Männerhäuser

Männerhäuser

Männerhäuser (Männerbünde), eine bei vielen Völkern und auf fast allen Kulturstufen vorkommende soziale Einrichtung, laut welcher sich gewisse Altersstufen der männlichen Bevölkerung, meist die unverheirateten mannbaren jungen Männer, in besondern Häusern dauernd oder nur bei Nacht absondern. Wo feste Wohnsitze noch nicht oder überhaupt nicht bestehen, wie bei den unsteten Australiern und Tasmaniern oder manchen Kaffern, findet sich eine den Männerhäusern analoge Einrichtung gleichwohl: hier tagen und nächtigen die jungen Männer abseits an besondern Lagerstätten. Bei Völkern mit festen Siedelungen kann das Männerhaus entweder auf die männliche Jugend beschränkt sein, mit der regelmäßig wiederkehrenden Maßgabe jedoch, daß die mannbaren jungen Mädchen zur Ausübung der freien Liebe ständigen Zutritt haben, oder aber, es verkehren auch die verheirateten Männer im Männerhaus, oder aber, es haben selbst Frauen und Kinder Zutritt. Die innere Entwickelung des Männerhauses gestaltet sich dabei sehr verschieden: entweder es bleibt für die Männerwelt reserviert; dann dient es als ständiges Versammlungshaus, wo Zechgelage und Schmausereien abgehalten werden, wo gespielt und getanit, wo aber auch gearbeitet wird. Oft wird es dabei zum Wacht-, Rat-, Gemeinde- oder Gerichtshause. Wird auf die Fernhaltung des weiblichen Geschlechts weniger Gewicht gelegt, dann entwickelt sich das Männerhaus leicht zum Koch- und Brauhaus, ja selbst zum Schwitz- und Badehaus. Wo einzelne Bevölkerungsgruppen sich, durch Reichtum oder edlere Geburt verbunden, als höhere Schicht zusammenfinden, wie oft in Melanesien, entwickelt sich das Männerhaus leicht zum Klub (s. d.). Ganz allgemein dient das Männerhaus dann als Fremdenherberge.

In den Gebieten höherer Kultur finden sich heute nur noch Spuren der M. In seiner typischen Form tritt es noch bei den Malaien und deren Verwandten und Nachbarn auf, doch ist es auch in Afrika und Amerika, in Teilen Indiens und Sibiriens noch im Schwange. Noch unberührt stellt es sich in den Küstengegenden Neuguineas dar, wo es, je nach der Gegend, Rumsram, Karewari, Alól, Balebal, Asa, Dschelum, Buambrambra, Lum heißt, meist prächtig ausgeführt und ausgeschmückt ist, aber hier und da in Geister-, Schlaf- und Versammlungshaus differenziert erscheint. Noch bunter ist das Bild in Britisch-Neuguinea, wo es wahre Provinzen mit bestimmten architektonischen und sozialen Formen der M. gibt; neben dem stark entwickelten Klubwesen findet es sich dann im Bismarck Archipel, auf den Salomonen, den Neuen Hebriden und andern Gruppen Melanesiens, ganz besonders kräftig entwickelt auf den Palau (Klöbbergöll) und den Karolinen, in früherer Zeit auch auf den Marianen. In Polynesien fehlt das Männerhaus nicht, aber es ist in seiner Bedeutung von dem Marae, dem Versammlungsplatz überwuchert worden. Vielgestaltig ist das Männerhaus auch in Indonesien: rein erscheint es noch bei den Batta auf Sumatra, als Fremdenhaus in Celebes; zum riesigen Langhans, in dem der ganze Stamm wohnt, ist es in Borneo geworden; auf Java ist es verschwunden. Auf dem asiatischen Festlande sind M auf gewisse Völker von Siam, Anam, Birma und Assam, dann auf einige drawidische Bergstämme (Oraon, Bhuiyar, Maler) beschränkt; die alten Arier scheinen es bei ihrer Einwanderung ins Pandschab ebenfalls noch gehabt zu haben. Im N. findet es sich bei den Irtysch-Ostjaken und den Ureinwohnern Kamtschatkas, im W. bei den Chewsuren. In Amerika sind M. nur noch lokal vorhanden: bei den Eskimo und den Pueblo, wo sie zugleich Schwitzhaus und Tempel sind, vor allem aber bei den Bororó in Südamerika, wo das Männerhaus den Mittelpunkt des ganzen Stammeslebens ausmacht. In Afrika ist das Männerhaus vor allen im W. verbreitet; es läuft zum Teil den Klubs und Geheimbünden parallel, ist anderseits oft von dem einen oder andern überwuchert worden. Im O. findet es sich vereinzelt bei den Wapokomo, den Wabondei, Wanyamwesi und einigen Stämmen westlich vom Nilquellgebiet. In Europa endlich ist das Männerhaus heute als Überlebsel nur noch in den Rätischen Alpen vertreten; in der Vergangenheit haben es die Griechen (Lesche), zweifellos auch andre Völker gehabt. Vgl. Schurtz, Altersklassen und Männerbünde (Berl. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Männerhäuser — Das Männerhaus ist bei vielen sogenannten Naturvölkern das Gemeinschaftshaus der Männer. Es dient oft auch als Aufbewahrungsort für Kultgegenstände wie Masken oder Musikinstrumente. Andere Bedeutung In westlichen Ländern gibt es analog zu den… …   Deutsch Wikipedia

