Nikolai Iwanowitsch Jeschow

Nikolai Iwanowitsch Jeschow
Nikolai Jeschow

Nikolai Iwanowitsch Jeschow (russisch Николай Иванович Ежов, wiss. Transliteration Nikolaj Ivanovič Ežov; * 1. Mai 1895 in Sankt Petersburg[1]; † 4. Februar 1940) war von 1936 bis 1938 der Chef der sowjetischen Geheimpolizei NKWD. Er war für die Durchführung des von Stalin angeordneten „Großen Terrors“ verantwortlich, der zu rund 750.000 Todesopfern führte. Diese Zeit ist im Russischen daher auch als Jeschowschtschina (ежовщина, ‚Jeschow-Zeit‘) bekannt. Jeschow war der einzige ethnische Russe, der den Posten des Geheimdienstchefs während der Regierungszeit Stalins innehatte.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Vor der Russischen Revolution

Viele Angaben zu Jeschows frühen Jahren sind unklar. Bei seiner Verhaftung im April 1939 gab Nikolai Jeschow an, am 1. Mai 1895 in Sankt Petersburg geboren zu sein.

Nach einer kurzen schulischen Ausbildung war er als Jugendlicher der Gehilfe eines Schneiders, später Fabrikarbeiter und arbeitete in verschiedenen Städten. Währenddessen eignete er sich autodidaktisch weiteres Wissen an und engagierte sich in ersten Streiks. 1915 wurde er in die russische Armee eingezogen, wobei er von 1916 bis 1917 seinen Dienst in einer Artilleriewerkstatt in Witebsk antrat.

Frühe Parteikarriere

Jeschow trat der Bolschewistischen Partei am 5. Mai 1917 in Witebsk bei. Der Autor Viktor Suworow äußerte sich über die Motive Jeschows wie folgt: Jeschow „war ein unbedeutender Beamter, der sich den Bolschewiki erst dann anschloss, als klar wurde, dass sie gewonnen hatten.“[2] Während des Russischen Bürgerkrieges kämpfte er in der Roten Armee, wo er den Posten eines Politkommissars einnahm. Aufgrund seiner Parteitreue wurde er 1921 Führer von Agitation und Propaganda in mehreren Provinzkomitees und schließlich in das Zentralkomitee der KPdSU von Tatarstan gewählt. Während eines Kuraufenthalts in Moskau traf er in dieser Zeit vermutlich zum ersten Mal Stalin. Ab dem März 1922 arbeitete er als Sekretär in den regionalen Parteikomitees der Bolschewiki im turkmenischen Mary-Gebiet. Hier wurde er nicht akzeptiert und wechselte im Herbst desselben Jahres nach Semipalatinsk (heute Semei). Weitere Stationen waren Orenburg und Ksyl-Orda (heute Qysylorda) in Kasachstan, wo er im Mai 1924 seine Tätigkeit aufnahm. Nachdem in dieser Region Widerstand gegen die NÖP aufkam, der laut dem Historiker Alexander Fadejew aufgrund einer „fehlerhaften Interpretation der Eigentumsverhältnisse“ entstand, und die kasachische Unabhängigkeitsbewegung erstarkte, gelang es Jeschow, den Aufstand vorläufig friedlich zu beenden.[3][A 1] In Kasachstan begann er auch mit dem Studium der Werke von Marx und Lenin, um seine marxistisch-leninistische Rhetorik verbessern zu können.

1927 wurde er wegen seiner Fähigkeiten als „idealer Exekutor“ von Iwan Moskwin in die Organisations- und Distributionsabteilung des Zentralkomitees der KPdSU übernommen. Dort agierte er als Ausbilder und später als Chef dieser Abteilung. Von 1929 bis 1930 war er stellvertretender Volkskommissar für Landwirtschaft. In dieser Position wurde er zum ersten Mal Zeuge von massenhaften Repressionen gegen die Landbevölkerung durch die OGPU, der Vorläuferorganisation des NKWD. Er veröffentlichte Artikel, in denen er die Kollektivierung und die neuen proletarischen Ausbildungsformen rechtfertigte. Zu dieser Zeit war er noch nicht gefürchtet. I. A. Stats, zu dieser Zeit ein Kollege Jeschows, beschrieb später, dass Jeschow „in dieser Zeit im Großen und Ganzen kein ‚rücksichtsloser Kader‘ war […] Er machte den Eindruck eines nervösen, jedoch freundlichen und aufmerksamen Menschen, welcher keine Arroganz oder bürokratische Verhaltensweisen an den Tag legte.“[4]

Jeschow engagierte sich weiter im Parteiapparat. Im November 1930 wurde er auf Betreiben Josef Stalins zum Chef der Kommissariate für besondere Angelegenheiten, Personalfragen und Industrie ernannt. In diesen Funktionen war er 1933 einer der Leiter der Säuberung der Bolschewiki von „opportunistischen“ Mitgliedern sowie von „Oppositionellen“ gegen Stalins Politik. Es wurden insgesamt 200.000 Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen. Etwa ein Zehntel der Betroffenen wurde verhaftet.

