Artefaktanalyse

Artefaktanalyse

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Die Artefaktanalyse (vom lat. arte, dem Ablativ von ars, d. h. „mit Kunst“, „künstlich“, und factum, „gemacht“) ist eine Methode der qualitativen empirischen Forschung in den Sozialwissenschaften, die sich auf „Artefakte“ richtet, also auf Gegenstände der „materialen Kultur“.

Inhaltsverzeichnis

Zu Herkunft und Bedeutung des Begriffs

Die Analyse von „Artefakten“ wurde vor allem durch Manfred Lueger und Ulrike Froschauer entwickelt und wird in der Feldforschung, zum Beispiel in den Wirtschaftswissenschaften, der Archäologie, der Ethnologie oder der Architektur, angewandt. Hierbei werden sichtbare Artefakte als Spuren oder Gebrauchsgegenstände analysiert. Von besonderer Bedeutung ist die richtige Interpretation der Artefakte. In den Wirtschaftswissenschaften wird die Artefaktanalyse verwendet, um zum Beispiel die Auswirkung einer Umstrukturierung in einem Unternehmen zu analysieren.

Der Begriff „Artefakt“ umfasst - im Unterschied zur Auffassung als Verzerrung im Forschungsprozess - Gegenstände als „Materialisierungen von Kommunikation“ (Froschauer 2002, S. 362). Das bedeutet, dass diese nicht einfach als in der Welt existent vorausgesetzt bzw. betrachtet werden, sondern als durch Menschen und damit auch in einem sozialen Prozess entworfen, bearbeitet oder produziert verstanden. Darüber hinaus verlassen sie nach ihrer Herstellung den Kontext menschlicher Beziehung nicht: Artefakte werden ge- oder verbraucht. Beispiele für sie sind folglich sehr unterschiedliche Objekte: Bücher, Fotografien, Ordner, Speisen, Müll, Architektur oder Gärten; aber auch: Gebrauchsspuren wie etwa Abnutzungserscheinungen oder allgemeine Veränderungen am Material wie Bissspuren.

Ebenso existiert ein weiterer Blickwinkel auf das Artefakt, der dieses nicht rein als Objekt in Augenschein nimmt, sondern darüber hinaus als Zeichen versteht, das auf etwas anderes verweist. Beispielhaft ist die Dreiteilung des Zeichens, im Sinne von Ikon, Index oder Symbol nach Charles S. Peirce.

Diese Dreiteilung meint jedoch nicht, ein Artefakt sei nur je ausschließlich Ikon, Index oder Symbol, sondern diese Eigenheiten können auch einem Artefakt anhaften.

Der Prozess der Artefaktanalyse

Grundlegung der Forschungsperspektive

Die Grundüberlegungen zu den Eigenschaften des Artefaktes führen zu einer besonderen Form der artefaktanalytischen Herangehensweise. Der Zugang für die Erforschung gestaltet sich relativ einfach, da sich Artefakte leicht auffinden lassen; allerdings bedarf es einer genaueren Analyse.

Dabei sind im Vorfeld jene Gesichtspunkte festzuhalten, die nicht für das Artefakt und dessen Kontext in Betracht gezogen werden, etwa der Forschende selbst und dessen Forschungsperspektive.

Dazu dient die Unterscheidung der Artefaktanalyse als Orientierung oder als eigenständiger Forschungsprozess:

  • Artefaktanalyse zur Orientierung: Hierbei wird versucht über die Artefakte einen Überblick über das Forschungsfeld zu erlangen (beispielsweise durch Betrachtung räumlicher Schranken oder die Verwendung von Artefakten), um weitere Forschung daran anzuschließen
  • Artefaktanalyse als eigenständiger Forschungsprozess: Hierbei handelt es sich um eine explizite Untersuchung von Artefakten, mit dem Ziel den Kontext zu rekonstruieren.

Zusätzlich bietet es sich an, Teams einzusetzen, um verschiedene Blickwinkel zu ermöglichen.

