Mars [2]

Mars [2]

Mars (hierzu die Karte »Mars«), der Planet, dessen Bahn zunächst die Erdbahn umschließt, und der in der Geschichte der Astronomie besonders wichtig geworden ist, weil Kepler an ihm zuerst die elliptische Gestalt der Planetenbahnen erkannt hat. Sein Zeichen ist ♂. Dem unbewaffneten Auge erscheint er intensiv rot, durch das Fernrohr betrachtet aber in mehr gelblichem Lichte. Die siderische Umlaufszeit des M. um die Sonne beträgt 686,980 Tage oder 686 Tage 23 Stunden 30 Minuten 41,4 Sekunden. Seine Bahn besitzt nach der des Merkur von allen Hauptplaneten die größte Exzentrizität, nämlich 0,09331, d. h. etwa 1/11; sie ist aber gegen die Erdbahn nur um 1°51' geneigt. Die mittlere Entfernung des M. von der Sonne ist 1,52369 Erdbahnhalbmesser = 227,78 Mill. km. Die größte und kleinste Entfernung verhalten sich wie 5: 4, indem die erstere 249, die letztere 206 Mill. km beträgt. Das Licht, das der Planet von der Sonne erhält, ist in der mittlern Entfernung nur 0,43 von dem, was die Erde von der Sonne empfängt. Zur Zeit seiner Opposition kann sich der M. der Erde bis auf 55 Mill. km nähern, in seiner obern Konjunktion sich aber auch bis auf 400 Mill. km von derselben entfernen. Daher sein wechselnder Glanz und sein veränderlicher scheinbarer Durchmesser, der, auf die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne reduziert, 9,30'' beträgt. Sein wahrer Durchmesser ist 0,528 des Erddurchmessers = 6743 km. Seine Abplattung beträgt nach H. Struve 1/190,4. Die Masse des M. beträgt nach H. Struve 1/3090000 der Sonnenmasse; seine mittlere Dichtigkeit würde danach = 0,7 der Erddichtigkeit oder viermal so groß als die Dichtigkeit des Wassers sein, und die Schwere würde auf dem M. etwa 0,38 von der auf der Erde beobachteten betragen. Die Rotationsdauer desselben bestimmten in neuester Zeit aus der Bewegung der Flecken auf seiner Oberfläche Bakhuyzen und Wislicenus übereinstimmend gleich 24 Stunden 37 Minuten 22,66 Sekunden.

