Nikolaus Franz Niembsch

Nikolaus Franz Niembsch
Nikolaus Lenau, Ölgemälde von Friedrich Amerling

Nikolaus Lenau, eigentlich Nikolaus Franz Niembsch (seit 1820) Edler von Strehlenau (* 13. August 1802 in Csatád (dt. Schadat) im Banat, Königreich Ungarn innerhalb der habsburgischen Donaumonarchie, heute Lenauheim in Rumänien; † 22. August 1850 in Oberdöbling, heute ein Stadtteil Wiens), war ein österreichischer Schriftsteller des Biedermeier.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nikolaus Lenau, gemalt von Johann Umlauf, ca. 1844

Nachdem sein Vater, ein habsburgischer Beamter, in Budapest im Jahre 1807 gestorben war, blieben die Kinder unter der Obhut der Mutter, die sich 1811 wieder verheiratete. Der Vater war der Spielsucht verfallen und ließ die Familie verarmt zurück. Durch den Einsatz ihres Erbes ermöglichte die Mutter Sohn Nikolaus, das Piaristengymnasium in Pest zu besuchen. 1819 ging Lenau an die Universität Wien, studierte anschließend ungarisches Recht in Pressburg und wandte sich dann während vier Jahren medizinischen Studien zu. Er konnte sich für keinen Beruf entscheiden und begann schon als Jugendlicher Verse zu schreiben. Nach dem Tode seiner Mutter im Jahre 1829 versank er in Schwermut. Trotz aller Melancholie schuf Lenau in einer kreativen Schaffensphase von 1832 bis 1844 ein umfangreiches Werk. Eine Erbschaft seiner Großmutter 1830 erlaubte es ihm, sich ganz der Poesie zu widmen. Seine ersten Gedichte waren schon 1827 in der Zeitschrift Aurora des jungen Verlegers Johann Gabriel Seidl erschienen.

Anfang November 1831 kam Lenau nach Heidelberg, um hier die medizinische Doktorprüfung abzulegen. Er wohnte im „König von Portugal“ (Hauptstr. 146). In Heidelberg lernte er Gustav Schwab kennen, der ihm die Veröffentlichung seiner Gedichte bei Cotta vermittelte. 1832 widmete Lenau ihm einen Gedichtband. In Heidelberg war Lenau Mitbegründer der Burschenschaft Frankonia, die am 13. Dezember 1831 nach langen vergeblichen Mühen vom Senat die Zulassung erhielt. Er hatte schon ab 1820 in Wien Kontakt zu Burschenschaftern und muss ihn unmittelbar nach seiner Ankunft in Heidelberg wieder aufgenommen und weiter gepflegt haben. Eine verbotene Burschenschaft, die nach ihrem damaligen Kneiplokal, dem „Goldenen Fäßchen“ (Ingrimstr. 16), den Namen „Fäßlerianer“ trugen, nahm ihn auf, wovon ein Brief vom 1. Dezember 1831 an Karl Mayer Zeugnis ablegt.

Europas müde, beschloss Lenau schließlich, sich in den unberührten Urwäldern Nordamerikas als Farmer niederzulassen. Er landete im Oktober 1832 in Baltimore, lebte zunächst in einer Siedlung in Ohio und danach sechs Monate in New Harmony. Das Leben in Amerika und der herrschende Materialismus enttäuschte ihn; er sprach vom „englischen Talergelispel“ und bezeichnete die USA als „verschweinte Staaten von Amerika“. 1833 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er dank des Erfolgs seines ersten Gedichtbandes Anerkennung fand. Von nun an teilte er sein Leben zwischen Stuttgart und Wien. 1836 erschien seine Fassung des Faust, im nächsten Jahr „Savonarola“, ein episches Werk, in dem Freiheit von politischer und geistiger Tyrannei als wesentliches Merkmal des Christentums erscheint. Seine Neueren Gedichte, die 1838 erschienen, sind zum Teil von seiner hoffnungslosen Leidenschaft für Sophie von Löwenthal, geborene von Kleyle (1810-1889), die Frau eines Freundes, geprägt. 1842 erschienen „Die Albigenser“, und 1844 begann er mit der Niederschrift seines Don Juan, wovon ein Fragment nach seinem Tod erschien. Im selben Jahr verfiel er nach einem Schlaganfall in zunehmende geistige Umnachtung, wurde im Oktober 1844 in die Nervenheilanstalt Winnenthal bei Stuttgart eingeliefert und im Mai 1847 in die Pflegestätte des Dr. Görgen in Oberdöbling bei Wien verlegt, wo er noch drei Jahre bis zu seinem Tode verbrachte.

