Buchdruckerkunst

Buchdruckerkunst

Buchdruckerkunst (Typographie), umfaßt 1. das Setzen, d.i. die Herstellung einer Druckform durch Zusammenfügen einzelner Lettern, Linien, Zierstücke u.s.w. und 2. das Drucken solcher Sätze und der durch Stereotypie, Galvanoplastik, Aetzung, Holzschnitt und ähnliche Verfahren gewonnenen Hochdruckformen.

Im modernen Betriebe ist meist strenge Arbeitsteilung und örtliche Trennung der beiden Zweige durchgeführt. Man beschäftigt Setzer, je als Werk-, Zeitungs-, Maschinen-, Tabellen- oder Akzidenzsetzer spezialisiert, ferner Korrektoren und namentlich bei Zeitungen Metteurs-en-pages, die das Bilden der Seiten aus dem von den Setzern übernommenen Paketsatz besorgen (Mise-en-pages); im Maschinensaale Drucker an den Hand- oder Tiegeldruckpressen, Maschinenmeister für Zylinderflachdruck- und Rotationsmaschinen (s. Buchdruckmaschinen); sogenannte Schweizerdegen, die setzen und drucken, sind selten. Die Abteilungsleiter heißen Faktore. Die den Handsatz ersetzenden Setzmaschinen (s.d.) finden nur bei glattem Werk- und Zeitungssatz Verwendung. Die Setzerei soll in einem luftigen, lichten, mit fugenlosem Boden ausgestatteten Räume untergebracht sein. In Gassen reihenförmig aufgestellt sind die Setzregale, in diesen eingeschoben befinden sich die Schriftkästen, d. s. Schubladen mit für die verschiedenen Schriftarten, Musiknoten, Linien u.s.w. wechselnder eigenartiger Facheinteilung. Wo es angeht, trägt letztere dem häufigeren Bedarfe mancher Buchstaben Rechnung, so daß diese in größeren Mengen und möglichst nahe erreichbar untergebracht sind. Naturgemäß muß das gesamte zur Form nötige Material, das aus den mannigfachsten für glatten Werk- und Zeitungssatz bestimmten Brotschriften, den Zierschriften (s. Schriftarten) für Akzidenzen, Zeichen, Einfassungen, Raumfüllungen u. dergl. besteht, nach einer einheitlichen Skala genau dimensioniert sein. Dem u.a. in Deutschland und Oesterreich-Ungarn bei Neueinrichtungen fall ausschließlich angewendeten, von Berthold auf der Basis des Meters überarbeiteten System Didot liegt die Rechnung 1 Meter = 2660 typographischen Punkten zugrunde. Die deutsche Normalschrifthöhe beträgt 62,7 typographische Punkte. Die verschiedenen Schriftgrößen werden Grade genannt und haben spezielle Bezeichnungen, die sich eben nach ihrer Kegelstärke, d.i. die längs den Seiten der Bildhöhe gemessene Dimension des Letternklötzchens, richten. 3 Punkte = Brillant, 4 Punkte = Diamant, 5 Punkte = Perl, 6 Punkte = Nonpareille, 7 Punkte = Kolonel, 8 Punkte = Petit (daher 1 Punkt = 1/8 Petit, 2 Punkte = 1/4 Petit), 9 Punkte = Bourgeois oder Borgis, 10 Punkte = Garmond, 12 Punkte = Cicero, 14 Punkte = Mittel, 16 Punkte = Tertia, 20 Punkte = Text, 24 Punkte = Doppelcicero, 28 Punkte = Doppelmittel, 36 Punkte = Kanon, 48 Punkte = Missal = 1 Konkordanz. Zur Ausfüllung der weißen Räume dient das niedriger gehaltene Blindmaterial, bestehend aus den in der Zeile selbst verwendeten Ausschließungen (Quadraten, Gevierten, Spatien u.s.w.), den zum Durchschießen der Zeilen, wenn sie nicht knapp, kompreß aufeinander folgen sollen, benutzten Regletten und Durchschuß, endlich den an die Stelle größerer leerer Räume kommenden Stegen. Beim Setzen entnimmt der Setzer mit der rechten Hand dem auf[380] dem Regalaufsatze schräg liegenden Schriftkasten, auf welchem mittels einer Gabel (Divisorium) an einem festgeschraubten aufrechten Stab (Tenakel) die abzusetzende Vorlage (Manuskript) befestigt ist, die Lettern, wobei die an diesen angebrachten Einkerbungen (Signaturen) das lagerichtige Ergreifen erleichtern, und führt sie dem von der linken Hand gehaltenen, auf Zeilenbreite (Format) eingestellten eisernen Kästchen, dem Winkelhaken zu. Bleibt am Schlusse der Zeile ein kleiner Raum, muß durch Vergrößern (Ausbringen) der Wortzwischenräume, sind noch einige Lettern unterzubringen, durch Verkleinern (Einbringen) die Zeile genau auf die gegebene Breite ausgeschlossen werden. Um die nächste Reihe glatt setzen zu können, gelangt die schrifthohe, dünne, zeilenbreite Setzlinie stets über die bereits zusammengefügte Zeile. Sie wird auch, wenn der Winkelhaken voll ist, zum Ausheben des Satzes auf das Schiff benutzt, dem auf zwei oder drei Seiten mit