Kanoné

Kanoné

Kanoné (fr. Canon, ital. Cannone; v. lat. Canna, Röhre), grobes Geschütz von 16–24 Kugelkaliber Länge, dessen Inneres (Seele) überall gleichweit u. also ohne Kammer ist, u. aus der meist eiserne Vollkugeln geschossen werden, nach deren Gewicht man die K. benennt. Es gibt daher 3- (jetzt nur selten), 6- (8-, 9-), 12-, 16-, 18-, 24-, 36- u. 48-pfündige K-n. Nach dem Gebrauch theilt man sie in Feld-, Festungs-, Belagerungs- u. Schiffskanonen. Das Kanonenrohr wird, wie die übrigen Geschütze, entweder aus Bronze (Kanonengut, Kanonenmetall, Stückmetall) od. aus Gußeisen u. in neuester Zeit auch aus Gußstahl angefertigt. Da die Bronze sehr zähe ist, so hat man sie bes. zu Feldgeschützen verwendet, das zwar härtere u. viel wohlfeilere, aber dabei spröde Gußeisen dagegen zu Festungs- u. Schiffsgeschützen Der Gußstahl ist zwar gegenwärtig noch sehr theuer, soll aber die Vortheile von Bronze u. Eisen in sich vereinigen. Das Schmiedeeisen hat nur eine versuchsweise Anwendung bei Herstellung von Geschützröhren gefunden. Über die Herstellung des Kanonenrohrs s. Stückgießen. Die Länge des Rohrs beträgt bei Feldgeschützen 16–18 Kaliberlängen, bei Festungs- u. Belagerungskanonen dagegen muß das Rohr so lang sein, daß es weit genug in die Schießscharten reicht, wozu bei den schwererern Kalibern 20, bei leichtern 22–24 Kaliberlängen ausreichen. Die Stärke der Wände nennt man die Metallstärke; diese ist am größten am hinteren Theile, wo die Pulverexplosion beim Schießen erfolgt, u. nimmt nach der Mündung hin allmälig ab, wodurch das Rohr seine äußere Gestalt erhält. Man theilt das Rohr äußerlich von hinten nach vorn in folgende Theile: der Boden od. Stoß verschließt das Rohr hinten, dann folgt nach vorn das Bodenstück, das Zapfenstück, das Langefeld u. endlich der Kopf od. das Mündungsstück. Diese einzelnen Stücken sind durch regierende umlaufende Bündchen (Friesen) von einander geschieden. Am Stoß u. Boden beträgt die Metallstärke bei bronzenen K-n 3/4–1 Kaliber, an dem Kopf, der von seinem Zusammenstoß mit dem Langefeld gegen die Mündung hin wieder etwas stärker wird, etwa 1/2 Kaliber. Um die Röhre in die Laffeten legen zu können, sind am Zapfenstück auf beiden Seiten cylindrische Ansätze, die Schildzapfen, angegossen, welche unmittelbar am Rohr durch die Schildzapfenscheiben eine Verstärkung haben. Die Mitte der Achse der Schildzapfen bildet den Lagerpunkt des Rohrs. Damit das Rohr auf die Richtmaschine drückt, durch welche es die Höhenrichtung erhalten soll, ist es nöthig, daß es Hintergewicht hat, d.h. der Theil vom Boden bis zum Lagerpunkte muß schwerer sein als der vom Lagerpunkte bis zur Mündung. Behufs der leichteren Handhabung des Rohrs hat dasselbe am Zapfenstück oben zwei Henkel (Delphine) in der annähernden Gestalt von halben Ringen u. am Stoß einen kugelförmigen Ansatz, die Traube, welche sich mit dem e. was schwächeren Traubenhals dem Boden anschließt. In der Neuzeit wird die Traube durch einen senkrecht stehenden Ring ersetzt. Die eisernen Rohre sind der Einfachheit des Gusses halber meist ohne Friesen u. Henkel u. haben daher, da auch ihre Metallstärke etwa 1/6 bis 1/4 größer ist als bei metallenen, eine etwas abweichende äußere Gestalt. Bezüglich der Anwendung des Gußstahls zu Geschützröhren befindet man sich noch zu sehr in der Periode der Versuche, als daß bestimmte feste Normen über Metallstärke, äußere Gestalt etc. gegeben wären. Behufs des Transportes u. des