Aufstieg zum Leiter des NKWD

1934 wurde Jeschow in das Zentralkomitee der KPdSU gewählt. Nach dem Mord an Sergei Kirow wurde Jeschow Sonderbeauftragter des Generalsekretärs Stalin und beteiligte sich daran, dass die nun dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) angegliederte OGPU unter Genrich Jagoda ihre Nachforschungen auf die Oppositionellen Lew Kamenew, Grigori Sinowjew und Nikolai Bucharin ausrichtete und schließlich eine terroristische Verschwörung konstruierte, an der viele Gegner Stalins gemeinsam beteiligt gewesen sein sollten. Seine Treue gegenüber Stalin und seinen Zielen bewies er daneben auch durch Schriften, die er 1935 verfasste und in denen er argumentierte, dass politische Opposition zu Chaos und Anarchie führen würde, wenn sie nicht konsequent vernichtet werde.

Der Umgang mit als oppositionell gebrandmarkten Parteimitgliedern wurde nun härter. Jeschow spielte bei der Verschärfung der Maßnahmen zur Unterdrückung Andersdenkender eine entscheidende Rolle. Er setzte sich mehrmals für längerfristige und härtere Kontrollen ein, forderte hohe Ausschluss- und Verhaftungszahlen und steuerte eine chauvinistische Kampagne zur Durchsetzung der politischen Linie Stalins. Überall deckte er Verschwörungen auf. Sein Engagement führte schließlich zu seiner eigenen Überarbeitung und einem Kuraufenthalt, um seine zahlreichen körperlichen Beschwerden zu lindern. Während des ersten Moskauer Prozesses von 1936, der zur Verurteilung und Hinrichtung von Kamenew und Sinowjew führte und Stalins Macht weiter festigte, erstellte Jeschow vermutlich durch Folter Geständnisse, Denunziationen und Scheinbeweise. Wie anhand mehrerer Quellen später deutlich wurde, hatte sich Jeschow bei vielen Tätigkeiten in Moskau von Stalin dirigieren lassen.

Nachdem Jeschow dem NKWD-Chef Jagoda bereits in der Anfangsphase des Großen Terrors assistiert hatte, löste er diesen am 30. September 1936 ab. Mit ihm wurden etwa 300 Gefolgsleute in die Hierarchie des NKWD aufgenommen.[5][A 2] Nach der mehrjährigen Bewährungszeit in höheren Positionen des Parteiapparats erwartete Stalin nun von Jeschow, dass er schnellere und intensivere Säuberungsmaßnahmen umsetzen sollte. Durch Stalins Protektion wurde er schnell in seiner neuen Position akzeptiert. Auch in der Bevölkerung wurde seine Einsetzung positiv als Ende des Terrors unter dem unbeliebten Jagoda interpretiert. Jeschow begann jedoch gemäß den Erwartungen Stalins mit der praktischen Umsetzung seiner ein Jahr zuvor geäußerten Ideen.

Durchführung des Großen Terrors

Jeschow erwies sich bei knapp 1,50 m Körpergröße von nun an als der „blutrünstige Zwerg“, als der er später bezeichnet wurde. Ab diesem Zeitpunkt entfaltete sich der Terror der NKWD in einer Brutalität, wie sie während der gesamten Geschichte der Sowjetunion einzigartig war. Es wurden als NKWD-Troikas bezeichnete Pseudo-Gerichte eingeführt, welche beliebige Urteile gegen echte und vermeintliche Oppositionelle aussprechen durften. Plan-Solls zur Liquidierung und Verhaftung von Staatsfeinden wurden festgesetzt, welche mit fortschreitender Dauer der Verfolgungen immer weiter erhöht wurden. Die regionalen und lokalen NKWD-Kräfte fürchteten, bei Nichterfüllung der Sollzahlen selbst der Verschwörung verdächtigt zu werden, und trieben durch die Übererfüllung der Forderungen die Anzahl der festgenommenen Personen noch weiter in die Höhe. Die Zahl der Opfer der Repression in Jeschows Amtszeit ist umstritten. Sie schwankt zwischen 1.575.259 verhafteten und 681.692 ermordeten echten und vermeintlichen Oppositionellen[6] und 767.000 Personen, von denen 387.000 hingerichtet wurden.[7].