Bedeutung

Grabmal von Nikolaus Lenau im Friedhof Weidling

Lenau ist der größte moderne lyrische Dichter Österreichs und in der deutschen Literatur der typische Vertreter des Weltschmerzes, der mit Lord Byron begonnen hatte und seinen Höhepunkt mit Giacomo Leopardi erreichen sollte.

Lenau ist neben Heinrich Heine ein wichtiger Repräsentant des Vormärz und gleichzeitig ein Naturlyriker von hohem Rang (Schilflieder, Waldlieder). Zur deutschen Literatur trägt Lenau einen einzigartigen, melancholischen Ton bei, der sich durch weite Teile seiner Dichtung zieht. Zahlreiche seiner Lieder wurden vertont, unter anderem von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Franz Liszt und Richard Strauss.

Die Erstausgabe der Sämtlichen Werke von Lenau erschien 1855 bei A. Grun. Seit einigen Jahren liegen die Werke und Briefe Nikolaus Lenaus in einer historisch-kritischen Edition vor.

Werke

  • Winternacht
  • Der Unbeständige, 1822
  • Abschied. Lied eines Auswanderers, 1823
  • Polenlieder, 1835
  • Faust. Ein Gedicht, 1836
  • Savonarola, 1837
  • Stimme des Kindes, 1838
  • In der Neujahrsnacht, 1840
  • Die Drei, 1842
  • Die Albigenser, 1842
  • Waldlieder, 1843
  • Blick in den Strom, 1844
  • Eitel nichts!, 1844
  • Don Juan (Fragment), 1844
  • Der Postillion 1835
  • Bitte, 1832
  • Cimbal und Harfe, ausgewählte Gedichte, Hans Maria Loew (Hrsg.), Bergland Verlag Wien 1957.

Nach ihm benannt

Um seine Bedeutung zu zeigen, sind viele Straßen und Gassen nach ihm benannt, wie beispielsweise in Wien-Josefstadt, Perchtoldsdorf, Graz, Salzburg, Stadl-Paura, Guntramsdorf, Pinkafeld, Duisburg sowie in Karlsfeld, bzw. Karlsruhe, Berlin im Stadtteil Neukölln und in Winnenden. In Winnenden gibt es auch ein Lenauhaus im Schloss Winnenthal, der ehemaligen Heilanstalt Winnenthal. Nikolaus Lenau war einer der berühmtesten Patienten des heutigen Zentrums für Psychiatrie in Winnenden. Es gibt mehrere nach Nikolaus Lenau benannte Schulen, z.B. das deutschsprachige Nikolaus Lenau Lyzeum in Timişoara, Rumänien, die Volks- und Sonderschule in Gmunden in Österreich, und die Lenau-Grundschule in Berlin-Kreuzberg.

Für die niederösterreichische Stadt Stockerau ist Nikolaus Lenau von besonderer Bedeutung. In seiner Jugend war der Dichter von 1818 bis 1821, hauptsächlich in den Ferien bei seinen Großeltern in Stockerau, die sich auch „Lenau-Stadt“ nennt. Durch die Gründung der „Internationalen Lenau-Gesellschaft“ (1964) und die Eröffnung des „Internationalen Lenau-Archives“ (1968) entstand hier ein Zentrum der Lenau-Forschung.

Die größte posthume Ehre wurde ihm 1926 mit der Umbenennung seines heute in Rumänien liegenden Geburtsortes Csadát in Lenauheim zuteil. Nikolaus Lenau ist eine Identifikationsgestalt der Banater Schwaben.

