Natürliches Monopol

Natürliches Monopol

Als natürliches Monopol wird in der Mikroökonomie eine Situation bezeichnet, in der sich aufgrund hoher Fixkosten und niedriger Grenzkosten[1] besonders ausgeprägte steigende Skalenerträge ergeben (Subadditivität).[2] In diesem Fall sind also die Gesamtkosten zur Bereitstellung eines Gutes deutlich niedriger, wenn nur ein Unternehmen und nicht mehrere konkurrierende Unternehmen den Markt versorgt.[3][4]

In der Theorie werden vor allem öffentliche Versorgungsunternehmen, bei denen sehr hohen Fixkosten für den Aufbau eines Netzes (z. B. Telefon-, Post-, Energie- und Wasserversorgungsnetze) vergleichsweise geringe Betriebskosten gegenüberstehen, als Beispiel für natürliche Monopole genannt.[5]

Das natürliche Monopol ist vom künstlichen Monopol, Kartellen und dem rechtlichen Monopol abzugrenzen.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen des Modells

Wirtschaftstheoretische Fundierung

Der Begriff natürliches Monopol ist in der Volkswirtschaftslehre nicht einheitlich definiert. Häufig wird jede Marktkonstellation, in welcher ein einziges Wirtschaftssubjekt ein Gut zu niedrigeren Kosten produzieren kann als zwei oder mehr Wirtschaftssubjekte, als natürliches Monopol bezeichnet. „Es wurde bereits oben erwähnt, dass es Märkte geben kann, in denen auf Dauer nur ein Anbieter überleben wird. Solche natürlichen Monopole sind durch bestimmte Kostenstrukturen gekennzeichnet, die man unter Subadditivität zusammenfasst. Darunter versteht man, dass jede Angebotsmenge durch ein einziges Unternehmen kostengünstiger produziert werden kann als durch mehrere Unternehmen.“[6][7]

Dies ist genau dann der Fall, wenn über dem gesamten betrachteten Outputbereich strikte Subadditivität in den Kosten besteht, also ein Unternehmen die gesamte Gütermenge zu günstigeren Kosten produzieren kann als mehrere kleinere Unternehmen, die in Summe die geforderte Menge produzieren. Formal wird dies ausgedrückt durch: K(x) < K(x1) + K(x2) + ... + K(xn), wobei K die Kosten zur Produktion der Mengen x1 + x2 + ... + xn = x sind, die n Anbieter produzieren würden; diese Teilmengen ergeben in Summe die Gesamtmenge x.

Dies trifft jedoch für sehr viele Marktkonstellationen zu, insbesondere auch auf die meisten engen Oligopole. Selbst geringe Fixkosten, verbunden mit unter Umständen hohen aber konstanten Grenzkosten, führen zu monoton fallenden Stückkosten, was jedoch in der Regel nicht, oder zumindest nicht notwendigerweise, zu einer Monopolstellung des Unternehmens führt.

In einer Situation eines perfekt informierten (sozialen) Planers würde im Falle subadditiver Kosten eine Monopolstellung vorgezogen. In einer realen Welt unvollkommener Information und unvollkommener Regulierungsmöglichkeit muss hingegen zwischen den Vorteilen von Wettbewerb auf der einen Seite und den Kostennachteilen durch das Vorhandensein mehrerer Unternehmen auf der anderen Seite abgewogen werden.

Der Begriff sollte deshalb enger gefasst werden. Die unumstrittene (engste) Definition lautet: Ein natürliches Monopol liegt immer dann vor, wenn nur ein Unternehmen den Markt kostendeckend bedienen kann.

Selbst wenn zwei Unternehmen den Markt kostendeckend bedienen könnten, kann es aber volkswirtschaftlich sinnvoll sein, eine Monopolstellung zu unterstützen, wenn die vermiedenen Kosten den Vorteil der Konkurrenz mehr als kompensieren.

Anwendungsbereich

Natürliche Monopole basieren in erster Linie auf leitungsbezogenen Versorgungsnetzen, wie z. B. Stromleitungen, Schienenwegen, Straßen, Flugplätzen oder Telekommunikationskabeln. Dies betrifft Güter, die in ihrer Leistungserbringung auf eine entsprechende Infrastruktur angewiesen sind (Strom, Gas, Wasser, Telekommunikation, Postdienste, Verkehr).