  • Männerhaus — Traditionelles Männerhaus der Batak auf Sumatra (aus Brockhaus von 1911) Das Männerhaus ist bei vielen sogenannten Naturvölkern das Gemeinschaftshaus der Männer. Es dient oft als Aufbewahrungsort für Kultgegenstände wie Masken oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Männerhaus — Mạ̈n|ner|haus 〈n. 12u; bes. bei traditionellen Völkern〉 Versammlungsstätte der Männer od. der Mitglieder des Männerbundes * * * Mạ̈n|ner|haus, das (Völkerkunde): (bei Naturvölkern) Gebäude, in dem sich die Männer zu Beratungen, religiösen… …   Universal-Lexikon

  • Eipo — Die Eipo (teilweise in der Literatur als Eipomek gelistet) sind Bewohner des Zentralgebirges im Hochtal des Eipomek (des gleichnamigen Flusses) auf West Neuguinea. Die melanesische Kultur der Eipo zählt zu den ältesten Bevölkerungen der Welt,… …   Deutsch Wikipedia

  • Yap (Bundesstaat) — Yap Flagge Geographie Staat: Mikronesien Gewässer: Pazifischer Ozean …   Deutsch Wikipedia

  • Musik Neuguineas — Die Musik Neuguineas umfasst die Musikstile der Insel Neuguinea, wie sie in seit Jahrhunderten praktizierten kultischen Ritualen und zur Unterhaltung von den verschiedenen papuanischen und austronesischen Volksgruppen praktiziert wurden, sowie… …   Deutsch Wikipedia

  • Aleuten (Volk) — Die Aleuten oder Alëuten (Eigenbezeichnung von Aleutisch allíthuh Gemeinschaft ; regionale Selbstbezeichnung auf den östlichen Aleuten auch Unangax̂, Unangan oder Unanga Küstenvolk )[1] sind die Ureinwohner der gleichnamigen, etwa 150 Inseln… …   Deutsch Wikipedia

  • Alëuten (Volk) — Die Aleuten oder Alëuten (Eigenbezeichnung von Aleutisch allíthuh Gemeinschaft ; regionale Selbstbezeichnung auf den östlichen Aleuten auch Unangax̂, Unangan oder Unanga Küstenvolk )[1] sind die Ureinwohner der gleichnamigen, etwa 150 Inseln… …   Deutsch Wikipedia

  • Asmat — Orang Asmat Die Asmat (Volk des Baumes)[1] sind eine Ethnie mit etwa 65.000 Angehörigen (Stand: 1995), die im Süden der indonesischen Insel Neuguinea in der Provinz Irian Jaya ein Gebiet von der Größe Belgiens bewohnt, das sich mit dem Lorentz… …   Deutsch Wikipedia

  • FM-YAP — Dieser Artikel beschreibt einen mikronesischen Bundesstaat. Weitere Bedeutungen von Yap sind in der Begriffsklärung Yap aufgelistet. Flagge des Bundesstaates Yap Karte des Bundesstaates …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”