Neroberg-Bahn

Neroberg-Bahn
Nerobergbahn oberhalb der Talstation auf dem Viadukt von 1888
Charakteristische gelbe Wagen der Nerobergbahn
Wagen während der Fahrt

Die Nerobergbahn ist eine im Jahre 1888 errichtete Zahnstangenstandseilbahn im Norden Wiesbadens. Sie führt vom Nerotal auf den Neroberg hinauf, wobei sie auf einer Länge von 438 m und einer durchschnittlichen Steigung von 19 % einen Höhenunterschied von 83 m überwindet. Die Wasserballastbahn, deren Wagenpaar mit einen Zugseil über eine Seilscheibe in der Bergstation verbunden ist, wird ausschließlich durch Schwerkraft betrieben. Als letzte Bergbahn dieses Typs in Deutschland ist die Nerobergbahn heute ein technisches Kulturdenkmal.

Die Nerobergbahn wird von der ESWE Verkehrsgesellschaft betrieben und unterhalten. Eine Fahrt berg- und talwärts kostet (Stand 15. April 2007) für Erwachsene € 3,00, für Kinder unter 14 Jahren € 1,50. Jährlich werden ca. 250.000 Personen befördert.

Von der Bergstation aus erreicht man über einen 250 m langen Fußweg das Opelbad und die Russische Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Nerobergbahn mit Talstation und Viadukt um 1907. Rechts ist der ehemalige Schlot der Dampfmaschine zu erkennen
Die Nerobergbahn am Neroberg um 1900

Im Jahre 1886 stellte der Unternehmer Carl Rudolf aus Baden-Baden einen Konzessionsantrag auf eine mit Wasserballast betriebene Drahtseilbahn, welche die Strecke zwischen dem Nerotal und der Spitze des Nerobergs überwinden sollte. 1887 wurde der Antrag von der Stadt Wiesbaden bewilligt und ein Jahr später, am 25. September 1888, konnte die Nerobergbahn eröffnet werden. 1895 ging sie an die neu gegründete SEG (Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft) über, die auch die Wiesbadener Straßenbahnen betrieb.

1923 wurde der Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen vorübergehend eingestellt und zwei Jahre später, nach der Übernahme durch die Stadt Wiesbaden, wieder aufgenommen. 1939 erhielt die Maschinenfabrik Esslingen, welche die Bahn bereits gebaut hatte, den Auftrag, größere Wagen (für 75 Personen) zu planen und die Anlage auf Elektroantrieb umzustellen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte den Umbau. 1944 musste die Nerobergbahn wegen Kriegsschäden stillgelegt werden. Nach der Instandsetzung 1946 wurde sie zunächst von den Amerikanern beschlagnahmt und 1948 wieder allen zugänglich gemacht.

1962 wurden durch die Maschinenfabrik Esslingen die Wagentanks saniert und gleichzeitig der Aufbau vom Fahrzeugwerk Auwärter erneuert. 1972 wurden die Gleisanlagen saniert und die beiden Wagen so lackiert, dass sie an die historische Erscheinung erinnerten. 1988, an ihrem 100-jährigen Bestehen, wurde die Nerobergbahn als schutzwürdiges technisches Denkmal durch das Land Hessen anerkannt

In den frühen Neunzigern wurde schließlich das Viadukt generalüberholt, die Förderpumpe erneuert und ein neues Zugseil aufgelegt. Das voll verschlossene Seil wurde durch ein Litzenseil für optimale Sicherheit ersetzt. 1997 feierte die Nerobergbahn ihr 110-jähriges Jubiläum und hatte eine Rekord-Besucherzahl von 276.942 Personen zu verzeichnen. In den späten 90er Jahren bekam sie einen weiteren neuen Anstrich. Erst vor kurzem wurden die Schienen erneuert.

Die Nerobergbahn hatte in ihrer Geschichte keinen einzigen Unfall und ist heute so beliebt, dass man auf ihr sogar heiraten kann.

