Nekropsie

Nekropsie

Eine Obduktion (lateinisch) ist eine innere Leichenschau (Leichenöffnung) zur Feststellung der Todesursache und zur Rekonstruktion des Sterbevorgangs. Sie wird von Pathologen, Rechtsmedizinern (Forensik) oder auch Anatomen durchgeführt.

Andere Bezeichnungen sind Autopsie (griechisch), Sektion (lateinisch) bzw. Sectio legalis oder (selten) Nekropsie (griechisch νεκροψία, von νεκρός nekrós „tot“ und ὄψις opsis „der Blick, die Anschauung“). Aus linguistischen Gründen wird der Begriff der Nekropsie vor allem für die Sektion von Tieren verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Informationen

Sektionen werden staatsanwaltschaftlich bzw. gerichtlich angeordnet, wenn ein Verbrechen oder eine andere unnatürliche Todesursache vermutet wird oder feststeht und weitere Klärung notwendig ist. Wenn auf einem Totenschein „Todesart ungeklärt“ angekreuzt wird, erfolgt ebenfalls in der Regel eine gerichtlich angeordnete Sektion. Die rechtliche Grundlage ist in Deutschland der § 87 der Strafprozessordnung. Diese Sektionen müssen von zwei Ärzten durchgeführt werden, wovon einer in der Praxis ein Facharzt für Rechtsmedizin ist.

Häufig werden Sektionen, angeregt von Versicherungsgesellschaften (meist ausgeführt durch Rechtsmediziner) oder von Ärzten und Krankenhäusern in Absprache mit (oder auch direkt von) den Angehörigen eines Toten auch ohne Ermittlungsverfahren durchgeführt, um bei einem unklaren Krankheitsbild die genaue Todesursache zu klären (und eine letzte Evaluation der klinischen Therapie zur Qualitätssicherung vorzunehmen). Diese Sektionen werden sowohl von Rechtsmedizinern als auch von Pathologen durchgeführt. Schließlich gibt es auch anatomische Sektionen, die nur der Ausbildung von Medizinern dienen; diese werden von Anatomen und Studierenden gemeinsam durchgeführt. Die zu obduzierenden Verstorbenen haben sich in diesem Fall häufig zu Lebzeiten freiwillig für eine Sektion entschieden.

Verfahren

Äußere Besichtigung

Eine Obduktion beginnt mit einer genauen Inspektion der Leiche. Größe, Gewicht, Ernährungszustand und Hautkolorit werden festgehalten. Lokalisation und Farbe der Totenflecke sowie Grad der Ausprägung der Totenstarre werden dokumentiert. Hautveränderungen wie Narben, Wunden, Operationswunden, Pigmentflecken, Tätowierungen und dgl. werden ebenso beschrieben. Speziell bei rechtsmedizinischen Obduktionen wird großer Wert auf eine präzise äußere Beschreibung gelegt, die neben etwaigen Verletzungen (wie z.B. Schuss- oder Stichwunden) auch die Bekleidung und andere Gegenstände (z.B. Schmuck, Armbanduhr, usw.) umfasst. Die Untersuchung von Kleidung, Effekten, Körpergröße und Zahnstatus ist insbesondere für die Identifizierung von unbekannten Toten von Bedeutung. Zudem können durch die äußere Besichtigung Rückschlüsse auf äußere Einwirkungen etc. gezogen werden.

Innere Besichtigung

Die innere Leichenbeschau gliedert sich in eine Obduktion der Schädelhöhle, der Brust- und Halsorgane und der Bauchorgane. Es werden alle drei Körperhöhlen (Schädelhöhle, Brusthöhle und Bauchhöhle) geöffnet und die Organe freigelegt. Die Organe werden nach Größe, Form, Farbe, Konsistenz und Kohärenz beurteilt, wobei von der Norm abweichende Veränderungen im deskriptiven Teil des Obduktionsberichtes festgehalten werden. Morphologisch sichtbare Organveränderungen haben eine Entsprechung in pathologisch-anatomischen Diagnosen, die ihrerseits bestimmten klinischen Krankheitsbildern entsprechen. Von wichtigen Organen werden kleine Proben für weitergehende lichtmikroskopische und eventuell auch mikrobiologischen Untersuchungen asserviert. Für rechtsmedizinische Gutachten wird auch noch Blut und Urin des Verstorbenen zum Zweck toxikologischer Untersuchungen gewonnen.

Der Y- oder T-Schnitt

Dieser Schnitt hat entweder die Y-Form, hierbei wird von beiden Schlüsselbeinen schräg zum Brustbein geschnitten und von dort gerade bis zum Schambein. Alternativ wird leicht bogenförmig von Schulter zu Schulter quer und dann in einem zweiten Schnitt zentral abwärts bis Schambein geschnitten, der T-Schnitt. Durch diese Schnittführungen kann der Pathologe oder Rechtsmediziner an alle Organe des Brust- und Bauchraumes gelangen (nach Entfernung des Brustbeines und der angrenzenden Rippen).

