Nationalsozialistisches Frauenbild

Nationalsozialistisches Frauenbild
Mutter mit zwei Mädchen und einem Jungen in HJ-Uniform, aus: SS-Leitheft 9/2 Februar 1943

Das Frauenbild während der Zeit des Nationalsozialismus war von einer völkisch-nationalistischen Ideologie geprägt und betonte die Rolle als Mutter. Beeinflusst wurde das Idealbild durch andere Grundzüge nationalsozialistischer Ideologien wie die Lebensraumpolitik.

Die ideale Frau sollte sich neben ihrer selbstverständlich arischen Abstammung durch Charaktereigenschaften wie Treue, Pflichterfüllung, Opferbereitschaft, Leidensfähigkeit und Selbstlosigkeit auszeichnen. Sie sollte zum Wohle der „Volksgemeinschaft“ vor allem als Mutter ihre Pflicht erfüllen. In allen anderen Fragen wurde ihr nur ein sehr begrenztes Mitspracherecht eingeräumt. Entscheidungen zu treffen sollte den Männern vorbehalten bleiben.

Inhaltsverzeichnis

Zielkonflikte zwischen ideologischem Anspruch und Realität

Zwischen der offiziösen Ideologie und propagandistischen Vorgaben und der tatsächlichen Rolle der Kategorie Geschlecht im Nationalsozialismus ergaben sich erhebliche Unterschiede und Zielkonflikte. Diese sind vor dem ethnischen, religiösen, politischen und ökonomischen Hintergrund der betroffenen Frauen zu sehen, die das jeweilige Erleben sehr unterschiedlich gestaltete. Frauen hatten in der Weimarer Republik mehrheitlich konservativ und gerade in den Jahren 1930-32 zunehmend die NSDAP gewählt, auch weil sie deren emanzipatorische Bestrebungen mehrheitlich ablehnten[1]. Hans-Ulrich Wehler unterscheidet ein weitgehendes Ignorieren der Rolle von Frauen in der älteren Zeitgeschichte und eine radikalfeministische Betrachtung des Nationalsozialismus als "Frauenhölle" mit Beginn der 70er Jahre[2]. Vor dem Hintergrund einer Unterscheidung nach der historischen Modernisierungstheorie sieht er einen offiziellen Amntifeminismus und eine indirekte Emanzipationsförderung. So wurden die anfänglichen Diskriminierungsmaßnahmen und Einschränkungen der Berufstätigkeit von Frauen aufgrund des Arbeitskräftemangels Mitte und Ende der 30er Jahre zunehmend aufgeweicht[3].

Eine besonderer Zielkonflikt wird im Bereich der Landwirtschaft gesehen[4]. Bäuerinnen und Landfrauen waren hier traditionell als "Arbeitskameradin" wie als "Betriebsleiterin" in die Erwerbsarbeit eingebunden und gleichzeitig besonderen Ansprüchen der NS Blut und Boden Ideologie an ihre Rolle als Mutter vieler „erbgesunder“ und „rassenreiner“ Kinder unterworfen[5]. Im Rahmen des Pflichtjahres ab 1937 und des für Frauen vorgeschriebenen Pflichtjahres als sogenannte „Arbeitsmaiden“ im Reichsarbeitsdienst wurde junge Frauen als hart beanspruchte Arbeitskräfte vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt[6]. Die Geburtenraten stiegen auf dem Land langsamer an als in den Städten[7].

Ein biographischer Roman über Carmen Mory, Frau im Pelz beschreibt unterschiedlichste Frauenbilder und -Rollen im Dritten Reich. Carmen Mory, eine schweizer Journalistin und Agentin, war in Berlin 1934 glamorös aufgetreten, hatte sich einzelnen Nazigrößen angebiedert und war als Gestapoagentin angeworben worden. In Paris horchte sie deutsche Emigranten aus und entkam nach der Enttarnung knapp einem Todesurteil durch die französischen Behörden. Nach Begnadigung und Rückkehr nach Deutschland wurde sie von der Gestapo als Doppelagentin verhaftet und anschließend im KZ Ravensbrück zur gefürchtesten Blockältesten. Mory beginn nach dem Krieg in alliierter Haft Selbstmord [8]

Frauen in der NSDAP

Die NSDAP verstand sich in erster Linie als „Männerpartei“, entsprechend martialisch war die Wahl ihrer Symbolik und ihres Auftretens. Die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk waren die einzigen zugelassenen Frauenorganisationen im „Dritten Reich“. Deren Führerin und damit ranghöchste Frau im Nationalsozialismus war Gertrud Scholtz-Klink. Nachwuchsorganisation war der Bund Deutscher Mädel.