Bei der Stromversorgung beispielsweise ist so ausschließlich die Durchleitung von Strom als natürliches Monopol aufzufassen: Für die Produktion der doppelten Energiemenge ist mehr oder weniger die doppelte Anzahl von Kraftwerken notwendig. Für die Durchleitung hingegen kann die bestehende Infrastruktur (Strommasten, Umspannwerke etc.) relativ kostengünstig auf die doppelte Kapazität erweitert werden. Ein Anbieter mit zwei Leitungen an einem Strommast kann das Produkt günstiger anbieten, als es zwei Anbieter mit je einer Leitung pro Strommast könnten. Daher ergibt sich als Ausnahmebereiche ausschließlich der Netzbetrieb zur Durchleitung und Verteilung von Strom, der im Rahmen der so genannten Entflechtung rechtlich und operationell von den übrigen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Handel und Vertrieb) zu trennen ist.

In der Regel wird nicht der gesamte Wirtschaftszweig die Charakteristik eines natürlichen Monopols aufweisen. Im Falle der Bereitstellung von Elektrizität, Gas, Telefondienstleistungen oder der Bahn ist lediglich die Bereitstellung des Netzes als natürliches Monopol aufzufassen (man spricht von einem monopolistischen Flaschenhals, weil hier viele Energieproduzenten oder Bahnbetreiber auf einen einzigen Netzbetreiber stoßen und es daher „eng“ wird).

Neben dem Kriterium der Kosten wird die Sonderstellung des natürlichen Monopoles betont, wenn zusätzlich das Kriterium der Irreversibilität von Kosten bei potentiell neuen Marktanbietern gegeben ist. Irreversibilität liegt vor, wenn ein potentiell neuer Marktanbieter bei Marktaustritt den Wert seiner Aufwendungen bzw. Produktionsfaktoren unwiederbringlich abschreiben muss (sog. versunkene Kosten (sunk costs) aufgrund hoher Spezifität der Investitionen).

Erweiterter Anwendungsbereich

Legt man einen weiten Monopolbegriff zugrunde, der neben eigentlichen Alleinanbietern auch Anbieter mit großer Marktmacht (Quasi-Monopolisten) umfasst, [8] können auch Software-Anbieter mit hohem Verbreitungsgrad ihrer Software als „natürliche Quasi-Monopolisten“ als Anwendungsfall des Theoriemodells angesehen werden.[9]

Mit der ökonomischen Erschließung des Internets hat die Bedeutung natürlicher Monopole zugenommen. Erstens sind Beschaffung, Produktion und Distribution digitalisierbarer Güter – zum Beispiel Anwendersoftware oder elektronische Dienstleistungen – mit hohen Fixkosten und geringen variablen Kosten verbunden, so dass dominierende Anbieter mit steigendem Absatz Skaleneffekte und damit höhere Gewinne realisieren können. Zweitens wächst der Nutzen von Netzwerkgütern und Netzwerkdienstleistungen mit der Anzahl der Akteure auf Anbieter- und Nachfragerseite, so dass positive Netzwerkeffekte entstehen. Je mehr Nutzer beispielsweise über die E-Mail-Infrastruktur erreichbar sind, desto höher ist der Gesamtnutzern dieser Infrastruktur, was kontinuierlich weitere Nutzer anzieht. Auf der Anbieterseite kommt es zu positiven Netzwerkeffekten, wenn ein etabliertes System die Produktion weiterer Varianten und Komponenten stimuliert – beispielsweise Plugins für einen etablierten Browser.

Natürliche Quasi-Monopole sollen nun entstehen, wenn es zu positiven Rückkopplungsschleifen zwischen Skaleneffekten und positiven Netzwerkeffekten kommt: Durch die immer günstigere Kostenstruktur des dominierenden Anbieters entstehen Spielräume für Preissenkungen, die weitere Nutzer anziehen, dadurch den Gesamtnutzen des Systems erhöhen, was dem Anbieter weitere Skaleneffekte beschert usw.

Beispiele aus der Internetökonomie für natürliche (Quasi-) Monopole sind der Marktplatz Ebay, neben dem in einigen Ländern nur noch kleinere hochspezialisierte Auktionsanbieter bestehen können, die Ablösung der zahlreichen B2B-Marktplätze der „New Economy“ durch einige wenige dominierende Marktplätze oder die Software von Microsoft, die weltweit auf den meisten Rechnern installiert ist. Eine interessante Frage der näheren Zukunft ist, ob sich der Firefox-Browser aufgrund positiver Netzwerkeffekte (immer mehr Nutzer, immer mehr nützliche Plugins) gegen den bislang übermächtigen Internet Explorer wird durchsetzen können.

