Neolithischer Kalender

Neolithischer Kalender

Der Begriff des Steinzeitkalenders, auch Neolithischer Kalender, geht davon aus, dass es im Übergang zum Neolithikum einen allgemeinen Bewusstseinswandel gegeben hat, der sich auch in den Kalendervorstellungen niederschlug.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

Konnte man bereits in der Altsteinzeit nicht nur den Wechsel von Tag und Nacht sowie die Mondphasen beobachten, sowie jahreszeitlich bedingte Klimaschwankungen, die in der Landwirtschaft der meisten Weltregionen eine bedeutende Rolle spielten, und aufgrund von Tierwanderungen zum Teil auch für Jägerkulturen wichtig gewesen sein dürften, wahrnehmen, sondern auch die Veränderungen des Nachthimmels durch die Erdumlaufbahn sowie die Eigenbewegungen der Planeten, setzte mit dem Übergang zu bäuerlicher, sesshafter Lebensweise eine völlige Veränderung der Orientierung in Raum und Zeit für den Menschen ein. Mit dieser „Neolithisierung“ der menschlichen Gesellschaft ging auch eine „Neolithische Revolution“ des Kalenders einher.

Für die ersten Bauern wurde die genaue Bestimmung der Jahreszeiten für Bodenvorbereitung, Aussaat, Bearbeitung und Ernte überlebensnotwendig und zwar unabhängig von den kurzfristigen witterungsbedingten Launen des Wetters. Für die Bestimmung des Tages diente von alters her der Mond. Denn dafür war die Sonne ungeeignet - die tägliche Änderung der Höhe des Sonnenstandes von ca. einem halben Sonnendurchmesser war viel zu gering, um eine exakte Aussage ohne technische Messhilfsmittel zu ermöglichen. Der Auf- und Untergangspunkt der Sonne anhand von markanten Geländemarken am Horizont war jedoch bereits im Neolithikum bestimmbar. Das setzte allerdings die Sesshaftigkeit voraus, denn für einen täglichen Vergleich durfte der Beobachtungspunkt nicht variieren.

Auch die Beobachtung der Mondphasen mit ihrer Periode von 29,53 Tagen taugte kaum, denn visuell lässt sich die Phase nur bei Halbmond präzise bestimmen (hier begann der Monat im keltischen Kalender). Selbst der Vollmond ist schwer auf den Tag genau zu bestimmen. Der Neumond (auch Schwarzmond) ist prinzipbedingt unbeobachtbar. Die erste Sichel (die Antike nannte diese „Neumond“ oder „Neulicht“, hier ließen die Perser den Monat beginnen) zeigt sich erst einen, manchmal zwei oder sogar drei Tage nach Neumond, sodass sie auch nicht zur genauen Bestimmung des Tages taugt, von den Sichtbedingungen des Wetters ganz abgesehen. Im alten Babylon, Jerusalem und Rom oblag die Festlegung des „Neumondes“ folgerichtig besonderen Priestern und wurde mit Hörnern und Trompeten verkündet.

Das siderische Mondjahr

Der Mond zeigt allerdings seine jeweilige Position vor dem Hintergrund des Sternenhimmels genau an. Entsprechend der siderischen Umlaufzeit von 27,32 Tagen kannte bereits die alte chinesische und arabische Astrologie 27 verschiedene Positionen, in den ältesten Teilen des altindischen Rgveda aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. „Häuser“ genannt, wonach jeder Tag des Mondmonats genau bestimmt werden konnte. Erst spät kam ein 28. Tag dazu. Daraus wurde das bereits in der Jungsteinzeit bekannte Siderische Mondjahr von 355 Tagen und 13 Monaten zu 27 Tagen, die wiederum in jeweils 3 Wochen zu neun Tagen unterteilt waren, gebildet. Dieses freie Mondjahr korreliert nicht mit dem Sonnenjahr. Die Jahreszeiten verschieben sich sukzessive, was für nomadisierende Völker wie die Jäger und Sammler in der Altsteinzeit kein Problem darstellte.