Ideologie und Programmatik

Joseph Goebbels eröffnet am Kaiserdamm die Ausstellung »Die Frau, Frauenleben und -wirken in Familie, Haus und Beruf« am 18. März 1933

Die soziale Rolle der Frau wurde auf ihre Mutterrolle und Garant für „stählerne, kampfbereite” Nachkommen, reduziert. Sie sollte die „Quelle der Nation“, „Hüterin der Kraft und der ewigen Größe der Nation“ und „Wegbereiterin des Sieges“ sein. Eine wesentliche Funktion der Frau sahen die nationalsozialistischen Ideologen in der Bewahrerin und Weitergabe „hochwertigenErbguts.

Nach dem nationalsozialistischen Ideal sollte die Frau sich im Gegensatz zu den emanzipatorischen Entwicklungen in der Weimarer Republik wieder vermehrt dem Manne unterordnen. Gesetze schränkten Berufs- und Bildungschancen der Frauen deutlich ein. Der Muttertag und die Stiftung des Mutterkreuzes wurden 1938 institutionalisiert, „um die Rolle und Wertigkeit der Frau zu untermauern“.

Die Emanzipation wurde als Erfindung des „jüdischen Intellekts“ bezeichnet,die die vorbestimmte Geschlechterordnung zerstöre. Hitler sagte auf dem Reichsparteitag der NSDAP am 8. September 1934 in Nürnberg: „das Wort von der Frauenemanzipation ist ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort. Wir empfinden es nicht als richtig, wenn das Weib in die Welt des Mannes eindringt, sondern wir empfinden es als natürlich, wenn diese beiden Welten geschieden bleiben.

Joseph Goebbels fasste die Programmatik der NS-Frauenpolitik wie folgt zusammen: „Den ersten, besten und ihr gemäßesten Platz hat die Frau in der Familie und die wunderbarste Aufgabe, die sie erfüllen kann, ist die, ihrem Volk Kinder zu schenken.

Politische Maßnahmen

Zunächst wurden Frauen unter dem Vorwand des „Doppelverdienertums“ aus dem Arbeitsleben gedrängt. So wurden 1933 Ehestandsdarlehen an die Ehemänner ausgezahlt – mit der Bedingung, dass die zukünftige Ehefrau vor der Eheschließung berufstätig war und den Beruf aufgab. Die Abzahlung des Kredites verringerte sich um ein Viertel pro Geburt eines Kindes. Staatlich veranschlagtes Soll waren somit vier Kinder. Frauen wurden beruflich heruntergestuft: im Schuldienst wurden Schulleiterinnen und Gymnasiallehrerinnen der höheren Schuljahre zunehmend durch männliche Lehrer ersetzt; an Knabenschulen unterrichteten ausschließlich Männer.[9] Seit 1936 galt jedoch durch den Arbeitskräftemangel insbesondere in der Rüstungsindustrie Frauenarbeit als „unentbehrlicher Faktor“. So stieg zwischen 1935 und 1939 der Anteil weiblicher Beschäftigter von 32,8 auf 39 Prozent. 1938 wurde die Regelung, nach der Frauen im Zuge der sogenannten Doppelverdiener-Kampagne bei Eheschließung aus dem Staatsdienst ausscheiden mussten, in eine Kann-Regelung umgewandelt.[9]

Schulabgängerinnen leisteten 1939 ein obligatorisches Pflichtjahr in der Landwirtschaft und in kinderreichen Familien. Abtreibungen bei „erbgesunden deutschen Frauen“ waren nicht erwünscht. War hingegen eine „rassisch minderwertige Frau“ schwanger, wurde sie oft zur Abtreibung gedrängt. Wohlfahrtsstaatliche Stabilisierung der Familien, die Kinder wünschten, wurde eingeführt. Steuern für Kinderlose wurden erhöht, weiterer Anreize waren die staatliche Kinderbeihilfe von zehn Reichsmark ab 1936.

