Nematoda

Nematoda
Fadenwürmer
Heterodera glycines mit einem Ei, ein Parasit der Sojabohne

Heterodera glycines mit einem Ei, ein Parasit der Sojabohne

Systematik
Unterreich: Vielzellige Tiere (Metazoa)
Abteilung: Gewebetiere (Eumetazoa)
Unterabteilung: Bilateria
ohne Rang: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Stamm: Fadenwürmer
Wissenschaftlicher Name
Nematoda
Rudolphi, 1808
Klassen
  • Adenophorea
  • Secernentea

Die Fadenwürmer (Nematoda, eingedeutscht Nematoden) sind einer der artenreichsten Stämme des Tierreichs. Bislang wurden mehr als 20.000 verschiedene Arten beschrieben. Wahrscheinlich sind sie auch die individuenreichste Gruppe unter den vielzelligen Tieren, eine Schätzung[1] spricht von etwa 80%. Es handelt sich zumeist um relativ kleine, weiß bis farblose, fädige Würmchen, die in feuchten Medien leben, darunter viele parasitische Gruppen mit einigen humanpathogenen Arten.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Nematoden sind triploblastische Urmünder (Protostomia). Sie haben eine typisch wurmförmige Gestalt, sind lang und im Querschnitt rund. Eine Segmentierung fehlt. Die Körperhöhle ist ein enges Pseudocoel, wie auch bei vielen anderen kleineren Tierstämmen. Der Mund liegt vorne und wird häufig von Fortsätzen umgeben, die für die Nahrungsaufnahme und zum Tasten benutzt werden. Der Anus liegt kurz vor dem spitzen Hinterende. Die Epidermis sondert eine mehrlagige Cuticula ab, die die Nematoden vor Austrocknung oder anderen ungünstigen Umweltbedingungen schützt, bei parasitischen Arten auch vor den Verdauungssäften des Wirtes. Neben den in heißen Quellen lebenden Arten wurden auch Arten gefunden, denen ihre Cuticula ermöglicht, pH-Werte von 2,5 bis 11,5 auszuhalten oder solche, die mehrere Stunden in flüssigem Helium (ca. −272 °C bis -268 °C) am Leben bleiben. Das Vorhandensein einer "steifen" Cuticula in Verbindung mit der Längsmuskulatur (Nematoden haben fast keine Ringmuskeln) erlaubt ihnen nur eine schlängelnde Fortbewegung.

Cuticula

Die Epidermis (Haut) eines Fadenwurmes ist in hohem Grade bemerkenswert, sie besteht nicht aus einzelnen Zellen wie bei anderen Tieren, sondern aus einer Art Masse des zellulären Materials der Kerne, die nicht durch Membranen in einzelne Zellen unterteilt ist. Sie ist also ein Synzytium. Das Fadenwurmhäutchen besteht aus insgesamt vier Schichten: Einer Faserschicht, einer Matrixschicht, einer kortikalen Schicht und zuletzt noch eine äußere Lipidschicht.

  • Die Lipidschicht besteht aus einem stabilisierenden Protein, welches Keratin ähnlich ist.
  • Die innere Kortikalschicht wiederum besteht aus Kollagen.
  • Die Matrixschicht hat eine weniger definierte Struktur.
  • Die Faserschicht besteht aus diagonal miteinander in entgegengesetzter Richtung laufenden Fasern. Diese Schicht trägt am meisten zur Festigkeit und Elastizität des Häutchens bei. Dieses spezielle Häutchen ist eine Eigenschaft, die mit Gliederfüßern geteilt wird.

Muskeln

Fadenwürmer besitzen wie die Rundwürmer zur Fortbewegung ausschließlich Längsmuskeln, die sich von Kopf bis Schwanz erstrecken. Die Muskelzellen bestehen aus drei Teilen:

  • Dem Monocyton: Ein nicht zusammenziehbarer Teil, der die Zellkerne, die Mitochondrien und den Golgi-Apparat enthält.
  • Einem zusammenziehbaren Teil, der die Actin- und Myosinfasern enthält.
  • Dem Prozess, einem nicht zusammenziehbaren Teil der Muskelzellen, der Verbindungen mit anderen Muskelzellen oder Nerven eingehen kann.

Die Fadenwurmmuskeln liegen wie ein Schlauch unterhalb der Epidermis. Diese Einheit aus verschiedenen Geweben wird als Hautmuskelschlauch bezeichnet. Die starke Cuticula und der hohe Innendruck der Pseudocoelflüssigkeit, der zwischen 70 und 210 mmHg liegt, stellen ein sogenanntes Hydroskelett dar. Zusammen mit den Längsmuskeln als Antagonisten kann sich der Fadenwurm schlängelnd fortbewegen oder einen Teil in die Höhe strecken.

Daneben gibt es Ringmuskeln, jedoch nur an Mund und After (siehe auch: Nährstoffaufnahme).