Am 25. August 2000 wurde im ehemaligen historischen Toilettenhäuschen an der Talstation ein kleines Museum zur Bahn und ihrer Geschichte eingerichtet. Es wurde nach seinem Erbauer, dem langjährigen Wiesbadener Stadtbaumeister Felix Genzmer, Genzmer-Häuschen genannt.

Bauweise und Technik

Spezialgleise der Nerobergbahn:
3 Schienen mit der jeweils mittig angeordneten, zum Bremsen dienenden Zahnstange
Gleisschema mit Ausweichstelle der Nerobergbahn

Antriebstechnik

Offiziell ist die Nerobergbahn eine Zahnstangenstandseilbahn, der Antrieb basiert ausschließlich auf der Schwerkraft. Der Unterschied zwischen einer Zahnstangenstandseilbahn und einer Zahnradbahn ist dabei recht eindeutig, wenn auch für den Laien manchmal schwer erkennbar. Die Zahnstange bei der Nerobergbahn dient ausschließlich der Bremsung bzw. der Betriebssicherheit. Wegen der Neigung der Bahn kann nicht immer als gesichert angesehen werden, dass alleine mit der Radreibung und den Bremsen jederzeit eine ausreichende Bremswirkung - und vor allem ein zuverlässiger Stillstand - erreicht werden kann. Hier "blockiert" das Zahnrad in der Zahnstange zusätzlich. Der Antrieb erfolgt ausschließlich über das Seil.

Bei der Zahnradbahn hingegen ist das Zahnrad - mangels ausreichender Adhäsion der Räder wegen zu starker Steigung - Teil des Antriebsmechanismus und wird auch angetrieben, bei der Talfahrt dient es ähnlich wie bei der Nerobergbahn als Sicherheit und Standbremse. Allerdings gibt es hier regelmäßig kein Zugseil.

Die beiden Wagen sind durch ein 452 Meter langes Stahlseil über eine Seilscheibe in der Bergstation miteinander verbunden. Der talwärts rollende Wagen zieht den bergwärts fahrenden nach oben. Dazu muss er jedoch eine größere Masse aufweisen. Dies wird dadurch erreicht, dass der Wassertank des an der Bergstation stehenden Wagens aus zwei Reservoirs mit einem Fassungsvermögen von 370 m³ mit maximal 7.000 Liter befüllt wird.

Die Füllen erfolgt abhängig von der durch die Talstation gemeldeten dortigen Passagierzahl. An jedem Wagen ist an der Seite ein Wasserstandsanzeiger angebracht, der eine Skala mit der Füllmenge des Tanks zeigt. Die Skalierung erfolgt in Zehnerschritten und wird in "Wasser" ausgedrückt, wobei 1 "Wasser" etwa dem Gewicht einer Person entspricht. Die Beladung mit Wasser erfolgt ebenfalls immer in Zehnerschritten, wobei der am Berg stehende Fahrzeugführer den Bedarf an Ballastwasser aus der ihm gemeldeten Fahrgastzahl an der Talstation und den in seinem Wagen fahrenden Passagieren errechnet. Sobald - wiederum nach Abstimmung mit der Talstation - die Bremsen gelöst werden, strebt der an der Bergstation stehende Wagen talwärts und zieht durch sein höheres Gewicht den anderen Wagen am Stahlseil bergauf. Weil sich das Gefälle auf der Stecke ändert und sich das Seilgewicht verlagert, sind während der gesamten Fahrt mehrere Bremsnachstellungen erforderlich, damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 7,3 km/h nicht überschritten wird.

Nach der Einfahrt des Wagens in die Bergstation wird der Wagentank über diesen Einfüllstutzen mit Ballastwasser gefüllt.

