, Schrift, Abbildung etc.) geschieht, pflegt man zwischen Real- und Verbalinjurien zu unterscheiden. Wichtig ist ferner der Unterschied zwischen einfacher B. und Verleumdung (verleumderischer B.), welch letztere dann vorliegt, wenn die Behauptung oder Verbreitung einer ehrenrührigen Tatsache wider besseres Wissen, also trotz des Bewußtseins ihrer Unwahrheit, erfolgte. Die einzelnen Merkmale einer B. sind folgende: 1) Die Ehre einer Person muß angegriffen sein, d. h. die Achtung, die einer Person nach ihrer Stellung im Kreise der Rechtsgenossen gebührt. Auch Körperschaften können beleidigt werden; doch kennt das deutsche Strafgesetzbuch nur einzelne hierher gehörige Fälle, so die B. von Behörden und politischen Körperschaften (§ 196, 197), von Handelsgesellschaften (§ 187, Kreditgefährdung) und die Beschimpfung von Religionsgesellschaften (§ 166). Auch Kindern und Geisteskranken gegenüber ist eine B. möglich. 2) Eine Verletzung dieser Ehre muß vorliegen; es gibt keinen strafbaren Versuch der B. Ob in der fraglichen Handlung wirklich ein Angriff auf die Ehre zu finden sei, bestimmt sich nach den Umständen des einzelnen Falles, namentlich auch nach der Lebensstellung des Beleidigers und des Beleidigten. In letzterer Beziehung erscheint es als Straferhöhungsgrund, wenn ein Beamter in seiner amtlichen Stellung beleidigt wurde (s. Amtsbeleidigung), oder wenn eine Militärperson einen Vorgesetzten beleidigte (sogen. Militärbeleidigung, s. unten). 3) Die Handlungsweise des Beleidigenden muß eine vorsätzliche sein. Aus Fahrlässigkeit kann man sich einer B. nicht schuldig machen; es gehört dazu vielmehr das Bewußtsein des ehrenkränkenden Charakters (animus injuriandi) der fraglichen Handlungsweise. 4) Die Willenserklärung muß widerrechtlich sein. In dieser Beziehung ist von Wichtigkeit der Einwand, daß die angeblich injuriöse Behauptung die Wahrheit enthalte, die Ein rede der Wahrheit (exceptio veritatis), deren Beweis zu erbringen hat, wer sich darauf beruft. Ist die Tatsache, um die es sich handelt, eine strafbare Handlung, so ist nach dem Reichsstrafgesetzbuch (§ 190) der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der angeblich Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist. Dagegen ist der Beweis der Wahrheit ausgeschlossen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung bereits rechtskräftig freigesprochen worden ist. Dazu kommt die Vorschrift § 191, wonach für den Fall, daß wegen der behaupteten strafbaren Handlung Anzeige bei der Behörde gemacht ist, das Verfahren wegen der B. bis zur Erledigung jener Untersuchungssache sistiert werden soll. Nach § 192 schließt aber der erbrachte Beweis der Wahrheit die Strafbarkeit der Handlungsweise nicht aus, wenn das Vorhandensein einer B. schon aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter denen sie geschah, hervorgeht. Diese letztere Einschränkung gilt auch für die § 193 zusammengestellten Fälle; es sollen hiernach tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ferner Äußerungen, die zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle, also z. B. auch Rügen des Lehrers den Schülern, der Eltern den Kindern, des Dienstherrn dem Dienstboten gegenüber, an und für sich straflos sein. Nach dem österreichischen Strafgesetzbuch (§ 490) ist der Wahrheitsbeweis ausgeschlossen, wenn die Beschuldigung in Druckwerken, verbreiteten Schriften oder bildlichen Darstellungen veröffentlicht wird und sich auf eine solche strafbare Handlung bezieht, die nur auf Verlangen eines Dritten verfolgt werden kann; ebenso auch dann, wenn es sich um Veröffentlichung von ehrenrührigen Tatsachen des Privat- oder Familienlebens handelt.

Das alte deutsche Recht führte eine öffentliche, an den Staat zu erlegende Strafe der B. ein, wenn es auch dem privaten Charakter dieses Delikts außerdem durch den Zwang zur Abbitte, zur Ehrenerklärung oder zum Widerruf Rechnung trug (s. Abbitte). Das Reichsstrafgesetzbuch gewährt dem Beleidigten nur insofern eine Privatgenugtuung, als ihm auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils erteilt und, wenn die B. öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen oder in einer Zeitung oder Zeitschrift erfolgte, die Befugnis zugesprochen wird, die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen, und zwar im letztgedachten Fall, wenn möglich, durch ebendieselbe Zeitung oder Zeitschrift und in demselben Teil und mit derselben Schrift, wie die B. selbst veröffentlicht worden war (§ 200). Zudem wird dem privatrechtlichen Charakter des Delikts dadurch Rechnung getragen, daß die Verfolgung nur auf Antrag eintritt (s. Antragsdelikt), welch letzterer bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zurückgenommen werden kann (§ 194). Analoge Bestimmungen enthält das österreichische Strafgesetzbuch; doch kann bei B. eines Beamten, Seelsorgers oder Militärs der Strafantrag auch vom Staatsanwalt gestellt werden. Beleidigungen eines Verstorbenen werden nach § 435 dieses Gesetzes auch auf Antrag der Verwandten verfolgt. Bei Beleidigungen gegen Ehefrauen und Kinder, die noch unter väterlicher Gewalt stehen, haben nach dem Reichsstrafgesetzbuch auch die Ehemänner und Väter (§ 195) und bei Amtsbeleidigungen die amtlichen Vorgesetzten des Beleidigten das Recht zur Stellung des Strafantrags (§ 196). Wurde eine B. gegen eine gesetzgebende Versammlung des Reiches oder eines Bundesstaates oder gegen eine sonstige politische Körperschaft begangen, so bedarf es zwar keines Antrags auf Bestrafung, wohl aber der Ermächtigung der beleidigten Körperschaft zur strafrechtlichen Verfolgung (§ 197). Nach österreichischem Recht bedarf es zur Verfolgung einer gegen die Armee oder die Flotte gerichteten B. der Zustimmung des Kriegs-, bez. des Marineministers. Der Antrag auf Bestrafung muß nach deutschem Recht binnen 3 Monaten, nach österreichischem binnen 6 Wochen von dem Tag an, seitdem der zu diesem Antrag Berechtigte von der Handlung und von der Person des Täters Kenntnis gehabt, gestellt werden. Ist bei wechselseitigen Beleidigungen von dem einen Teil Strafantrag gestellt worden, so kann der andre Teil bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz, ohne Rücksicht auf jene Frist, ebenfalls Strafantrag stellen, muß dies aber auch bei Verlust dieses Rechts bis zujenem Zeitpunkt tun (§ 198 des deutschen Reichsgesetzbuchs). Wurden Beleidigungen auf der Stelle mit solchen oder mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit erstern erwidert, so kann der Richter unter Umständen den einen Teil oder auch beide Teile für straflos erklären, indem hier eine sogen. Kompensation der Strafen eintritt (§ 199, 233).