Methodische Vorgehensweise bei der Artefaktanalyse

Die Vorgehensweise bei der Artefaktanalyse lässt sich kurz als Erweiterung des Fokus' verstehen. So wird zunächst das Artefakt ohne den Kontext erfasst, um in weiteren Schritten auf die Umwelt des Artefaktes und die sozialen Prozesse zu schließen. Mit zunehmender Distanzierung zum Artefakt wird versucht Rückschlüsse auf die hintergründigen Strukturen zu ziehen.

Enggefasste Forschungsrichtung

Bei einer engen Fassung des Forschungsperspektive, wird diese auf die direkte Betrachtung des Artefaktes und der näheren Umgebung gerichtet. In diesem Zusammenhang wird das Artefakt zunächst aus der Umgebung gelöst und unabhängig betrachtet. Anhaltspunkte für die Beobachtung liefern hierzu primär:

  • Form, Farbe, Struktur, Material und Materialbeschaffenheit des Artefaktes.
  • Der innere Aufbau des Artefaktes (wie Form-, Farb- oder Materialunterschiede).

Zu beachten ist, dass es bei dieser basalen Deskription für die wissenschaftliche Weiterverarbeitung einer genauen Verschriftlichung der Wahrnehmung der Forschenden bedarf.

Überdies lassen sich in der Phase der Deskription auch erste Schlussfolgerungen auf die Einbettung festhalten (wie der Ort des Auffindens oder die Zeit) und Betrachtung des unmittelbaren Kontextes vertiefen. Als Hinweise dienen sowohl allgemeine Assoziationen durch den Beobachter (Wie wird mit dem Artefakt umgegangen? Wer benutzt das Artefakt?), sowie Reflexionen über die Umgebung des Artefaktes (Wo und wie tritt das Artefakt in Erscheinung?).

Weitergefasste Forschungsrichtung

In der weiteren Fassung der Forschungsperspektive wird die Sichtweise für die Interpretation verstärkt auf Strukturen des Kontextes fixiert. Beachtung finden hier die Produktion und die Geschichte des Artefaktes, der Kontext des Gebrauchs, die Funktionsweise im Kontext, wie auch die soziale Bedeutung.

Beispiele für Leitfragen können sein:

  • Was war der Grund der Herstellung des Artefaktes?
  • Wie wurde das Artefakt hergestellt?
  • Wozu wird das Artefakt gebraucht?
  • Welche Funktion hat das Artefakt im Kontext?
  • Welche Bedeutung hat das Artefakt?

Zudem lassen sich auch Vergleiche zu anderen Artefakten im gleichen Kontext anstellen oder zu gleichen Artefakten in anderen Kontexten. Wichtig ist die Ausrichtung am primär untersuchten Artefakt und der zugrunde liegenden Forschungsfrage.

Weit fortgeschritten in der Artefaktanalyse sind sozialwissenschaftliche Nachbarwissenschaften wie die Vor- und Frühgeschichte und die Volkskunde.

Interpretationsverfahren

Für die Interpretation der Daten und Strukturen bieten sich verschieden Verfahren, je nach betrachtetem Objekt und Kontext an. Dazu zählen die objektive Hermeneutik, Dokumentenanalyse oder Photographieanalyse, unter anderem basierend auf Ikonographie oder Ikonologie.

Literatur

  • Ulrike Froschauer, Manfred Lueger: Das qualitative Interview. Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme.. Utb 2003. ISBN 382522418X
  • Ulrike Froschauer: Artefaktanalyse in: Stefan Kühl, Petra Strodtholz (Hg.): Methoden der Organisationsforschung. rororo 2002. ISBN 3499556472
  • Manfred Lueger: Artefaktanalyse. in: Ders.: Grundlagen qualitativer Feldforschung. Methodologie - Organisierung – Materialanalyse. UTB 2004. ISBN 3825221482
  • Manfred Lueger: Auf den Spuren der sozialen Welt. Methodologie und Organisierung interpretativer Sozialforschung. Peter Lang 2001. ISBN 3631369824

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