Der M. ist derjenige Planet, über dessen Oberflächenbeschaffenheit wir nächst unsrer Erde am besten unterrichtet sind. Betrachtet man mit einem Fernrohr bei guter Luftbeschaffenheit den Planeten, so erkennt man eine Menge von hellen und dunkeln Flecken auf seiner Oberfläche; am auffallendsten sind zwei helle weiße, rundliche Flecken an der Grenze seiner Scheibe, die wohl ihre Gestalt verändern, sich aber im Gegensatz zu den sonst erkennbaren Flecken nicht verschieben, und von denen man daher annehmen muß, daß sie die Rotationspole des M. sehr nahe umgeben. Man bezeichnet sie als Polarkappen und nimmt an, daß sie analog wie bei den Polen unsrer Erde, aus Schnee und Eis bestehen; diese Annahme wird bestärkt durch die Abnahme der Größe dieser Flecken im Sommer und Zunahme im Winter, wie es einem Schmelzen und Gefrieren des Schnees entspricht. Die Erscheinung ist zuerst 1784 von W. Herschel wahrgenommen, genauer jedoch erst in neuerer Zeit festgestellt worden; so nahm in der zweiten Hälfte des Jahres 1892 die Ausdehnung des südlichen Polarsteckens von 2000 km bis auf 300 km ab, und 1894 verschwand er sogar vollständig, zu beiden Zeiten hatte die Südhemisphäre des M. Sommer, das Sommersolstitium fiel auf den 13. Okt. 1892 und 31. Aug. 1894. Entsprechend muß der nördliche Polarflecken dann zugenommen haben; dieses war jedoch nicht zu beobachten, da dieser Pol infolge der großen Neigung des Marsäquators gegen die Marsbahn (25°12,8') zu jener Zeit auf der der Erde abgewandten Seite des M. lag. Jedoch ist das entsprechende Schmelzen des nördlichen Schnees 1882, 1884 und 1886 beobachtet worden. Umgeben wird der südliche Polarflecken, der nicht genau mit dem Pol zusammenfällt, sondern etwa 300 km von ihm entfernt ist, von einem sehr großen dunkeln Flecken, der ungefähr ein Drittel der ganzen Oberfläche des M. einnimmt, während der nördliche Polarflecken mitten in einem Gebiet von gelblicher Farbe liegt und fast genau mit dem Nordpol zusammenfällt. Der gewöhnlichen Annahme nach bestehen die dunklern Flecken aus Wasseransammlungen, die das Sonnenlicht weniger stark reflektieren als die hellern Festlandmassen. Fig. 1 der Karte zeigt eine von Schiaparelli nach seinen Beobachtungen aus den Jahren 1877–88 gezeichnete Karte der Oberfläche des M., welche die auffallende Verteilung von Land und Wasser erkennen läßt, die im allgemeinen keine Analogie zu unsrer Erde bildet; der nördliche Polarflecken ist ganz umgeben von dem Hauptozean, entsprechend unserm Südpol, dagegen liegt die Masse der nördlichen Schneekappe ganz im Kontinent, infolgedessen entsteht im Sommer beim Schmelzen des während der zehn Monate langen Polarnacht angesammelten Schnees eine allgemeine Überschwemmung des umgebenden Kontinents bei fortwährender Abnahme des weißen Polarfleckens, wie sich dies zuletzt 1899 zeigte. Es entstehen dann in diesen Gegenden ausgedehnte Seen, auch das benachbarte Mare Acidalium wird dunkler, so daß man die hauptsächlichen Veränderungen auf der Marsoberfläche dem durch das Schmelzen des Schnees erfolgenden Abfließen von Wasser zuschreiben muß. Kleinere weiße Flecken bemerkt man auch öfters auf den Inseln, die in dem großen Mare Australe zerstreut liegen, und man dürfte diese wohl auch einem vorübergehenden Schneefall zuschreiben.

Das ganze Gebiet des Festlandes ist von einem weitverzweigten Netz von seinen dunkelfarbigen Streifen bedeckt, die im allgemeinen ziemlich geradlinig verlaufen, und die man als Kanäle, nach dem Vorgang von Schiaparelli, bezeichnet. Sie erstrecken sich von 500 km bis zu vielen Tausenden von Kilometern und nehmen zuweilen sogar ein Drittel des Umfanges des Planeten ein. Die meisten sind nur unter günstigen Verhältnissen zu erkennen, andre dagegen, soz. B. die schon vor 100 Jahren gesehene Nilosyrtis, sehr leicht. Ihre Breite beträgt 30–300 km. Jeder Kanal mündet an seinen Enden in ein Meer oder in einen andern Kanal, vorwiegend aber kommen mehrere zusammen zu einem See, so sieht man acht Kanäle im Trevium Charontis münden. Öfters erweitert sich ein Kanal beim Einmünden in ein Meer trompetenförmig und bildet eine große Bucht; die größte Bucht dieser Art, die Syrtis Major, gebildet durch die Einmündung der Nilosyrtis, hat eine Breite von 1800 km. Wenn die dunkeln Flecken auf dem M. als Wasseransammlungen angesehen werden, so wird man diese dunkeln Streifen als wirkliche Kanäle betrachten müssen, die den Zutritt des Wassers zu den gelben Kontinenten gestatten. Diese Annahme erfährt auch eine Bestätigung durch die Erscheinungen beim Schmelzen des nördlichen Polarfleckens. Die Kanäle werden alsdann viel dunkler und nehmen beträchtlich an Breite zu, so daß das ganze Festland in eine Anzahl von einzelnen Inseln zerlegt wird, und dieser Zustand hört erst auf, wenn der Schnee zu schmelzen aufhört; dann erst nimmt das Festland sein altes Aussehen wieder an. 1882 bemerkte Schiaparelli zuerst eine Verdoppelung der Kanäle, die vorzugsweise in den Monaten vor oder nach der nordischen Überschwemmung einzutreten pflegt. Infolge eines uns unerklärlichen Vorganges, der nur wenige Tage dauert, wandelt einer oder der andre Kanal sich in zwei parallel zueinander verlaufende gleichmäßige Streifen, die einen Anblick wie zwei Eisenbahnschienen gewähren. Beide Linien folgen genau der Richtung des ursprünglichen Kanals und enden dort, wo dieser aufhört. Ihr gegenseitiger Abstand beträgt 50–600 km, ihre Breite 30–100 km; ihre Farbe ist verschieden, zwischen schwarz und hellrot, ihr Zwischenraum ist meist gelblich, häufig auch weiß. Die Verdoppelung betrifft nicht alle Kanäle gleichzeitig, bei manchen tritt sie auch gar nicht ein, auch ist die Breite, Intensität, selbst Richtung der Verdoppelung bet ein und demselben Kanal in den einzelnen Oppositionen verschieden, so daß diese Verdoppelungen keine festen Bildungen auf der Marsoberfläche sein können, im Gegensatz zu den Kanälen, die immer auf derselben Stelle erscheinen und dieselbe Richtung behalten, so daß man diesen einen geographischen Charakter zuschreiben muß. Diese Verdoppelungen, die auf Fig. 2 der Karte nach den Zeichnungen von Schiaparelli angegeben sind, sind außerordentlich schwierig zu sehen, und in an begegnete daher anfangs den Angaben Schiaparellis mit Zweifel; die Beobachtungen der letzten Oppositionen haben sie jedoch vollkommen bestätigt. Eine allgemein befriedigende Erklärung dieser Verdoppelungen fehlt noch, da keine der mehrfach aufgestellten Hypothesen (optische Täuschungen, Doppelbrechungen etc.) den beobachteten Erscheinungen vollständig entspricht. Die Kanäle selbst glaubt Schiaparelli als im Laufe der Jahrhunderte ausgebildete Produkte der geologischen Entwickelung des Planeten ansehen zu müssen, ähnlich wie der Englische Kanal und der Kanal von Mosambik auf der Erde. Andre Astronomen, besonders der französische Astronom Flammarion, glauben diese Kanäle als ein zum Zwecke gleichmäßiger Wasserversorgung von intelligenten Wesen hergestelltes Kanalsystem deuten zu müssen, und um die Schwierigkeiten, die in der Annahme der Herstellung von tiefen Kanälen von 30–300 km Breite liegen, zu vermeiden, nimmt Brenner an, daß man in kleinerm oder größerm gegenseitigen Abstande parallele Dämme ausführte.