Staatliche Maßnahmen als Abhilfe

Die Versorgung kann vom Staat übernommen werden (Staatsmonopol).

Eine staatliche Marktregulierung kann in Regulierungsauflagen (z. B. Höchstpreisregulierung), in einer gesetzliche Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivitäten des Monopolisten oder in einer strukturelle Zerschlagung des monopolistischen Unternehmens liegen.

In neuerer Zeit wird häufig unbundling als Lösung des Problems natürlicher Monopole angewandt. Dabei werden Netzwerkmonopol und die Produktion an sich getrennt. Beispiele sind Wasser-, Strom-, Gas- und Telekommunikation. Das Netzwerkmonopol wird dabei als natürliches Monopol beibehalten und staatlich reguliert. Das über das Netzwerk verfügende Unternehmen muss Konkurrenten aber die Durchleitung der eigentlichen Produkte (Wasser-, Strom-, Gas- oder Telekommunikation) zu von einer Regulierungsbehörde festgelegten Konditionen erlauben.[10]

Abhilfe durch technischen Fortschritt

Manche natürlichen Monopole beseitigen sich jedoch mit der Zeit von selbst. Beispielsweise hat die Erfindung des Autos vormalige natürliche Monopole von Eisenbahnanbietern bedroht. Der technische Fortschritt sorgt also mitunter für eine Auflösung eines natürlichen Monopols. Man spricht in diesem Zusammenhang von Substitutionskonkurrenz.

Kritik

Angreifbarkeit natürlicher Monopole

Im Anschluss an William J. Baumols Theorie bestreitbarer Märkte wird die Ansicht vertreten, dass das Vorliegen eines natürlichen Monopols kein Marktversagen sei, weil der Wettbewerb zwar nicht in Form mehrerer Anbieter sichtbar sei, er wirke aber in latenter Weise.[11]

Kritik durch Libertäre und Anarchokapitalisten

Hinsichtlich der als historische Beispiele für die Existenz natürlicher Monopole herangezogenen Leitungsnetze wird vorgebracht, dass sie als eine vom Staat eingeräumte und gesicherte Monopolstellung entstanden wären. Diese staatlichen Monopole seien nach Auffassung von Thomas DiLorenzo lediglich nachträglich ökonomisch gerechtfertigt worden.[12]

Die Verschleierung der eigentlichen Gründe staatlicher Eingriffe zeige sich an der Auswahl der als natürliche Monopole regulierungsbedürftigen Güter. Der Staat bezeichne für seine Machtausübung bedeutende Wirtschaftszweige als solche, die nur durch „öffentliche Versorgungsunternehmen“ betrieben werden sollten, und rechtfertige dies angeblichen ökonomischen Erfordernissen, nämlich der Theorie des natürlichen Monopols.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hal R. Varian: Intermediate Microeconomics. 7. Auflage (International Student Edition), New York 2006, ISBN 0-393-92702-4, S. 435 f.
  2. Ferry Stocker, Moderne Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage 2009, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, ISBN 978-3-486-58576-6, Seite 75
  3. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage 2005, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, ISBN 3-486-57770-0, Seite 63
  4. Robert S. Pindyk, Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie, Person-Verlag, 6. Auflage, München 2005, ISBN 978-3-8273-7164-5, S. 477.
  5. Anton Frantzke: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre. Mikroökonomische Theorie und Aufgaben des Staates in der Marktwirtschaft, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999, S. 220 ff.
  6. Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 2, S. 88
  7. „Ein so genanntes "Natürliches Monopol" liegt vor, wenn ein Angebot durch mehrere konkurrierende Produzenten ökonomisch nicht sinnvoll ist.“ Glossar des Bundesfinanzministeriums.
  8. So das Bundesfinanzministerium in seinem Glossar.
  9. Vimentis, Warum versagt der Markt?, Ausgabe vom 20. Juni 2007 (online als pdf).
  10. Ferry Stocker, Moderne Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage 2009, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, ISBN 978-3-486-58576-6, Seite 77
  11. Baumol, W. J.; Panzar, J. C. & Willig R. D. (1982) Contestable Markets and the Theory of Industry Structure.
  12. DiLorenzo, Thomas J. (1996), The Myth of the Natural Monopoly, The Review of Austrian Economics 9(2).

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