Nachsorge

Im Anschluss an die innere Besichtigung werden die Organe und Gewebe dem Toten wieder beigegeben, die Hautschnitte vernäht und der Leichnam gewaschen. Dadurch soll u. a. eine Abschiednahme am offenen Sarg ermöglicht werden.

Weiteres Vorgehen

Später werden die gewonnenen Proben mikroskopisch und mikrobiologisch untersucht. Bei einer gerichtlichen Sektion werden Drogen und eventuell Giftstoffe und Medikamentenspiegel toxikologisch bestimmt. Vereinzelt kommen auch Spezialuntersuchungen wie zum Beispiel DNA-Analysen, entomologische (insektenkundliche) und radiologische Verfahren zum Einsatz. Die verschiedenen Berichte gehen nur dem Auftraggeber der Sektion zu.

In jüngster Zeit finden zunehmend neue Messverfahren Anwendung bei der Leichenschau (Streifenlichttopometrie, CT).

Obduktionsbericht

Der Obduktionsbericht besteht aus einem deskriptiven Teil, der keinen Spielraum für Interpretationen zulässt und mit einer Bildbeschreibung wesensverwandt ist. Demzufolge ist der deskriptive Teil eine objektive Beschreibung der Organsysteme, die im Idealfall so genau sein soll, dass ein Kundiger im Nachhinein alle pathologisch-anatomischen Diagnosen aus dem Bericht herauslesen und gegebenenfalls revidieren kann. Dieser Deskription wird noch eine Liste der Todesursachen und der pathologisch-anatomischen Einzeldiagnosen beigelegt.

Pathologische und rechtsmedizinische Sektionen sind im Verfahren einander sehr ähnlich. Bei pathologischen Obduktionen wird jedoch auf eine toxikologische Untersuchung verzichtet, da diese im Allgemeinen schon vor dem Tode durchgeführt wurde. Die Bestimmung der Körpertemperatur des Toten, die auf den Todeszeitpunkt rückschließen lässt, entfällt ebenso.

Eine Anatomische Sektion (auch Präparation genannt) ist sehr viel feiner. Die Sektion beschränkt sich nicht nur auf die drei Körperhöhlen, auch kleinere Details gelangen zur Darstellung, da im Rahmen des Präparierkurses alle anatomischen Strukturen des Körpers erlernt werden sollen. Deshalb erstreckt sich eine anatomische Präparation auf ein ganzes Semester, während pathologische und rechtsmedizinische Sektionen in der Regel nach längstens 4h abgeschlossen sind. Daraus wiederum ergibt sich die Notwendigkeit einer Einbalsamierung des Leichnams. Eine Wiederherstellung des Leichnams ist anschließend nicht mehr möglich. Die Leiche wird am Ende einzeln und vollständig bestattet. Dies erfolgt je nach letztem Willen anonym oder namentlich, durch Verbrennung oder Erdbestattung.

Gesellschaftliche und rechtliche Aspekte

Die Zahl der Sektionen in Deutschland ist rückläufig, da der Kostendruck in Justiz- und Gesundheitswesen größer wird und Kostenträger (ganz im Gegensatz zu Rechtsmedizinern) meinen, in der Mehrzahl der ungeklärten, unerwarteten Todesfälle sei die Todesursache auch ohne Sektion ganz gut abschätzbar. Es liegen jedoch Studien vor, die nahelegen, dass bis zu 50 Prozent aller klinisch vermuteten (und als Tatsache in den Totenschein eingetragenen) Todesursachen falsch sind (durch Obduktion falsifiziert).

Somit sind hohe Obduktionszahlen im Rahmen der Todesursachenstatistik auch gesellschaftlich wichtig, um für die Gesundheitspolitik verlässliche Basisdaten liefern zu können.

Es gibt Länder und Orte, in denen alle Verstorbenen seziert werden (zum Beispiel alle in Kliniken Verstorbenen in Österreich).

Rechtlich gesehen ist eine Sektion in Deutschland weder Körperverletzung (eine Körperverletzung kann nur an lebenden Menschen begangen werden) noch Sachbeschädigung (Tote sind juristisch keine „Sachen“), sondern wird als Störung der Totenruhe geahndet, wenn sie – unautorisiert von Staatsanwaltschaft, Gericht, Polizei oder Gesundheitsamt; in Österreich (derzeit noch) vom Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft – zum Beispiel gegen den Willen der Angehörigen durchgeführt wird. Die Sektion ist in Deutschland bisher nur in den Bundesländern Berlin und Hamburg in eigenen Sektionsgesetzen geregelt. Die Bestattungsgesetze einiger weiterer Bundesländer enthalten auch Regelungen zur Sektion.[1] Sofern ein Verdacht auf eine seuchenhygienisch relevante Fragestellung (z.B. offene TBC) besteht, kann vom Gesundheitsamt eine Sektion angeordnet werden.

Die Kosten einer Sektion belaufen sich auf ca. 500 bis 2.000 Euro (Stand: 2003), aber für Sektionen im Auftrag von Angehörigen (sogenannte Verwaltungssektionen) wird oft keine Gebühr berechnet (so zum Beispiel in Hamburg).

Siehe auch

Zitatnachweise, Fußnoten

  1. z. B. in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen

Weblinks


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