Wenn auch diese Hypothese zurzeit durch nichts eine besondere Bestätigung erfahren hat, so muß man doch zugeben, daß der M. von allen Körpern unsers Sonnensystems wohl am ersten die Bedingungen besitzt, die zur Existenz menschlicher oder menschenähnlicher Wesen erforderlich sind. Eine Atmosphäre ist auf dem M. vorhanden, wie der Polarschnee unwiderleglich beweist, auch muß sie eine ähnliche Beschaffenheit haben wie die unsrige, dabei aber sehr reich an Wasserdampf sein, wie eine Reihe von tellurischen Linien im Spektrum beweist. Es muß dann aber auch die Temperatur des Marsklimas, trotz der größern Entfernung des Planeten von der Sonne, im wesentlichen derjenigen des Erdklimas entsprechen. Die Atmosphäre ist fast beständig klar, da man fast zu jeder Zeit die Umrisse der Meere und Kontinente deutlich erkennen kann, es wird daher nur wenig oder gar nicht auf dem M. regnen, und die Kanäle werden die einzige Verbreitung von Wasser über das trockne Festland bilden. Weißliche Flecke, die man als Wolken ansehen kann, sieht man nur selten über einzelnen Inseln des Mare Australe. In den letzten Oppositionen wurden jedoch auch mehrfach Wolken über dem Festland gesehen. Dementsprechend muß das Klima des M. im wesentlichen dem eines klaren Tages auf hohen Bergen ähnlich sein. Am Tage eine sehr starke Sonnenstrahlung, die nur wenig durch Nebel oder Dunst gemildert wird, bei Nacht eine starke Ausstrahlung des Bodens und daher eine beträchtliche Abkühlung. Es werden deshalb sehr große Temperaturänderungen vom Tage zur Nacht und von einer Jahreszeit zur andern eintreten, die noch vergrößert werden durch deren lange Dauer, und diese macht auch das starke Schmelzen und Frieren des Schnees an den Polen verständlich. In den letzten Oppositionen wurden auch an der Phasenbegrenzung mehrfach kleine, sehr hell leuchkende Hervorragungen bemerkt, die man wohl als mit Schnee bedeckte Gipfel hoher Gebirgsketten ansehen kann. Die rotgelbe Färbung der Kontinente wurde früher durch die Absorption erklärt, die das von der Sonne kommende Licht beim Durchgang durch die Marsatmosphäre erleidet; Schiaparelli teilt jedoch die schon von J. Herschel ausgesprochene Ansicht, daß die das Festland bildende Materie selbst von rotgelber Farbe ist.