Literatur

  • Ulrike Abraham: „Stumm rang die Nacht mit letztem Sonnenstrahle“. Die Naturmetaphorik Nikolaus Lenaus. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-89846-032-0.
  • Boshidara Deliivanova: Epos und Geschichte. Weltanschauliche, philosophische und gattungsästhetische Probleme in den Epen von Nikolaus Lenau. Lang, Frankfurt am Main 1995 (= Hamburger Beiträge zur Germanistik; 20), ISBN 3-631-47674-4.
  • Vincenzo Errante: Lenau. Geschichte eines Märtyrers der Poesie. Heinrich-Heine-Verlag, Mengen 1948.
  • Winfried Freund: „Natur! - will dir ans Herz mich legen!“ Nikolaus Lenau - Eine Hommage an den Dichter aus Anlass seines 200. Geburtstags. In: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, Nr. 423. Stuttgart 2004 [2005], S. 325-344, ISBN 3-88099-428-5.
  • Carl Gibson: Nietzsches Lenau-Rezeption. In: „Sprachkunst“ 1986, 2. Halbband. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien, S.188-205.
  • Carl Gibson: Lenau. Leben - Werk - Wirkung. Beiträge zur Literaturgeschichte, Band 100, Carl Winter Universitätsverlag Heidelberg 1989, ISBN 3-533-04206-5.
  • Jean-Pierre Hammer: Lenau. Dichter und Rebell. Schwaz 1993, ISBN 3-85093-033-5.
  • Petra Hartmann: Faust und Don Juan. Ein Verschmelzungsprozeß, dargestellt anhand der Autoren: Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Wolfgang von Goethe, Nikolaus Lenau, Christian Dietrich Grabbe, Gustav Kühne und Theodor Mundt. Ibidem, Stuttgart 1998, ISBN 3-932602-29-3.
  • Rainer Hochheim: Nikolaus Lenau. Geschichte seiner Wirkung 1850-1918. Lang, Frankfurt am Main 1982 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; 470), ISBN 3-8204-5983-9.
  • Stefani Kugler: Kunst-Zigeuner. Konstruktionen des „Zigeuners“ in der deutschen Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. WVT, Trier 2004 (= Literatur, Imagination, Realität; 34), ISBN 3-88476-660-0.
  • Norbert Otto Eke und Karl Jürgen Skrodzki (bearb.): Lenau-Chronik. 1802-1851. Deuticke, Wien 1992, ISBN 3-216-07357-2.
  • Roman Rocek: Dämonie des Biedermeier. Nikolaus Lenaus Lebenstragödie. Wien, Köln, Weimar 2005, ISBN 3-205-99369-1.
  • Alexander Stillmark (Hrsg.): Lenau zwischen Ost und West / Londoner Symposium (19. und 20. April 1990). Heinz, Stuttgart 1992 (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 268), ISBN 3-88099-272-X.
  • Rainer Hochheim (bearb.): Nikolaus Lenau. Deutschsprachige Personalbibliographie (1850-1981). Budapest 1983. (= Budapester Beiträge zur Germanistik; 12)
  • Antal Mádl und Ferenc Szász (Hrsg.): Nikolaus Lenau in Ungarn. Bibliographie. Loránd-Eötvös-Univ., Budapest 1979. (= Budapester Beiträge zur Germanistik; 5)
  • Eduard Schneider und Stefan Sienerth (Hrsg.): Nikolaus Lenau. „Ich bin ein unstäter Mensch auf Erden“. Begleitbuch zur Ausstellung. München 1993, ISBN 3-88356-092-8.
  • Antal Mádl: Auf Lenaus Spuren. Beiträge zur österreichischen Literatur. Österreich. Bundesverlag, Wien 1982, ISBN 3-215-04794-2.
  • Wolfgang Martens: Bild und Motiv im Weltschmerz. Studien zur Dichtung Lenaus. Böhlau, Köln u. a. 1957. (= Literatur und Leben; N.F., 4)
  • Michael Ritter: Zeit des Herbstes. Nikolaus Lenau. Biografie. Deuticke, Wien u. a. 2002, ISBN 3-216-30524-4.
  • Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Nikolaus Lenau. Zwischen Romantik und Moderne. Studien. Ed. Praesens, Wien 2003, ISBN 3-7069-0158-7.
  • Daniel Jacoby: Nikolaus Lenau. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 18, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S. 242–249.

Siehe auch

Weblinks


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