Der synodische Sonnenkalender

Dieses Siderische Mondjahr wurde nun allmählich von dem tropischen Sonnenjahr abgelöst, bei dem sich die Jahreszeiten nicht verschieben. Das Jahr wurde jetzt durch Voll- und Neumond strukturiert mit zwölf synodischen Monaten zu je 29,531 Tagen, sowie zwölf Tabutagen, die zu keinem Monat gehörten. Die Woche konnte fünf, sechs, sieben oder zehn Tage haben. Der Monat wurde auf 30 Tage festgesetzt.

Der Synodische Sonnenkalender trat nun in der Jungsteinzeit zunächst an die Seite des alten Mondkalenders und später ganz an seine Stelle. Soweit spätere Sonnenkalender noch in Monate unterteilt sind, handelt es sich um ein Relikt dieses alten Kalenders. Später wurde regelmäßig statt der zwölf „toten Tage“ alle paar Jahre ein 13. Monat eingeschoben (Lunisolarkalender), bzw. wie im modernen, weit verbreiteten Gregorianischen Kalender, die Länge des Monats rechnerisch zwischen 30 und 31 Tagen alterniert, verbunden mit der regelmäßigen Einfügung eines Schalttages. Hierbei wird die Korrelation zwischen Mondphasen und Kalendermonat vollständig aufgegeben. Reine Sonnenkalender besitzen hingegen keine Monatseinteilung.

Kalenderbauten

Die jungsteinzeitlichen Kalendervorstellungen haben sich sowohl in den Kreisgrabenanlagen des fünften bis dritten Jahrtausends niedergeschlagen als auch in den Megalithbauten des späten Neolithikums bis zum frühen Mittelalter, der Wikingerzeit.

Diese sogenannten Kalenderbauten waren exakt astronomisch auf die Äquinoktien und somit auf die Sonne ausgerichtet. Meist wurde durch geeignete Steinsetzungen oder Torbauten der jeweilige Sonnenauf- oder -untergang an den vier singulären Punkten der Sonnenwenden und Tag-und-Nacht-Gleichen direkt beobachtbar. Das sind die Daten 21. März, 21. Juni, 23. September und 21. Dezember. Der Untergang der Sonne am Tag der Wintersonnenwende, dem 21. Dezember, lag z. B. bei einem Azimut von 217 bis 228 Grad. Danach war eine genaue Eichung des Jahres und Berechnung der wichtigen Daten möglich.

Diesen alten frühen Sonnenkalender finden wir auch im Kalender von Coligny, einem alten Keltischen Kalender wieder.

Kulturgeschichtliche Relikte

Nach diesem alten grundlegenden astronomischen Kalender richten sich noch heute die Berechnung der Jahreszeiten in Großbritannien und Irland, während sie in Mitteleuropa und den USA nach dem modernen Kalender verschoben sind. So beginnt der Sommer in Deutschland erst am Tag der Sommersonnenwende, während er dort bereits am 1. Mai beginnt und somit die Sonnenwende tatsächlich auf die Mitte des Sommers fällt. Ein Relikt dieser älteren Vorstellung ist uns noch in der Bezeichnung des Mittsommernacht-Tages am 21. Juni erhalten geblieben, der von der modernen kalendarischen Vorstellung abweicht, wonach das Jahr genau am 31. Juli geteilt ist und dieses Datum heute eher als die Mitte des Hochsommers angesehen wird.

Eine besonders detaillierte Vorstellung vom Neolithischen Kalender entwickelte der Hobbyarchäologe Alexander Thom, der den Begriff Megalithischer Kalender anhand von Untersuchungen zu Stonehenge entwickelte.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfhard Schlosser, Jan Cierny: Sterne und Steine. Eine praktische Astronomie der Vorzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-11637-2,Theiss, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1318-6.
  • Theodor Schmidt-Kaler: Die Neolithische Kalender-Revolution. In: Archaeologie in Deutschland (AID). Theiss, Stuttgart 2005, 6, S. 31. ISSN 0176-8522

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