Nervensystem

♂ Fadenwurm
1 Mundöffnung, 2 Darm, 3 Kloake, 4 Exkretionsorgan, 5 Hoden, 6 circumpharyngealer Ring des Nervensystems, 7 dorsaler Hauptnervenstrang, 8 ventraler Hauptnervenstrang, 9 Exkretionspore.

Das Nervensystem der Fadenwürmer ist sehr einfach aufgebaut. Es besteht aus einem circumpharyngealen bzw. circumoesophagealen Ring, von dem ein dorsaler und ein ventraler Hauptstrang nach hinten ziehen. Es ist in der Lage, einfache und verschiedene Reize wahrzunehmen und zu verarbeiten. Die Längsnerven sind direkt mit den Muskelzellen und dem Cytoplasma im Kontakt und erstrecken sich durch den ganzen Körper. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass anders als bei anderen Tieren, bei denen sich die Nervenzellen zu den Muskeln hin ausbreiten, sich die Muskelzellen des Fadenwurms selbst zu den Nervenbahnen ausbreiten.

Nährstoff- und Sauerstoffaufnahme

Der Kopf eines Fadenwurmes hat einige kleine Richtungsorgane (eine Art Augen) und eine große muskulöse Mundöffnung mit Pharynx (Rachen). Am Mund befinden sich oft kleine Fortsätze, die zur Nahrungsaufnahme oder zum Tasten benutzt werden. Dort wird die Nahrung hineingezogen und durch starke Muskeln zerquetscht. Die Nahrung gelangt dann von dort in einen einfachen langen Darmraum, wo die Nahrung bearbeitet und verdaut wird. Ein weiteres interessantes Merkmal der Nematoden ist, dass sie kein Gefäßsystem besitzen, mit denen sie die Nahrungsbestandteile im Körper verteilen könnten. Stattdessen werden die Nährstoffe im Darmraum verarbeitet und dann von da aus direkt durch die Wände zu den Körperzellen geleitet, wo sie gebraucht werden.

Die Sauerstoffaufnahme funktioniert ähnlich der Verdauung. Da die Nematoden keine Atmungsorgane besitzen, wird der Sauerstoff einfach durch die Haut aufgenommen und diffundiert direkt zu den Körperzellen.

Lebensweise

Die Nematoden kommen fast überall vor, im Meer, Süßwasser und in terrestrischen Biotopen. Häufig sind mehr Nematoden nach Arten und Anzahl vorhanden als alle anderen vielzelligen Tiere (Metazoa). Es gibt auch eine erhebliche Anzahl parasitischer Arten, sowohl in Pflanzen (siehe etwa Rübenälchen) als auch in Tieren, einschließlich des Menschen. Dazu gehört zum Beispiel der Spulwurm (Ascaris lumbricoides), die Mikrofilarien Wuchereria bancrofti und Brugia malayi, die Wanderfilarie (Loa loa), der Madenwurm (Enterobius vermicularis) oder der Zwergfadenwurm (Strongyloides stercoralis).

Die Nematoden häuten sich und werden deshalb, sowie aufgrund von RNA-Untersuchungen innerhalb der Urmünder (Protostomia) zu den Häutungstieren (Ecdysozoa) gerechnet. Die meisten freilebenden Nematoden sind mikroskopisch klein und gehören zur Meiofauna. Lediglich Parasiten wie der Pferdespulwurm können mehrere Meter lang werden. Die Nahrung ist unterschiedlich und reicht bei freilebenden Arten von Bakterien und Algen über Pilze, Aas und Fäkalien bis hin zu räuberisch erbeuteten Tieren.

Fortpflanzung

Die Fortpflanzung erfolgt sexuell, meist mit zwei getrennten Geschlechtern. Die Männchen sind typischerweise kleiner als die Weibchen und haben oft einen charakteristisch gebogenen Schwanz. Allerdings sind auch selbstbefruchtende Hermaphroditen, wie zum Beispiel Caenorhabditis elegans keine Seltenheit. Bei freilebenden Arten erfolgt die Entwicklung meist direkt mit vier Häutungen im Verlauf des Wachstums. Parasiten haben oft einen recht komplizierten Zyklus mit Wirtswechseln oder Organwechseln im Wirt.

Die Infektion des Wirtes geschieht z. B. durch die Nahrungsaufnahme von rohem Fleisch, in dem sich bereits Larven (Trichinen) befinden, oder durch Aufnahme von Wurmeiern in Fäkalien (beispielsweise bei Hunden). Auch fäkal verunreinigte Lebensmittel (mit Wurmeiern) aufgrund mangelnder Hygiene (Düngung von Salat mit Kot, kein Händewaschen nach Stuhlgang), können bei der Übertragung eine Rolle spielen. Bei mehreren Arten kann die Infektion aber auch durch aktives Eindringen von (filariformen) Larven geschehen (Hakenwürmer, z. B. Ancylostoma duodenale oder Necator americanus).

Durch einige Arten werden die Wirte so in ihrem Verhalten manipuliert, dass sie sich - entgegen ihrem sonstigen Gewohnheiten - etwa ins Wasser begeben und dabei ertrinken (Insekten), weil die Würmer Wasser zur Weiterentwicklung benötigen.