In einer ersten Phase, die bis in den Sommer 1937 andauerte, wurden prominente Opfer wie Kamenew, Sinowjew oder Bucharin in drei großen Schauprozessen, welche als Moskauer Prozesse bekannt sind, zum Tode verurteilt. Auch Jeschows Vorgänger Jagoda wurde am 18. März 1937 wegen der von ihm tatsächlich begangenen Unterschlagungen und als ehemaliger zaristischer Polizeichef denunziert. Zeitgleich wurden Jagodas höherrangige Gefolgsleute angewiesen, die politische Zuverlässigkeit aller Staatsorgane in der Sowjetunion zu überprüfen. Sie wurden alle auf dem Weg zu ihrem Einsatzort verhaftet. Insgesamt wurden ungefähr 3.000 NKWD-Angehörige als Jagoda-Anhänger denunziert und aus der Behörde entfernt.[5] Genrich Jagoda wurde im Ergebnis des letzten Moskauer Prozesses hingerichtet.

Nach der „Säuberung“ der Führungsebenen von Partei und Armee richtete sich der Terror gegen die russische Bevölkerung an sich und gegen Parteimitglieder auf allen Ebenen. Diese zweite Phase, die mit dem NKWD-Befehl Nr. 00447 eingeleitet wurde[8], dauerte vom Sommer 1937 bis zum Ende der Amtszeit Jeschows und kostete den größten Teil der Opfer das Leben. Während für bedeutende Persönlichkeiten ein Schauprozess mit Urteilen durchgeführt wurde, die von Stalin bereits vorher abgesegnet worden waren, erhielten die gewöhnlichen Opfer ihre Strafe wegen Verstößen gegen den Paragraphen 58. Die Geständnisse wurden den Menschen, die meist willkürlich verhaftet und denen von den NKWD-Angehörigen selbst erfundene Verbrechen zur Last gelegt wurden, mit Folter abgezwungen. Auch Jeschow selbst ließ es sich nicht nehmen, Angeklagte persönlich zu verhören. Die NKWD-Angehörigen hatten zur Amtszeit Jeschows die Möglichkeit, ihrem Sadismus gegenüber ihren Opfern völlig freien Lauf zu lassen, ohne mit einer Ahndung durch ihre Vorgesetzten rechnen zu müssen.

Jeschow erhielt für seine Verdienste am 17. Juli 1937 den Leninorden. Die Sowjetische Presse und die Kommunistische Partei feierten ihn. In einer gewaltigen Propagandakampagne wurden die Volksfeinde abwehrenden „Jeschowschen stachelbewehrten Fausthandschuhe“ hochgelobt.

Wie Stalin arbeitete Jeschow vorwiegend nachts und schlief am Tage. Er bewohnte mit seiner Mutter eine einfache Kreml-Wohnung und tauchte nur gelegentlich im Haus seiner Frau auf.

Karriereende und Hinrichtung

Beria, Jeschow und Mikojan bei einem Empfang von Delegationen aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion, September 1938

1938 folgte der politische Absturz Jeschows. Es war offensichtlich geworden, dass der mit Jeschows Person verbundene Große Terror bereits weit über sein Ziel hinaus geschossen war, die Opposition in der Sowjetunion zu vernichten. Durch Denunziationen waren in einigen Rajons keine Parteimitglieder mehr übrig, der Parteieinfluss verschwunden. Auch die Rote Armee war durch die zu exzessiven Säuberungen stark geschwächt, es mangelte an fähigen Offizieren auf oberer und vor allem mittlerer Ebene. Unterdessen wuchs der Einfluss von Jeschows Machtapparat weiter: Mit der Säuberung der GRU, die mit der Verhaftung von Jan Karlowitsch Bersin am 27. November 1937 ihren Höhepunkt erreichte, und der darauf folgenden Unterordnung dieses militärischen Auslandspionagedienstes unter seine Befehlsgewalt hatte Jeschow praktisch die Kontrolle über alle Geheimdienste der Sowjetunion übernommen.[5] Der Terror, der von Stalin nun als Bedrohung seiner Macht wahrgenommen wurde, sollte zurückgefahren werden.