Gebrauchs der K-n werden die Röhre auf Laffeten (s.d.) gelegt, deren Einrichtung je nach dem Kaliber u. der Verwendung des Geschützes zu verschiedenen Zwecken auch verschieden ist. Abgefeuert werden die K-n entweder mit der Lunte, od. mit dem Zündlicht od. auch mittelst Percussion. Die Geschosse, welche aus K-n geschleudert werden, sind Vollkugeln, Kartätschen, Shrapnels u. bei größern Kalibern auch Granaten. Über die Ladung der K. s.u. Ladung, über Gebrauch u. Wirkung s.u. Schießen; das Geschichtliche s.u. Geschütz. Hier soll nur noch der Veränderungen gedacht werden, welchen die K. in neuerer Zeit durch eine Verschmelzung mit der Haubitze, sowie durch das Anbringen von Zügen in der Seele unterworfen worden ist. Wenn ehemals die Seele ohne Kammer neben der größeren Rohrlänge das charakteristische Unterscheidungszeichen der K. von der Haubitze war, so hat sich das in neuerer Zeit verloren, seitdem zwischen beiden Geschützgattungen eine Menge von Mittelgeschützen eingeführt worden sind, die ebensowohl in ihrer Einrichtung, als nach ihrem Gebrauch der einen wie der anderen Gattung zugezählt werden können. Alle diese Mittelgeschütze führen den Namen Granat- od. Bombenkanonen, jenen für kleinere, diesen für größere Kaliber, u. haben die Bestimmung gleich gut zum Schießen wie zum Werfen, gleich gut für Voll wie Hohlgeschosse eingerichtet zu sein, eine Bestimmung, hinter welcher freilich die Wirklichkeit nicht unwesentlich zurückbleibt. Die gezogenen Kanonenrohre, welche in neuester Zeit fast in allen Artillerien, zunächst wenigstens versuchsweise eingeführt worden sind, werden theilweise von vornen, theilweise von hinten geladen (Kammerladung), alle aber sind auf Spitzgeschosse berechnet. Am ausgedehntesten zur Anwendung gebracht sind die gezogenen K-n bis jetzt in Frankreich, dann in England mit den sogenannten Armstrongkanonen, u. in Preußen. In Frankreich wird die gezogene K., eine Erfindung des Obersten Tamisier, weil vom Kaiser Napoleon III. eingeführt, wohl auch Canon à la Napoléon genannt. Das gezogene Rohr hat sechs Züge u. ist aus gewöhnlichem Kanonenmetall gefertigt. Die Züge haben einen Drall, der auf 2 Meter eine Umdrehung beträgt. Die Ladung erfolgt von vornen; das cylindrokonische Geschoß ist von Eisen u. hat sechs kleine Ansätze von Zinn, die schachbretförmig in zwei Reihen angebracht: durch ihr Eingreifen in die Züge des Rohres den Spielraum beseitigen, u. zugleich das Mittel sind, durch welches dem Geschoß, da es der Windung der Züge beim Schuß folgen muß, die nöthige spiralförmige Drehung um seine Längenachse auf der Flugbahn ertheilt wird. Auf diese Weise soll dem Geschoß, selbst bei verhältnißmäßig geringerer Ladung, als bisher angewendet wurde, neben der erhöhten Trefffähigkeit eine größere Tragweite u. Percussionskraft verliehen sein, so zwar, daß selbst schwächere Kaliber mehr leisten, als früher die größeren. Als ein augenscheinlicher Nachtheil ist hervorzuheben, daß das Laden von vornen, da die Zinnansätze genau in die Züge eingesetzt werden müssen, namentlich im Gefecht u. Pulverdampf schwierig sein muß. Für die Feldartillerie hat man[281] in Frankreich die vierpfündige K., für die Belagerungsartillerie den Zwölfpfünder bestimmt. Die Armstrongkanone in England, so genannt nach ihrem Erfinder, einem Civilingenieur, besteht aus einem schwachen (inneren) Rohr aus Gußstahl, um das, nach Art des Damastes der Gewehrläufe, eine schmiedeeiserne Bekleidung