Taxonomie

Wuchereria bancrofti

Die Nematoden wurden ursprünglich von Nathan Cobb im Jahr 1919 als Stamm Nemata eingeführt, später als Klasse Nematoda in einem nicht mehr gültigen Stamm Aschelminthes klassifiziert. Hier werden die Fadenwürmer als eigener Stamm geführt.

  • Klasse Adenophorea
    • Unterklasse Enoplia
    • Unterklasse Chromadoria
  • Klasse Secernentea
    • Unterklasse Rhabditia
    • Unterklasse Spiruria
    • Unterklasse Diplogasteria

In der Wikipedia werden folgende Arten oder Gruppen vorgestellt (alphabetisch nach wissenschaftlichem Namen geordnet):

Der größte Fadenwurm ist der in der Pottwal-Placenta lebende Placentonema gigantissimum mit einer Länge von 8 m und einem Durchmesser von 0,3 mm, welcher zur Klasse der Secernentea (Unterklasse Spiruria, Familie Tetrameridae) gehört.

Nematodenbekämpfung

Viele Nematodenarten sind Schädlinge in der Landwirtschaft und im Gartenbau, da sie durch ihr Eindringen in die Wurzelsysteme den Pflanzenstoffwechsel stark beeinträchtigen können. Gegen einen Nematodenbefall kommen verschiedene chemische Substanzen, die sogeanannten Nematizide sowie alternativ auch biologische Bekämpfungsmethoden, wie die Bepflanzung der befallenen Ackerflächen mit speziellen Nutzpflanzen (zum Beispiel resistenter Ölrettich, Tagetes und Senf), sowie thermische Verfahren, wie das Dämpfen (Bodendesinfektion) mit Heißdampf zur Bodenentseuchung zum Einsatz.

Menschen und Fadenwürmer

Die Art Caenorhabditis elegans ist aufgrund ihrer einfachen Haltung und der Zellkonstanz (Eutelie) zu einem beliebten "Haustier" der Genetiker geworden und fungiert als Modellorganismus. Der Nematode Pristionchus pacificus wurde als Satellitenorganismus zu Caenorhabditis elegans etabliert. Durch den Vergleich dieser beiden Arten kann erforscht werden, wie sich Entwicklungsprozesse – der Übergang vom Ei zum erwachsenen Organismus – im Laufe der Evolution verändern. Außerdem werden Nematoden vermehrt als Nützlinge gegen Schnecken, Dickmaulrüssler und andere Pflanzenschädlinge verwendet.

Siehe auch

Literatur

  • Richard A. Sikora, Ralf-Peter Schuster: Handbuch der Phytonematologie. Berichte aus der Agrarwissenschaft. Shaker, Aachen 2000, 91 S., ISBN 3-8265-6978-4
  • Johannes Hallmann: Biologische Bekämpfung pflanzenparasitärer Nematoden mit antagonistischen Bakterien. Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Berlin-Dahlem, Heft 392. Dissertation. Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Berlin und Braunschweig 2003, 128 S.
  • Asmus Dowe: Räuberische Pilze und andere pilzliche Nematodenfeinde. 2., neu bearbeite Auflage. Die neue Brehm-Bücherei, Band 449. Ziemsen, Wittenberg Lutherstadt 1987, 156 S., ISBN 3-7403-0042-6
  • Susanne L. Kerstan: Der Befall von Fischen aus dem Wattenmeer und dem Nordatlantik 1988 - 1990 mit Nematodenlarven und eine Bibliographie über parasitische Nematoden in Fischen und Seesäugern. Berichte aus dem Institut für Meereskunde an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Nr. 219. Dissertation. Institut für Meereskunde, Abteilung Fischereibiologie, Kiel 1992, 205 S.
  • Andreas Overhoff: Einfluss von Bewirtschaftungssystem und Bodenbearbeitung auf die Populationsdichte von Nematoden. Mit besonderer Berücksichtigung antagonistischer Wirkung von Regenwürmern und nematophagen Pilzen. Dissertation. Wissenschaftlicher Fachverlag, Gießen 1990, 198 S., ISBN 3-925834-87-7
  • Jörn Alphei: Die freilebenden Nematoden von Buchenwäldern mit unterschiedlicher Humusform. Struktur der Gemeinschaften und Funktion in der Rhizosphäre der Krautvegetation. Berichte des Forschungszentrums Waldökosysteme. Reihe A, Band 125. Dissertation. Forschungszentrum Waldökosysteme der Universität Göttingen, Göttingen 1995, 165 S.
  • Katrin Goralczyk: Küstendünen als Lebensraum für Nematoden. Forschen und Wissen - Umweltwissenschaft. Dissertation. GCA-Verlag, Herdecke 2002, ISBN 3-89863-095-1


Weblinks

Einzelnachweise

  1. T. Bongers, H. Ferris: Nematode community structure as a bioindicator in environmental monitoring, Trends Ecol Evol, Vol. 14, Issue 6, June 1999, S. 224-228, doi:10.1016/S0169-5347(98)01583-3

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