Anfang 1938 erlitt Jeschow eine empfindliche Niederlage, als er vergeblich vorschlug, Moskau in „Stalinodar“ umzubenennen. Seine exzessiven Trinkgewohnheiten und sein ausschweifender sexueller Lebensstil machten ihn gegenüber den Intrigen anderer Parteimitglieder angreifbar. Nachdem sich mit Alexander Michailowitsch Orlow von der Auslandsabteilung der NKWD und dem GRU-Agenten Walter Germanowitsch Kriwitzki zwei hochrangige Geheimdienst-Mitarbeiter in das Ausland abgesetzt hatten, zweifelte man sehr schnell an Jeschows eigener Loyalität.

Zudem verursachte die exzessive Verhaftungswelle eine Überbelegung der Gefängnisse und der Arbeitslager des Gulag-Systems, welche wiederum dazu führte, dass viele der neu hinzugekommenen Häftlinge an Erschöpfung starben oder so schwach waren, dass sie nicht arbeiten konnten. Da ein wichtiger Grund der Existenz des Gulag-Systems jedoch darin lag, wirtschaftliche Erzeugnisse auf eine für die Sowjetunion sehr preiswerte Weise herzustellen, wurde durch diese besonders schlechte Behandlung der Gefangenen die Wirtschaftskraft dieses „Staatsunternehmens“ stark geschwächt. Diese Entwicklung, die im Sommer 1938 anhand der schlechten Planerfüllung der Gulag-Unternehmen auch für den Rest der sowjetischen Führungsriege sichtbar wurde, lastete man Jeschow als schweres Versagen an. Hinzu kam, dass er für die Durchführung seiner Verfolgungsmaßnahmen immer höhere Summen von der sowjetischen Führung verlangte; so deklarierte er in einem Schreiben an Wjatscheslaw Molotow vom Februar 1938 statt der vorgesehenen 22 Millionen Rubel einen Bedarf von insgesamt 94 Millionen Rubel.[9]

Original
Retuschierte Fotografie
Unperson Nikolai Jeschow
Oben: Nikolai Jeschow befindet sich zusammen mit Stalin und Molotow am Ufer des Moskwa-Wolga-Kanals. (Originale Fotografie, Sommer 1937)
Unten: Nach der Verhaftung Jeschows wurde das Bild so retuschiert, dass kein Hinweis auf die Anwesenheit des Volkskommissars erkennbar ist. (→Zensur in der Sowjetunion)[10]

Als Jeschow Molotow angriff, weil er Auskunft über die Tätigkeit der NKWD-Organe verlangt hatte, musste er sich auf Vorschlag Stalins entschuldigen. Am 22. August 1938 wurde Lawrenti Beria Jeschow in der Leitung des NKWD als Assistent zur Seite gestellt. Der Georgier begann, Jeschow aus seinem Amt zu vertreiben.

Den Anfang bildeten Verhaftungen im Umkreis seiner Frau. Im Oktober 1938 erschienen Kremlärzte bei ihr, wiesen sie in ein Sanatorium ein und diagnostizierten „asthenisch-depressiver Zustand (Zyklothomie?)“[11] Sie schrieb ihrem Mann aus dem Sanatorium verzweifelte Briefe, sie werde der Doppelzüngigkeit und nicht begangener Verbrechen bezichtigt.

Jeschow wurde daraufhin depressiv und betrank sich noch stärker. Zeitgleich versuchte er, seinen Konkurrenten zu diskreditieren. Im November 1938 wurde Beria von Jeschows Leuten beschattet und sollte möglicherweise verhaftet werden. Beria konnte jedoch bei Stalin vorsprechen und diesen über offenkundige Missstände in der NKWD informieren, die er inzwischen herausgefunden hatte. Daraufhin kritisierten Stalin und Molotow das Vorgehen und die Methoden der NKWD in einem Schreiben vom 11. November 1938 auf das Schärfste. Am 15. November wurde die Gerichtsbarkeit der sogenannten NKWD-Troikas außer Kraft gesetzt. Am 17. November verboten der Sownarkom und das Zentralkomitee der KPdSU die Durchführung von Massenverhaftungen und -deportationen. Am 24. November wurde Jeschow dann, offiziell auf seinen eigenen Wunsch hin, von Beria abgelöst. Diese Veränderung wurde am 5. Dezember 1938 durch die Zeitungen Prawda und Iswestija der sowjetischen Bevölkerung bekannt gegeben und mit Erleichterung aufgenommen. Am 7. Dezember 1938 wurde er als Volkskommissar für Inneres entlassen.[12]

Danach kam es in den Reihen der Mitarbeiter des NKWD zu Verhaftungen und Selbstmorden, da Beria begann, die Behörde von Jeschows Männern zu säubern und diese durch eigene zu ersetzen. Jeschows Frau starb im November an einer Vergiftung mit Luminal, die Diagnose lautete auf Selbstmord.