umgeschweißt ist. Die durch diese Combination erzeugten Vortheile sind große Widerstandsfähigkeit des Rohrs gegen das Zerspringen, obgleich man das Gewicht des Rohrs bedeutend gegen früher erleichtert, u. Unempfindlichkeit der Züge gegen die Anschläge des Geschosses, daher längere Brauchbarkeit des Geschützes. Die Seele des Rohrs ist mit 40 schmalen Zügen versehen, deren Drall eine ganze Umdrehung beträgt. Das Geschoß ist von Gußeisen, ein vorn abgerundeter Cylinder, u. hat einen Bleiüberzug. Der Durchmesser dieses Geschosses beträgt etwas mehr als das Kaliber des Rohrs. Von hinten geladen, durch eine Öffnung im Bodenstück, die mittelst zweier Handheben geöffnet u. geschlossen werden kann u. deren Schlußstück durch eine starke Schraube festgehalten wird, ist das Geschoß bei dem Schusse genöthigt sich einen Weg durch das engere Rohr zu bahnen, indem es mit seinem Bleiüberzug in die Züge des Rohrs eindringt u. so den Spielraum beseitigt. Um das Entweichen von Pulvergasen zu vermeiden, ist an die vordere Fläche des Verschlußstückes eine Kupferplatte befestigt, bei der Entzündung des Schusses dehnt sich diese Platte durch die erzeugte Hitze aus u. schließt die seinen Zwischenräume des Verschlusses. Auch bei diesem Geschütz sind die Vortheile größerer Treffwirkung u. Weite, sowie ein verhältnißmäßig leichtes Gewicht des Rohrs. Jedoch wird dieses Geschütz viel theurer sein, als das nach dem französischen Muster, wo nicht nur das gewöhnliche Metall, sondern auch die bisherigen Geschütze zu den neuen K-n verwendbar sind. Ob im Übrigen der Erfolg den Voraussetzungen durchgehends entsprechen wird, muß erst noch durch künftige Erfahrungen dargethan werden. Die in England 1854 gefertigten Lancasterkanonen (s.d.), welche zwar ohne Züge waren, gleichwohl aber hierher gehören, entsprachen vor Sebastopol den gehegten Erwartungen nicht u. verschwanden daher wieder, ebenso wie die in England construirten Dampf- u. elektrischen K-n. Ein Mangel der gezogenen Rohre ist, daß man Büchsenkartätschen nicht wohl aus ihnen schießen kann, weil die Anschläge der Kartätschkugeln die Züge verderben würden. Granaten u. Shrapnels aber, wenn sie ohne Spielraum geladen werden sollen, müssen Percussionszünder erhalten, weil der gewöhnliche Zünder nicht Feuer fangen würde, u. dann würden sie nur gegen feste Zielobjecte, nicht gegen Truppen verwendet werden können. Sonach bleibt zunächst für die gezogenen K-n nur der Vollkugelschuß, dieser aber allerdings auf größere Entfernungen als bisher u. mit wesentlich größerer Sicherheit des Treffens. Noch mag hier die Doppelläufige K. erwähnt werden, welche, neustens wieder in Preußen construirt, eigentlich nur als Curiosum betrachtet werden kann. Zwei Röhre stoßen bei derselben mit den Bodenstücken zusammen, die Mündungen nach entgegengesetzten Seiten. Durch eine Maschine kann augenblicklich nach dem Schuß das zweite Rohr in die Lage des ersten gebracht werden. Als angestrebtes Ziel erscheint demnach Schnelligkeit im Schießen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Kanone — [Aufbauwortschatz (Rating 1500 3200)] Auch: • Gewehr • Schusswaffe Bsp.: • Das Schloss wurde von schweren Geschützen zerstört. • Er richtete sein Gewehr auf den Feind. • Sollte die Polizei Schusswaffen tragen? …   Deutsch Wörterbuch

  • Kanone — Französische 12 Pfünder Feldkanone von 1793, ein Vorderlader mit Bronzerohr …   Deutsch Wikipedia

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