Die erste Zeichnung der Marsoberfläche hat Fontana (1636) ausgeführt, später haben sich besonders Huygens, W. Herschel, Schröter, Beer und Mädler, Seechi, Lockyer, Dawes, Kaiser und Lohse um die Kenntnis der Marsoberfläche verdient gemacht, ganz besonders aber in neuester Zeit Schiaparelli, dem wir die interessantesten Entdeckungen verdanken. Die letzten Oppositionen sind außerdem besonders in Amerika eifrig beobachtet worden, und für die Beobachtung der Opposition 1894 hatte der Amerikaner Lowell eine besondere Sternwarte in einer Höhe von 2300 m in Arizona errichtet und auf derselben eine große Menge von seinen Details auf der Marsoberfläche wahrgenommen. Nach seiner AnsichtMars«, Lond. 1896) sind die dunkeln Flächen, die sogen. Meere, keine Wasseransammlungen, sondern große Vegetationsgebiete, deren Färbung sich mit dem Vorrücken der Jahreszeit auf dem Planeten ändert. Auch die Kanäle selbst sollen nicht sichtbar sein, sondern nur die durch sie hervorgebrachte Vegetation. Die Verdoppelung der Kanäle kann Lowell auf diese Weise aber auch nicht erklären. Fig. 3 der Karte zeigt die Region des südlichen Polarfleckens in der Opposition 1894 nach den Beobachtungen von Brenner auf der Manora-Sternwarte in Lussin piccolo (Istrien). Zur Benennung der einzelnen Objekte auf der Marsoberfläche hat Schiaparelli meistens Namen der Geographie und Mythologie entlehnt, während Proctor eine Benennung nach Astronomen eingeführt hat.

M. hat zwei Monde, die Hall in Washington während der Opposition des Planeten 11. und 17. Aug. 1877 entdeckt hat. Ihre Abstände vom Planeten betragen 9100 und 22,700 km. Der innere, Phobos, läuft in 7 Stunden 39 Minuten 13,85 Sekunden in der Richtung von W. nach O. um den Planeten, der äußere, Deimos, in 30 Stunden 17 Minuten 54,85 Sekunden. Da der M. selbst sich in 24 Stunden 37 Minuten einmal in der Richtung von W. nach O. um seine Achse dreht, also stündlich um 14,62°, während bei den beiden Monden die wahre stündliche Bewegung in derselben Richtung 47,06° und 11,88° beträgt, so hat, vom M. aus gesehen, Phobos eine scheinbare stündliche Bewegung von 47,06 minus 14,62 = 32,44° in der Richtung von W. nach O., und er vollendet seinen scheinbaren Umlauf in dieser Richtung in 11,1 Stunden, während Deimos stündlich scheinbar um 14,62–11,88 = 2,74° nach W. geht, also seinen scheinbaren Umlauf in der Richtung von O. nach W. in 131,4 Stunden oder etwa 51/3 Marstagen vollendet. Die Monde sind so klein, daß eine exakte Messung ihrer Durchmesser nicht möglich ist (die sehr unsichern Schätzungen gehen herab bis zu 6–7 km); ihre Sichtbarkeit ist beschränkt auf die Zeiten der größten Annäherung von Erde und M. und auf die größten Instrumente. Vgl. Schiaparelli, Osservazioni astronomiche e fisiche sull' asse di rotazione e sulla topografia del pianeta Marte, Bd. 1–6 (Rom 1878–99) und Il pianeta Marte (in der Zeitschrift »Natura ed Arte«, 1892); Flammarion, La planète M. et ses conditions d'habitabilité (Par. 1892); M. W. Meyer, Die physische Beschaffenheit des Planeten M. und die Frage seiner Bewohnbarkeit (Berl. 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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