Spannungen

Spannungen

Spannungen. In jedem Schnitte durch einen Körper kann man sich zwei Flächen zusammenhängend denken, auf deren Elemente im allgemeinen Kräfte von gleicher Größe, aber entgegengesetzten Richtungen wirken. Diese Flächenkräfte, bezogen auf die Flächeneinheit, heißen Spannungen.

Die resultierenden Spannungen oder Totalspannungen lassen sich in Komponenten normal und tangential der Fläche zerlegen (s. die Figur), welche Normalspannungen und Tangentialspannungen heißen. Die Normalspannungen suchen die im Schnitte zusammenhängenden Flächenelemente auseinander zu ziehen oder gegeneinander zu drücken und werden deshalb in Zugspannungen und Druckspannungen unterschieden, die Tangentialspannungen suchen jene Flächenelemente längs einander zu verschieben und werden deshalb auch Schubspannungen genannt. Für vollkommene Flüssigkeiten (Bd. 3, S. 111; Bd. 5, S. 544) existieren weder Zugspannungen noch Schubspannungen. Die Spannungen erweisen sich, abgesehen von gewissen Unstetigkeitsschnitten (Risse, Gelenke, Gleitflächen u.s.w.) als stetige Funktionen des Orts ihrer Flächenelemente, und zwar des augenblicklichen oder eines anfänglichen Orts. Näheres in [8], S. 32, 86; in Bd. 3, S. 389, 390, wurden allgemeine Beziehungen für dieselben gegeben. Ueber Hauptspannungen, Hauptschubspannungen s. Bd. 4, S. 790, 791, über reduzierte Hauptspannungen, Bd. 3, S. 717.

Im folgenden mögen die Spannungen als Funktionen des augenblicklichen Orts ihrer Flächenelemente gelten. Für alle einem Punkte m unendlich naheliegenden Flächenelemente ändern sich die Spannungen nur mit der Richtung n ihrer von m ausgehenden Normalen (s. die Figur), a) Spannungsellipsoid. Trägt man von einem Punkte m die Totalspannungen Rn aller m anliegenden Flächenelemente nach Größe und Richtung an, so liegen die Endpunkte der Rn auf einem Ellipsoide, für welches die Halbachsen gleich den Absolutwerten der Hauptspannungen (s.d.) und die Totalspannungen für je drei zueinander senkrechte Flächenelemente konjugierte Halbmesser sind. Bezeichnen Xn, Yn, Zn die Komponenten von Rn in den Richtungen x, y, z rechtwinkliger Koordinatenachsen parallel den Hauptspannungen A, B, C, dann ist die Gleichung des Spannungsellipsoids für den Koordinatenursprung m:

Xn2/A2 + Yn2/B2 + Zn2/C2 = 1.

1.


Sind zwei Hauptspannungen numerisch gleich, so ist das Spannungsellipsoid ein Rotationsellipsoid, dessen Rotationsachse die Richtungslinie der dritten Hauptspannung bildet. Sind alle drei Hauptspannungen numerisch gleich, dann ist das Spannungsellipsoid eine [157] Kugel. Diesen Fall hat man bei vollkommenen Flüssigkeiten. Näheres über das Spannungsellipsoid [8], S. 38, [9], S. 31, 33, andre Darstellungen des Spannungszustandes [2], [7], [9], S. 34, [14], [16]. b) Stellungsfläche. Es seien wie unter a) die Totalspannungen Rn aller Flächenelemente bei einem Punkte m von diesem aus nach Größe und Richtung angetragen. Als Stellungsfläche bezeichnet man eine Fläche von der Art, daß die Tangentialebene in jedem ihrer Punkte, welcher von der Richtung einer Totalspannung Rn getroffen wird, parallel dem durch Rn ergriffenen Flächenelement ist. Für Koordinatenachsen von m aus in den Richtungen der Hauptspannungen A, B, C ist die Gleichung dieser Fläche zweiter Ordnung um m:

x2/A + y2/B + z2/C = ± K2,

2.


