Wollfett

Wollfett

Wollfett. Das Wollfett, wie es durch Extraktion der Schafwolle mit flüchtigen Lösungsmitteln gewonnen wird, unterscheidet sich in seiner chemischen Zusammensetzung wesentlich von den gewöhnlichen Fetten, da die in ihm enthaltenen Fettsäuren nicht an Glyzerin, sondern an Cholesterin, Isocholesterin und einwertige hochmolekulare Alkohole gebunden sind, die sich in ihren Eigenschaften, besonders in ihren Löslichkeitsverhältnissen, wesentlich von Glyzerin unterscheiden. Da die Entfettung der Wolle für die Textilindustrie meist durch Waschung mit Seife erfolgt, so enthält das aus dem Seifenwasser durch Mineralsäuren abgeschiedene Rohwollfett außer dem Fett der Wolle auch die Fettsäuren der angewandten Seife, ferner noch unzersetzte Seife, Schmutz- und Farbstoffe und häufig 40–50% Wasser.

Das rohe Wollfett ist wegen seines üblen Geruchs, der auf Capronsäure und Isovaleriansäure zurückzuführen ist, sowie seines beträchtlichen Gehalts an freien Fettsäuren und Seifen nur für wenige Verwendungszwecke unmittelbar geeignet. Da sich die im Wollfett enthaltenen Fettsäurecholesterinester nicht im offenen Siedekessel, sondern nur bei Temperaturen über 100° und erhöhtem Druck voll verseifen lassen, so ist das Wollfett auch für die Seifenfabrikation wenig geeignet; es wird aber doch öfter als Zusatzfett bei Harzfelsen und Oekonomieseifen benutzt. Um größere Verwendungsmöglichkeiten für das Wollfett zu schaffen, hat man sich vielfach bemüht, es zu veredeln. Die dahin zielenden Bestrebungen gehen nach J. Marcusson [1] hauptsächlich nach zwei Richtungen. Einerseits hat man dem Wollfett die freien Fettsäuren[666] und die Seifen entzogen, um so ein für Schmieren und für kosmetische Zwecke verwendbares Produkt zu erhalten; andererseits hat man durch Spaltung und Destillation das Wollfett derart verändert, daß die so gewonnenen Erzeugnisse für die Seifenfabrikation sich eignen. Für die Herstellung säure- und seifenfreier Wollfette ist eine ganze Reihe von Verfahren in Vorschlag gebracht, die teils von dem Rohwollfett als solchem ausgehen, teils unmittelbar von den Wollwaschwässern, wie sie durch Behandeln der Wolle mit Seifenwasser oder Alkalikarbonatlösungen erhalten werden. So werden beispielsweise die Wollwaschwässer, nachdem man die gelösten Seifen durch Salze der alkalischen Erden gefällt hat, durch Zentrifugieren in eine rahmähnliche und eine wässerige Schicht getrennt [2]. Erstere wird durch Erwärmen in wasserfreies Fett und Wasser geschieden, die Fettschicht wiederholt gewaschen und das erhaltene Rohlanolin mit siedendem Aceton extrahiert. Durch Abdestillieren der Lösung erhält man das säurefreie Wollfett, das durch Zusammenkneten mit Wasser das Lanolin bildet.

Bei der zweiten Verarbeitungsweise sucht man ein möglichst weit gespaltenes, hauptsächlich aus freien Fettsäuren bestehendes Produkt zu erzielen. Dies wird durch eine Destillation erreicht, der eine Verseifung mit trockenem Aetznatron bei höherer Temperatur und Zersetzung der zunächst gebildeten Seife vorangeht. Die Destillation erfolgt mit überhitztem Wasserdampf bei 300–350°. Aus dem destillierten Wollfett werden durch Abpressen der festen Bestandteile die Wollfettoleïne gewonnen. Sie bestehen zu 40–60% aus flüssiger Fettsäure, im übrigen aus unverseifbaren Stoffen, die äußerlich das Verhalten leichter Mineralmaschinenöle zeigen und deshalb häufig zu irrtümlichen Analysen Anlaß gegeben haben.

Das rohe Wollfett enthält 43–52% unverseifbare Bestandteile. Diese zeigen bei Zimmerwärme dicksalbige Beschaffenheit und bestehen aus höheren Alkoholen (Cholesterin, Isocholesterin, Cerylalkohol u.s.w.). Bei der Destillation mit überhitztem Wasserdampf tritt tiefgreifende Zersetzung ein. Die im Wollfett sich findenden unverseifbaren Stoffe sind nicht mehr dicksalbig sondern ölig und bestehen im wesentlichen aus Kohlenwasserstoffen.