Jeschow, zuletzt Volkskommissar für Wassertransport, nahm am 21. Januar 1939 noch an der Gedenkversammlung zum 15. Todestag Lenins teil. Als im März 1939 der 18. Parteitag der KPdSU zusammentrat, gehörte Jeschow, der noch immer Mitglied des Zentralkomitees war, zu den Teilnehmern einer Beratung des Ältestenrates. Der Delegierte J. G. Feldman hinterließ Roy Medwedew einen Bericht über den Verlauf[13].

Demnach fiel, als Kandidaten zur Wahl in das ZK vorzuschlagen waren, Jeschows Name, woraufhin eisiges Schweigen folgte. Daraufhin rief Stalin Jeschow nach vorn und fragte ihn, ob er glaube, Mitglied des ZK sein zu können. Als Jeschow beteuerte, er liebe Stalin mehr als sein Leben, befragte ihn Stalin über verschiedene ehemalige Untergebene, die zu dieser Zeit bereits alle verhaftet waren. Stalin behauptete, führende Mitarbeiter des NKWD hätten eine Verschwörung vorbereitet. Jeschow habe viele Unschuldige verhaften lassen und andere gedeckt. Er, Stalin, habe seine Zweifel, ob Jeschow Mitglied des ZK bleiben könne. Daraufhin wurde Jeschow einstimmig von der Liste gestrichen und kehrte nicht mehr in den Saal zurück.

Bis zum 22. März 1939 gehörte Jeschow noch zu den Kandidaten des Politbüros der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Am 10. April 1939 erfolgte schließlich seine Verhaftung[14] mitten aus einer Sitzung in seinem Volkskommissariat heraus als „besonders gefährlicher Volksfeind“.[13] Er wurde beschuldigt, seit 1930 für verschiedene ausländische Geheimdienste gearbeitet sowie eine Verschwörung initiiert zu haben, um Stalin zu ermorden. Weiterhin wurde er beschuldigt, homosexuell zu sein und seine Frau Jewgenia Salomonowna ermordet zu haben. Während der Verhöre akzeptierte er die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen widerstandslos, leugnete sie allerdings größtenteils während der Gerichtsverhandlung. Am 2. Februar 1940 wurde er von einem Militärkollegium des Obersten Gerichts zum Tode verurteilt und am 4. Februar im Keller des Butyrka-Gefängnisses erschossen. Seine bedingungslose Untergebenheit gegenüber Stalin zeigte sich noch einmal in seinem Abschiedsbrief, in dem er gegenüber seinen Henkern folgenden Wunsch äußerte: „Sagt Stalin, ich sterbe mit seinem Namen auf meinen Lippen.“ An der Hinrichtung Jeschows soll der spätere KGB-Chef Serow einen maßgeblichen Anteil gehabt haben. [5] Nach der Exekution wurde die Leiche eingeäschert und anonym auf dem Donskoi-Friedhof verscharrt.

Nach seinem Tod sollte Jeschow niemals in der Nähe Stalins existiert haben. Um die verhängte Damnatio memoriae zu realisieren, wurde beispielsweise sein Bild aus verschiedenen Fotografien, die ihn mit Stalin zeigen, herausretuschiert. Aufgrund seiner tatsächlich verübten Verbrechen, die er als Chef der NKWD begangen hatte, wurde er im Gegensatz zu vielen anderen Opfern der stalinistischen Justiz niemals postum rehabilitiert.