worin K2 eine beliebige positive Zahl, deren Vorzeichen in 2. wie die spezielle Form der Stellungsfläche davon abhängt, ob die drei Hauptspannungen von gleichen oder verschiedenen Vorzeichen sind. Haben zwei Hauptspannungen gleichen Zahlenwert, dann ist die Stellungsfläche eine Rotationsfläche, deren Rotationsachse in die Richtungslinie der dritten Hauptspannung fällt. Sind alle drei Hauptspannungen gleich groß, so wird die Stellungsfläche eine Kugel, konzentrisch dem zur Kugel gewordenen Spannungsellipsoide (vollkommene Flüssigkeiten). Näheres über die Stellungsfläche s. [8], S. 40, [9], S. 31, 33. c). Spannungsellipse [8], S. 45. In manchen Fällen ist von vornherein bekannt oder angenommen, daß alle einer bestimmten Ebene parallelen Flächenelemente in einem Körper nur durch Normalspannungen oder überhaupt nicht beansprucht werden (bei der Biegung gerader und einfach gekrümmter Stäbe in gewöhnlichen Fällen die Flächenelemente parallel der Biegungsebene, bei Untersuchung des Erddrucks auf Stützmauern die Flächenelemente parallel dem Mauerquerschnitt u.s.w.), während allein die Spannungen auf Flächenelemente senkrecht jener Ebene interessieren. Die eine Achse des Spannungsellipsoids liegt dann senkrecht zur fraglichen Ebene und alle interessierenden Spannungen fallen in die letztere, weshalb die Untersuchung auf diese Spannungsebene beschränkt werden kann. Trägt man von einem Punkte m aus die Totalspannungen Rn aller Flächenelemente senkrecht zur Spannungsebene nach Größe und Richtung an, so liegen die Endpunkte der Rn auf einer Ellipse, für welche die Halbachsen gleich den Absolutwerten der Hauptspannungen und die Spannungen für je zwei zueinander senkrechte Flächenelemente konjugierte Halbmesser sind. (Diese Spannungsellipse stellt den Durchschnitt des Spannungsellipsoids mit der Spannungsebene dar.) Die Flächenelemente, welche durch Hauptschubspannungen (s.d.) affiziert werden, halbieren die Winkel zwischen den Achsen der Spannungsellipse. Bezeichnen Xn, Yn die Komponenten von Rn in den Richtungen x, y rechtwinkliger Koordinatenachsen parallel den Hauptspannungen A, B, dann ist die Gleichung der Spannungsellipse für den Koordinatenursprung m:

Xn2/A2 + Yn2/B2 = 1.

3.


Bei gleichen A, B ist die Spannungsellipse ein Kreis. Näheres über die Spannungsellipse s. [11], [13], III, S. 33.


Literatur: [1] Lamé, Leçons sur la théorie mathématique de l'élasticité des corps solides, Paris 1866, S. 13, 53, 60 u.s.w. – [2] Culmann, Die graphische Statik, Zürich 1866, S. 226. – [3] Winkler, Die Lehre von der Elastizität und Festigkeit, Prag 1867, S. 3, 7, 10 u.s.w. – [4] Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik, Mechanik, Leipzig 1877, S. 110, 126, 162, 370, 388 u.s.w. – [5] Klein, Theorie der Elastizität, Akustik und Optik, Leizig 1877, S. 1. – [6] Grashof, Theorie der Elastizität und Fertigkeit, Berlin 1878, S. 5, 9, 12 u.s.w. – [7] Mohr, Ueber die Darstellung des Spannungszustands und Deformationszustands eines Körperelements und über die Anwendung derselben in der Festigkeitslehre, Zivilingenieur 1882, S. 113. – [8] Weyrauch, Theorie elastischer Körper, Leipzig 1884, S. 6, 29, 32, 86, 116, 132 u.s.w. – [9] Derselbe, Aufgaben zur Theorie elastischer Körper, Leipzig 1885, A 9, 10, 15–22 u.s.w. – [10] Neumann, Vorlesungen über die Theorie der Elastizität, Leipzig 1885, S. 8, 26, 60 u.s.w. – [11] Ritter, Anwendungen der graphischen Statik, I. Die im Innern eines Balkens wirkenden Kräfte, Zürich 1888, S. 8, 31 u.s.w. – [12] Voigt, Kompendium der theoretischen Physik, Leipzig 1895, S. 233, 330 u.s.w. – [13] Foeppl, Vorlesungen über technische Mechanik, III, Leipzig 1900, S. 1, 399 u.s.w.; V, Leipzig 1907, S. 1, 259 u.s.w. – [14] Jung, Zusammenhang verschiedener Abbildungen der elastischen Spannungsverteilung, Technische Blätter 1903, S. 114. – [15] Brauer, Festigkeitslehre, Leipzig 1905, S. 13. – [16] Mohr, Abhandlungen aus dem Gebiete der technischen Mechanik, Berlin 1906, S. 187. – [17] Love, Lehrbuch der Elastizität, deutsch von Timpe, Leipzig und Berlin 1907, S. 86, 133, 147 u.s.w.

Weyrauch.

Spannungen

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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