Im rohen Wollfett kommen ferner hochmolekulare, teilweise noch wenig bekannte Wachssäuren und Oxysäuren vor, z.B. Cerotinsäure, Carnaubasäure, Lanocerinsäure und Lanopalminsäure. Sie bilden zum Teil in Benzin lösliche Kalisalze. Infolgedessen ist es nicht möglich, die Wollfettsäuren von den unverseifbaren Bestandteilen nach dem sonst üblichen, auf einer Ausschüttelung mit Benzin beruhenden Verfahren von Spitz und Hönig zu trennen; man ist vielmehr gezwungen, den Umweg über die Kalksalze einzuschlagen und mit Aceton zu extrahieren. Bei der Wasserdampf Destillation erleiden außer den höheren Alkoholen zum Teil die Säuren des Wollfettes eine Spaltung. Infolgedessen sind die im Wollfettoleïn enthaltenen Säuren nach dem Verfahren von Spitz und Hönig leicht vom Unverseifbaren zu trennen.

Indem man die bei der Wasserdampf Destillation zwischen 300 und 310° übergehenden Anteile kristallisieren und das Flüssige, das Olein, abläßt, erhält man eine weiße bis hellgelb gefärbte Masse, deren Erstarrungspunkt unter 45° liegt. Sie wird als salbenartiges Wollfettdestillat bezeichnet. Es besteht zu 16–33% aus unverseifbaren Stoffen, im übrigen aus freier Fettsäure. Das Unverseifbare kommt in seinem Verhalten dem Unverseifbaren der Wollfettoleïne nahe. Das salbenartige Destillat wird hauptsächlich als Zusatzfett bei der Seifenfabrikation verwandt, außerdem auch bei der Fabrikation konsistenter Fette. Es ist um so wertvoller, je geringer der Gehalt an Unverseifbarem ist.

Indem man die über 310° bei der Wasserdampf Destillation übergehenden Anteile gesondert auffängt, sie in Wannen langsam zum Erstarren abkühlt und dann in hydraulischen Pressen bei ungefähr 200 Atm. abpreßt, erhält man das feste Wollfettdestillat, das Wollfettstearin. Das in den Preßtüchern zurückbleibende Preßgut wird umgeschmolzen und in Formen gegossen. Es stellt eine dunkelgelbe, über 45° schmelzende Masse von wollfettartigem Geruch dar. Es besteht aus wechselnden Mengen öliger, mit paraffinartigen Ausscheidungen durchsetzter unverseifbarer Anteile und Fettsäuren, unter denen die selten weitaus überwiegen.

Das Wollfettstearin findet Verwendung in der Leder- und Treibriemenfabrikation, zum Imprägnieren von wasserdichten Stoffen und Packpapieren, zur Herstellung von Schlichtmassen für Webereizwecke, in der Sprengstoffabrikation zum Einfetten der Hülsen u.s.w. Zur Kerzenfabrikation ist es nicht zu gebrauchen, nicht einmal als Zusatzfett, da die damit hergestellten Kerzen infolge des beträchtlichen Gehalts an öligen, ungesättigten Kohlenwasserstoffen beim Brennen stark blaken, riechen und auseinanderlaufen würden.

Da beim Destillieren des Wollfettes die Alkohole fast vollständig in Kohlenwasserstoffe übergeführt werden, die das Material für die Seifenfabrikation und auch andere Zwecke minderwertig machen, hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Destillation so zu leiten, daß diese Spaltungen tunlichst vermieden werden. Nach einer Patentanmeldung von Severin Morgenstern [3] soll dies dadurch vermieden werden, daß zunächst das Wollfett bis auf etwa 15% durch Alkali gespalten und dann mit überhitztem Dampf unter Zuhilfenahme des Vakuums destilliert wird. Die Produkte kommen unter der Bezeichnung Aliphole (Alkohole) und Kernweiß (Fettsäuren) in den Handel. – S.a. Kernweiß.


Literatur: [1] Seifenfabrikant 1915, S. 693 u. 714. – [2] D.R.P. Nr. 22516 u. Nr. 38444. – [3] D.R.P. Nr. 278741.

Deite.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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