Am 21. Mai 1939 wurde erstmals das Mutterkreuz verliehen. Am Muttertag erhalten Frauen mit „überdurchschnittlicher Gebärleistung“ erstmals das Ehrenkreuz der deutschen Mutter. Für vier Kinder Bronze, ab sechs Kindern Silber und für acht und mehr Kinder das Ehrenkreuz in Gold. Dennoch entfallen 1939 auf eine Durchschnittsehe 1,3 Kinder.

Juristische Stellung

Im Bürgerlichen Gesetzbuch war bereits seit 1900 der so genannte Gehorsamsparagraph §1354 verankert, der das Entscheidungsrecht in Eheangelegenheiten dem Mann zusprach. Mit dem Machtantritt Adolf Hitlers wurden einige Errungenschaften wieder rückgängig gemacht. Während Männer ab dem 27. Lebensjahr auf Lebenszeit verbeamtet werden konnten, war für Frauen dazu ein Lebensalter von 35 vorgeschrieben.[10]

Zitate

  • Die Welt der Frau [sei] die Familie, ihr Mann, ihre Kinder, ihr Heim“ (Hitler, München 1936)
  • Die unvermeidliche Folge des weiblichen Massenstudiums und des Eindringens der Frau in alle männlichen Berufe sind Blaustrumpfkultur und Frauenherrschaft. ...“ und
  • Welche Tragik wäre es, wenn das deutsche Volk, das männlichste Volk der Welt, das Volk der Dichter und Denker, der Pionier des kulturellen und technischen Fortschritts mit seiner mehr als tausendjährigen Kultur dem Feminismus anheim fiele und durch diese Volksentartung zugrunde ginge!...“ (Josef Rompel: „Die Frau im Lebensraume des Mannes, Emancipation und Staatswohl“, Darmstadt 1932, S. 6 und S, 43)
  • Als erreichbares Ziel muss jedoch abgesteckt werden: Die Mutter soll ganz ihren Kindern und der Familie, die Frau sich dem Manne widmen können und das unverheiratete Mädchen soll nur auf solche Berufe angewiesen sein, die der weiblichen Wesensart entsprechen. Im übrigen soll jede Berufstätigkeit dem Manne überlassen bleiben.“ (Rudolf Frick, in Völkischer Beobachter vom 12. Juni 1934)

Siehe auch

Literatur

  • Rita Thalmann: Frausein im Dritten Reich, Ullstein-Verlag, 1987 ISBN 3548330819 (Originalausgabe 1984 im Carl-Hanser-Verlag ISBN 3446135790)
  • Dorothee Klinksiek: Die Frau im NS-Staat, Dt. Verlagsanstalt, Stuttgart, 1984, ISBN 3421061009
  • Massimiliano Livi: Gertrud Scholtz-Klink. Die Reichsfrauenführerin. Lit-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-8376-0.
  • Kathrin Kompisch: Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus, Böhlau Verlag, Köln, 2008, ISBN 978-3-412-20188-3.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Koonz, Claudia. Mütter im Vaterland, Reinbek bei Hamburg 1994
  2. Deutsche Gesellschaftsgeschichte: Bd. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, von Hans Ulrich Wehler, bei C.H.Beck, 2003 ISBN 3406322646
  3. vgl. Münkel 1996, S. 427
  4. Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, von Daniela Münkel, Campus Verlag, 1996, ISBN 3593356023
  5. vgl. Münkel 1996, S. 427
  6. Deutsche Gesellschaftsgeschichte, von Hans Ulrich Wehler, a.a.O., S. 755 ff
  7. vgl. Münkel 1996, S. 444
  8. Lukas Hartmann: Frau im Pelz. Leben und Tod der Carmen Mory. Roman. Nagel & Kimche, Zürich 1999, ISBN 3-312-00250-8
  9. a b Christiane Wilke: Forschen, Lehren, Aufbegehren – 100 Jahre akademische Bildung von Frauen in Bayern. Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der bayerischen Hochschulen, 2003. Abgerufen am 14. April 2008. Herbert Utz Verlag GmbH, München, ISBN 3-8316-0273-5. S. 103
  10. § 1a im Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1933

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