Literatur

  • J. Arch Getty, Oleg V. Naumov: Yezhov. The Rise of Stalin’s „Iron Fist“; Yale University Press, 2008; ISBN 0300092059
  • Alexander Michailowitsch Orlow: The Secret History of Stalin’s Crimes; Random House, 1953
  • Oleg Vitalewitsch Khlewniuk: The History of the Gulag; Yale University Press New Haven & London, 2004; ISBN 0-300-09284-9
  • Б. Б. Брюхонов ,Е.Н. Шошков (B. B. Brjuchonow, E. N. Schoschkow): Оправданию не подлежит: Ежов и ежовщина, 1936-1938 гг (Freispruch ist nicht möglich: Jeschow und die Jeschowtschina 1936 bis 1938); ООО "Петровский фонд" Sankt Petersburg 1998; ISBN 5755900221
  • Marc Jansen, Nikitia Petrov: Stalin’s Loyal Executioner: People’s Commissar Nikolai Ezhov; Hoover Institution Press, 2002; ISBN 0-8179-2902-9, Online-Ausgabe
  • Антон Антонов-Овсеенко: Бе́рия; Фирма Издательство ACT, Moskau, 1999; ISBN 5-237-03178-1
  • Алексей Полянский: ЕЖОВ – История „железного“ сталинского наркома; Мoskau, 2001; ISBN 5-7838-0825-3
  • Roy Medwedew: Let History Judge; Columbia University Press, 1989; ISBN 0-231-06351-2
  • Viktor Suworow: Inside Soviet Military Intelligence; Macmillan Pub. Co., 1984; ISBN 0-02-615510-9
  • Simon Sebag Montefiore: Stalin – The Court of the Red Tsar; Alfred A. Knopf, a Division of Random House, New York, 2004; ISBN 1-4000-4230-5
  • Donald Rayfield: Stalin and his Hangmen. The Tyrant and those who killed for him; Random House, 2004; ISBN 0-375-50632-2
  • Dimitri Wolkogonow: Stalin. Triumph und Tragödie. Ein politisches Porträt. Aus dem Russischen von Vesna Jovanoska, Econ Verlag Düsseldorf, 1989, 3. Auflage 1996; ISBN 3-430-19847-X
  • Gerd Koenen: Utopie der Säuberung. Was war der Kommunismus, Alexander Fest Verlag, Berlin 1998; ISBN 3-8286-0058-1
  • Alan Bullock: Hitler und Stalin. Parallele Leben, Taschenbuchausgabe März 1998 Wilhelm Goldmann Verlag, München; ISBN 3-442-12757-2
  • * Н. В. Петров, К. В. Скоркин (N. W. Petrow, K.W. Skorkin): Кто руководил НКВД, 1934-1941 - Справочник (Wer hatte die Regie im NKWD, 1934 bis 1941 - Verzeichnis); Swenja-Verlag 1999; ISBN 5-7870-0032-3 online

Weblinks

 Commons: Николай Иванович Ежов – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Brjuchonow, Schoschkow: Freispruch ist nicht möglich: Jeschow und die Jeschowtschina 1936-1938, S.???
  2. Suworow: Inside Soviet Military Intelligence
  3. Getty, Naumov: Yezhov; S. 61
  4. Übersetztes Zitat nach Roy Medwedew: Let History Judge; Columbia University Press 1989; ISBN 0-231-06351-2; S. 358 f.: „He [Jeschow] was not at all a ‚ruthless operator‘ at that time […] he gave people the impression of a nervous but well-meaning and attentive person, free of arrogance and bureaucratic manners“.
  5. a b c d Norman Polmar, Thomas B. Allen: Spy Book – The Encyclopedia of Espionage; Greenhill Books London 1997; ISBN 1-85367-278-5
  6. Khlevniuk: The History of the Gulag, S.165
  7. Werth: Insel der Kannibalen, S. 187–189
  8. Khlevniuk: The History of the Gulag, S.144-145
  9. siehe Oleg V. Khlevniuk: The history of the Gulag. From Collectivization to the Great Terror; Yale University Press, 2004; ISBN 0-300-09284-9.
  10. David King: The Commissar Vanishes; Metropolitan Books, 1997; ISBN 0805052941.
  11. Gerd Koenen: Utopie der Säuberung, 1998, S. 265
  12. Wolkogonow: Stalin, S. 434
  13. a b Alan Bullock: Hitler und Stalin, S. 667-668, zitiert nach Medwedew: History S. 458-459
  14. Getty, Naumow: Yezhov, S.12

Anmerkungen

  1. Zu Beginn der dreißiger Jahre wurden auch die Kasachen von der Zwangskollektivierung betroffen. Die spontanen Aufstände gegen die Landenteignung wurden durch die Rote Armee blutig niedergeschlagen.
  2. Anmerkung zu dieser Quelle: Jeschow ist dieser Enzyklopädie in zwei Lemmata vertreten, die sich aber inhaltlich nicht widersprechen: Ezhov, Commisar-Gen. of State Security Nikolai Ivanovich und Yezhov, Nikolai Ivanowich.



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