Kuß

Kuß

Kuß, ist, als Liebeszeichen, in der menschlichen Natur selbst begründet u. gehört, besonders in der Geschlechtsliebe, nebst der Umarmung (s.d.), zu den eigenthümlichen Charakteren der Humanität, welche überhaupt sich durch Veredlung alles rein Thierischen andeutet. Wie tief aber der K. in der menschlichen Natur selbst wurzelt, ersieht man daraus, daß auch Kinder schon, so bald sie zärtlicher Gefühle fähig werden, diese durch Küssen äußern. Wie in so vielen andern, Naturtrieben, hat aber auch in diesem die Sitte ihr Übergewicht in Bestimmung menschlicher Handlungen geltend gemacht. Von den ältesten Zeiten an war die Gewohnheit der Menschen, einander auf den Mund zu küssen, auf die mannigfaltigste Weise in das conventionelle Leben verflochten, häufig zwar ein bloßes Ceremoniell, gegenseitig aber auch, bes. das Küssen von Personen verschiedenen Geschlechts, nur auf Personen, welche in der engsten Vertraulichkeit leben, beschränkt. Nächst dem Liebeskuß im Geschlechtsleben ist der Kindeskuß u. der Freundschaftskuß Befriedigung eines gefühlten Bedürfnisses, obgleich letzter schon an den Grenzen der bloßen Convention hinstreift. Ihm entspricht der Weihekuß, od. der Bruderkuß durch geistige Bande einander näher Gestellter; dahin gehört der Friedenskuß, welchen die ersten Christen zum Zeichen ihrer brüderlichen Einigkeit, od. auch bei ihren Agapen einander gaben; eben so der Versöhnungskuß, von Personen, welche vorher in Unfriede mit einander lebten. Der K. als Liebeszeichen beschränkt sich nicht allein darauf, daß Menschen unter sich dadurch ihre wohlwollenden Gefühle bethätigen, sondern Alles, was der Mensch in einem angeregten Gefühle in seinen Umgebungen lieb gewinnt, regt ihn auch zu gleichem Ausdruck seiner Empfindungen; zum Küssen desselben an. So küßt der [927] Religiöse das Crucifix, die Reliquien, das Evangelienbuch; der Liebende den Brief, das Bild, od. das Andenken der Geliebten; der von weiter Reise Heimkehrende den vaterländischen Boden etc. Der K. ist auch körperlicher Ausdruck u. symbolische Andeutung von Gefühlen, welche mit der Liebe verwandt sind; doch in eben den Graden, als diese Gefühle von Liebe abstehen, ist auch dann ein K. nur eine Abart des eigentlichen Kusses. Er ist dann eben so ein Gnadenzeichen, als gegenseitig ein Zeichen der Verehrung. Der Höhere u. Vornehmere küßt den ihm mehr od. minder entfernt Gestellten auf Stirn, Augen u. Wangen, od. bietet ihm selbst die Wangen zum K. dar. Als Ehrfurchtszeichen hat der Handkuß (s.d.) vor allen eine weite Verbreitung erhalten. Tiefe Unterwürfigkeit deutet das Küssen des Kleides, bes. auch der Fußkuß (s.d.).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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