einem Rande, oft auch mit einem ausziehbaren Zwischenboden (Zunge) versehenen Blech. Wird bei fortlaufendem Werk- und Zeitungssatz in Spalten gesetzt, so werden diese in der Abzieh- oder Handpresse abgezogen oder mit der Bürste abgeklopft, d.h. man macht zur Vornahme der Haus- oder Autorkorrektur einen rohen Abdruck (Fahne). Sind die mittels bestimmter Zeichen angemerkten Aenderungen mit Hilfe von Pinzette und Ahle vorgenommen, schreitet man an das Umbrechen, nämlich das Bilden der Seiten. Oder der Setzer justiert gleich durch Einfügen des Kolumnentitels, der ein toter genannt wird, wenn er nur die Seitenzahl, ein lebender, wenn er eine weitere Bezeichnung enthält, dann des Durchschusses u.s.w. den Satz zur fertigen Kolumne. Durch Umwickeln mit einer Schnur (Ausbinden) oder mittels zu Rahmen fügbarer Stege erhält der Satz Sicherung, um während seiner Aufbewahrung auf den Setzbrettern im Gefüge zu bleiben; durcheinander geworfene Buchstaben heißen »Zwiebelfische«, in falsche Fächer geratene »Fische«. Bedingt schon glatter Satz große Handfertigkeit, so stellt der Akzidenzsatz an den Arbeiter bezüglich Genauigkeit und Geschmack besondere Anforderungen. Ist der Satz druckreif, der Abzug mit dem »Imprimatur« versehen, gelangt er zum Stereotypieren oder in richtiger, den Bogenfalz berücksichtigender Kolumnenstellung ausgeschossen in den Maschinensaal. Der Drucker oder Maschinenmeister schießt ihn auf die eiserne Schließplatte, unter Umständen direkt auf das Fundament (Formträger) der Maschine, legt den geschmiedeten Schließrahmen auf, entfernt die Kolumnenschnüre, füllt nach gewissen Regeln die den Papierrändern entsprechenden freien Stellen (je nach ihrer Lage Kapital-, Mittel-, Kreuz-, Bund-, Schneidsteg genannt) mit Blindmaterial aus (Formatmachen), ebenso die übrigen Räume. Sodann verklopft man den Satz mit Holz und Hammer, damit nicht einzelne Buchstaben höher stehen, und durch Anziehen des zwischen Form und Rahmen eingeschobenen Schließzeuges (gezahnte Rollen über gezahnte Stege laufend, Keile, die gegeneinander getrieben werden, u. dgl. m.) wird eine völlige Festlegung der nunmehr geschlossenen Form bewirkt. Sie wird jetzt in die Maschine (s. Buchdruckmaschinen) gehoben, de Druckstärke reguliert, Druckplatte oder Zylinder mit Papier oder Stoff oder beidem zusammen (Aufzug) bekleidet und Abdrücke gemacht. Während nochmals auf Fehler revidiert wird, beginnt das Zurichten, nämlich die Druckverstärkung oder Schwächung einzelner unkorrekt druckender Stellen durch Ausschneiden aus dem Aufzuge resp. durch Aufkleben seiner Papierblättchen, welche Manipulation von großer Wichtigkeit ist ( s.a. Illustrationszurichtung). Ist der Farbezufluß reguliert, beginnt der Auflagendruck, während welchem auf stets gleichbleibende Färbung, ferner darauf zu sehen ist, daß sich nicht ein dubliertes Drucken (Schmitz) oder Spieße, d.i. in die Höhe gestiegenes und infolgedessen mitdruckendes Blindmaterial, einstellen u.s.w. Als Waschmittel während des Druckes dienen flüchtige Mittel (Benzin, Petroleumsprit), um sofort weiter drucken zu können. Das Bedrucken der ersten Bogenseite wird Schöndruck, das der zweiten Widerdruck genannt; beide müssen in der Durchsicht genau aufeinander passen (Register halten). Das früher fast durchaus geübte Feuchten des Papiers, um es weicher und farbeempfänglicher zu machen, wird heute beim Buchdruck mit wenigen Ausnahmen (Zeitungsdruck z.B.) unterlassen, bei den vielbenutzten gestrichenen Papieren (s. Farbendruck) ist es überhaupt untunlich. Dagegen wird das mitunter auf der Rückseite beim Drucke entstehende Relief (Schattierung) häufig in der Spindel- oder hydraulischen Presse geglättet. Ist der Druck beendet, werden die Kolumnen wieder ausgebunden, mit gelöster kaustischer Soda gewaschen und mit Wasser abgespült. Sodann gelangt der Satz zurück in die Setzerei entweder zum Aufräumen, wobei Stege und Durchschuß entfernt, die Zeilen kompreß zusammengeschoben und ausgebunden aufbewahrt werden, oder zum Ablegen, in welchem Falle der Setzer eine Anzahl Zeilen auf der Setzlinie in die linke Hand nimmt (Griff), während er mit der Rechten einige Worte abhebt und, geschickt einen Buchstaben nach dem andern lösend, diese in ihre Fächer fallen läßt.