Bei Fahrtende werden die Bremsen wieder arretiert und der unten angekommene Wagen entleert seinen Wasserballast in ein 220 m³ großes Reservoir. Von dort aus wird das Wasser bei Bedarf durch eine elektrische Pumpe wieder auf die Bergstation befördert. Betrieben wird das System also letztlich durch eine Pumpstation, die sich neben dem bergseitig gelegenen Viaduktbogen befindet. Bis 1916 erfolgte deren Antrieb durch eine Dampfmaschine, die wegen der Tallage einen hohen Schornstein benötigte. Ursprünglich war vorgesehen, die Anlage ohne Pumpe zu betreiben. Die Reservoirs auf dem Neroberg-Plateau sollten dazu mit Quellwasser aus dem höher gelegenen Quellgebiet des obereren Rabengrundes gespeist werden.

Die Bahn wird derzeit nur in den Sommermonaten (von Karfreitag bis Ende Oktober) betrieben, was der Nachfragesituation und wirtschaftlichen Zwängen Rechnung trägt. Früher war sie auch zu anderen Zeiten in Betrieb, eine Betriebseinstellung wegen zu starken Frostes und damit verbundener Vereisung ist nicht überliefert.

Ursprünglich war die Nerobergbahn technisch sehr ähnlich der zeitgleich errichteten Turmbergbahn Karlsruhe-Durlach. Dort wurden inzwischen aber zahlreiche Umbauten vorgenommen und der Antrieb auf elektrische Kraft umgestellt.

Fahrweg

Die Nerobergbahn ist keine Zahnradbahn. Die Zahnstangen - hier ein Ausstellungsstück des verwendeten Systems Riggenbach - dienen nur zur Geschwindigkeitsregulierung und nicht dem Antrieb

Die Strecke verläuft aus der Talsohle des Nerotals zunächst über einen gemauerten Viadukt mit fünf Bögen in nord-östlicher Richtung und folgt anschließend mit immer geringer werdender Steigung dem Hang des Nerobergs. Die Gleisanlage verschwenkt ab dem Viadukt um etwa 4 Grad östlich.

Die Gleise bestehen aus drei Laufschienen, von denen die mittlere von beiden Wagen genutzt wird. Die beiden äußeren werden jeweils nur von einem Wagen befahren. Nur im Begegnungsabschnitt, in der Mitte der Strecke, gibt es auf einer Länge von 70 Metern zwei eigene Gleise für jeden Wagen (siehe Schemazeichnung). Auf diese Weise spart man für einen Großteil der Bahnanlage die vierte Schiene und braucht trotzdem keine wartungsaufwändigen Weichen.

Die mittig in den Gleisen befestigten Leiterzahnstangen vom System Riggenbach dienen nicht dem Antrieb, sondern mit Hilfe der Zahnräder unter den Wagen zur Geschwindigkeitsregulierung während der Fahrt und zum Feststellen nach der Fahrt.

Technische Daten

Fahrweg

  • Betriebseröffnung: 25. September 1888
  • Gleislänge: 438 m
  • Spurweite: 1.000 mm
  • Höhenunterschied: 83 m
  • max. Steigung: 26 %
  • durchschn. Steigung: 19 %

Zugseil

  • Material: Litzen, kunststoffummantelt
  • Länge: 452 m
  • Durchmesser: 28 mm
  • Gewicht: 1.600 kg
  • Durchmesser der Seilscheibe: 3,60 m

Wasserbehälter/Pumpe

  • Volumen Bergbehälter: 370 m³
  • Volumen Talbehälter: 220 m³
  • Pumpenleistung: 60 m³/h, 25 bar

Wagen

  • Gewicht: 8.100 kg
  • max. Wasserbefüllungsmenge: 7.000 l.
  • max. Besatzung: 40 Personen

Geschwindigkeit

  • 7,3 km/h

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Kopp: 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000, ESWE-Verkehrsgesellschaft mbH, Wiesbaden (2000)

Weblinks


50.0947222222228.22555555555567Koordinaten: 50° 5′ 41″ N, 8° 13′ 32″ O


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