Handelsgericht

Handelsgericht

Handelsgericht, privilegirter Gerichtsstand der Kaufleute ingrößeren Handelsplätzen, aus Rechtsgelehrten u. Kaufleuten bestehend, vor welchem auf kurzem Rechtswege Handelsstreitigkeiten entschieden werden. Früher wurden die H-e von den Kaufleuten durch, aus ihrer Mitte selbst gewählte Schiedsrichter gebildet; diese führten den Namen Consuln (s.d. 4) u. meist waren deren zwei in Handelsplätzen angestellt, ein dritter erfahrener Mann wurde dann als Appellationsrichter erwählt u. entschied die Handelsstreitigkeiten, wenn eine od. beide Parteien mit der Entscheidung nicht zufrieden waren, definitiv. Jetzt bestehen die H-e meist aus einem Präsidenten, der, so wie mehrere der Beisitzer, Rechtsgelehrter sein muß, u. aus Kaufleuten, die ein auf Geschäftserfahrung gegründetes Gutachten zu geben haben, u. dem nöthigen Expeditionspersonale. Ihre Thätigkeit erstreckt steh über alle Handelsangelegenheiten, auf[942] Umsatzgeschäfte, Assecuranzen, Bodmerei, Concurssachen von Kaufleuten, Wechselsachen, Miethen von Gewölben, Dienstverhältnisse der Commis u. Lehrburschen etc., u. alle an dem Ort anwesenden u. dort für immer od. nur temporär Handel treibende Personen sind dem H-e unterworfen. Das Verfahren ist theils mündlich, theils schriftlich, überhaupt möglichst summarisch, wenn auch nicht überall öffentlich u. ist daher die Frist der Entscheidung viel kürzer als gewöhnlich, welche gar nicht od. doch nur selten verlängert werden kann. Das sogenannte Hauptverfahren fällt ganz weg, u. oft auch die Rechtsmittel, das Endurtheil u. die Hülse sind möglichst zu verkürzen. Im 11. Jahrh. soll zu Pisa das erste obrigkeitliche H. errichtet worden sein, welches seinen Ansprüchen das Pisanische Seerecht zum Grunde legte. Papst Paul III. bestätigte die Handelsconsuln in Rom, so wie Franz II. 1560 die zu Paris, woraus 1563 das H. daselbst bestand (ein Richter u. vier Consuln), u. dem bald die Errichtung der H-e in den bedeutendsten Handelsstädten Frankreichs folgte. 1447 errichtete die Hansa ein H., dessen Vorsteher den Namen Alderman führte. In England entstanden H-e unter Heinrich VII.; in Nürnberg 1621 eins, dessen Mitglieder die verordneten Marktvorsteher hießen; in Botzen 1630, in Leipzig 1682. Sogar die Reichsabschiede von 1654 u. 1668 forderten bei der anerkannten Nothwendigkeit zu Errichtung von H-en auf. Die neuesten H-e sind die nach dem Code de commerce 1808 eingerichteten französischen u. das auf diese Vorschriften basirte H., welches Hamburg 1816 eröffnete. In Frankfurt a.M. u. Leipzig bilden Abgeordnete des Stadtgerichts, u. keine für sich bestehende Behörde, das H. Vgl. Rößig, Leipziger Handelsrecht, Lpz. 1818.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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