Zahlreiche Druckereien besitzen auch ihre eigne Stereotypie, die beim Rotationsmaschinenbetrieb unentbehrlich ist, ferner eine Hausbuchbinderei. Dagegen sind, mit geringen Ausnahmen, die Schriftgießerei, die Druckfarben-, Firnis- und Walzenmassefabrikation heute durchaus selbständige Betriebe, wozu die enorme Steigerung der an die hier in Betracht kommenden Hilfsmittel gestellten Anforderungen allmählich geführt hat.


Literatur: Franke, Handbuch der Buchdruckerkunst, Weimar 1857; Waldow, Die Buchdruckerkunst, Leipzig 1876; Faulmann, Handbuch der Buchdruckerkunst, Wien 1884; Waldow, Encyklopädie der graph. Künste, Leipzig 1884; Marahrens, Vollständiges Handbuch der Typographie, Kiel 1891; Fischer, Anleitung zum Akzidenzsatz, Leipzig 1893; Krüger, Die Technik der bunten Akzidenz, Berlin 1900; Weber, Katechismus der Buchdruckerkunst, Leipzig 1901; Hellwig, Der Satz fremder Sprachen, Frankfurt a.M. 1901; Goebel, Die graph. Künste der Gegenwart,[381] Stuttgart 1895, neue Folge ebend. 1902; Mac Kellar, The American printer, Philadelphia 1878; Southward, Practical Printing, London 1899; De Vinne, The Practice of Typography, New York 1900; Southward, Modern Printing, 4 Bde., London 1898–1900; Leclerc, Nouveau manuel complet de typographie, Paris 1897.

A.W. Unger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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