Die verleumderische B. wird strenger geahndet als die einfache, die tätliche B. strenger als die Verbalinjurie. Eine verleumderische B. oder Verleumdung liegt nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 187) dann vor, wenn jemand wider besseres Wissen in Beziehung auf einen andern eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die ihn verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist. Hier tritt Gefängnisstrafe von einem Tag bis zu 2 Jahren ein. Die Behauptung und Verbreitung solcher Tatsachen ohne das Bewußtsein ihrer Unwahrheit wird dagegen als einfache B. bestraft, wofern nicht etwa jene Tatsachen erweislich wahr sein sollten (§ 186). Die einfache wörtliche B. (§ 185) wird mit Geldstrafe von 3–600 Mk. oder mit Hast von einem Tag bis zu 6 Wochen oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu einem Jahre, die tätliche B. mit Geldstrafe von 3–1500 Mk. oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu 2 Jahren bestraft. Als Straferhöhungsgrund erscheint es aber, wenn die B. öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist. Die Strafe besteht dann bei der einfachen B. in Geldstrafe bis zu 1500 Mk. oder Gefängnisstrafe bis zu 2 Jahren und bei der Verleumdung in Gefängnis bis zu 5 Jahren und nicht unter einem Monat. Doch kann bei der verleumderischen B., wenn mildernde Umstände vorhanden, die Strafe bis auf einen Tag Gefängnis ermäßigt, oder es kann auf Geldstrafe bis zu 900 Mk. erkannt werden. Überdies kann, wenn die Verbreitung solcher Tatsachen nachteilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringen sollte, auf Antrag des letztern neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße (s. d.) bis zum Betrag von 6000 Mk. erkannt werden (§ 188). Auch die B. eines Verstorbenen, d. h. die Beschimpfung des Andenkens eines solchen durch wissentlich unwahre Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen, die ihn bei Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet gewesen wären, wird auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten des Verstorbenen mit Gefängnis von einem Tag bis zu 6 Monaten, beim Vorhandensein mildernder Umstände mit Geldstrafe bis zu 900 Mk. bestraft. Was endlich die oben erwähnte Militärbeleidigung anbelangt, so bestraft das deutsche Militärstrafgesetzbuch die B. eines Vorgesetzten oder im Dienstrang Höhern mit Freiheitsstrafe (Gefängnis, Festungshaft, Arrest) bis zu 2 und, wenn die B. im Dienst oder in Beziehung auf eine Diensthandlung begangen ward, bis zu 3 Jahren und, wenn die B. durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen begangen ward, mit Gefängnis oder Festungshaft, bei verleumderischen Beleidigungen aber mit Gefängnis bis zu ö Jahren. Nach österreichischem Recht wird die Ehrenbeleidigung in der Regel als Übertretung mit Arrest von 1–6 Monaten, wenn sie aber durch Druckschriften begangen ward, als Vergehen mit Arrest von 6 Monaten bis zu einem Jahr bestraft. Wer jemand öffentlich oder vor mehreren Zeugen tätlich mißhandelt oder mit Schimpfworten belegt oder mit Mißhandlungen bedroht, wird mit Arrest von 3 Tagen bis zu einem Monat bestraft. – Beleidigungen fürstlicher Personen fallen, weil es sich hier nicht um einen Angriff auf die bürgerliche Ehre, sondern um eine Verletzung der Majestät handelt, nicht unter den Begriff der B. (s. Majestätsverbrechen). Die Unzulänglichkeit des derzeitigen strafrechtlichen Schutzes gegen B. ist allgemein anerkannt, insonderheit wird auf dieselbe die Unausrottbarkeit des Zweikampfes zurückgeführt. Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 185–200; Deutsches Militärstrafgesetzbuch vom 20. Juni 1872, § 89, 91, 121, 122; Eichmann, Über das Wesen der B. und der falschen Anschuldigung nach deutschem Reichsrecht (Leipz. 1896); Schneid, Die Ehrenbeleidigung mit Rücksicht auf das österreichische und gemeine deutsche Strafrecht (Graz 1864).


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