Nogaier-Tataren

Nogaier-Tataren
Nationale Flagge der russischen Nogaier

Die Nogaier (nogaisch Hогъай, Ногъайлар Noghaj, Noghajlar) sind eine turksprachige Ethnie des Kaukasusgebietes. Sie sind ein westtürkisches Volk der kiptschakischen Untergruppe. Ihre Sprache wird Nogaisch genannt.

Inhaltsverzeichnis

Alternative Bezeichnungen

Für die Volksgruppe der Nogaier ist im deutschen auch „Noghaier“ gebräuchlich. Frühere Bezeichnungen sind auch „Nogai-Tataren“, „Berg-Tataren“ oder einfach nur „Tataren“. Im Türkischen ist die Bezeichnung „Nogay Türkleri“ (nogaische Türken) gebräuchlich.

Namensherkunft

Der Volksname „Nogaier“ leitet sich von einem Nachfahren Dschingis Khans ab. Nogai Khan spaltete sich 1260 mit verschiedenen tatarischen Regionalstämmen von der Goldenen Horde ab und errichtete ein autonomes Khanat.

Siedlungsraum

Ethnolinguistische Karte der Kaukasusregion mit dem Siedlungsraum der Nogaier

Die Nogaier leben heute vor allem in Südrussland, wo sie in Dagestan, Tschetschenien und den Gebieten Astrachan und im Gebiet Stawropol anzutreffen sind. Ferner sind auch in der Türkei, der Ukraine, Rumänien und Bulgarien als ethnische Minderheit beheimatet. Eine ungewisse Anzahl Nogaier lebt auch im übrigen Europa. Diese werden von den jeweiligen Ländern nicht nach ihrer Nationalität, sondern nach der Staatsangehörigkeit erfasst. So sind die meisten europäischen Nogaier dann auch amtlich als „Russen“ summiert.

Hauptverbreitungsgebiet ist bis heute das nördliche Kaukasusgebiet, wo rund 65.000 Nogaier leben. Diese sind noch immer einem hohen Assimilierungsdruck von Seiten der bevölkerungsreicheren Nachbarvölker ausgesetzt.

In der Dobrudscha leben noch einige wenige tausend Nogaier, hauptsächlich um die Ortschaften Kogolniceau, Kocali, Vala Dacilor und Kubadin. Etwa 200.000 Nogaier leben in verschiedenen Regionen der Ukraine (Budschak, Jedisan, Taurien).

In der Türkei lebt mit etwa über 1 Million Nogaiern der größte Teil dieses Volkes. Dessen Siedlungsgebiet dort verteilt sich auf die Provinzen Ceyhan/Adana, Eskisehir und Ankara, Tokat, Konya, Istanbul wo sie auch weiterhin neben ihrer eigenen Sprache auch ihre anderen Traditionen zu wahren versuchen, wie etwa ihre nogaiische Küche, zu der Gerichte wie Üken börek, kasık börek, taba börek, shır börek, kazan börek, bilamik, bavursak, köbete, hinkal, kalakay, nogay ödbek und Nogay şay gehören zu den wichtigsten Spezialitäten.

In den verschiedene Siedlungsräumen bildeten sich im Laufe der Geschichte fünf Untergruppen aus:

  • die Kuban-Nogaier nördlich des Asowschen Meeres
  • die Kara- Nogaier in Dagistan
  • die Bujak (oder Bicak), die ursprünglich zwischen Donau und Dnjestr beheimatet waren
  • Jedsan (oder Cedsan), ursprünglich zwischen Dnjestr und Bug (das Gebiet hieß daher auch Jedisan)
  • Jamboyluk, ursprünglich zwischen Bug und Krim
  • Jedischkul, ursprünglich nördlich der Krim

Die Nogaier wurden mitunter auch nur in drei Territorialgruppen eingeteilt:[1]

  • Atschikulak-Nogaier (Zentral-Nogaier)
  • Kara-Nogaier (Schwarz-Nogaier)
  • Ak-Nogaier (Weiß-Nogaier)

Diese Unterteilung gilt heute aber überwiegend als veraltet und wird kaum noch verwendet.

Herkunft

Die Nogaier gelten als Nachfahren von Mongolen und kiptschakischer Völker. Ihnen schlossen sich zahlreich andere Ethnien an, die von den späteren Nogaiern assimiliert wurden. „Nogai“ war auch eine mögliche Bezeichnung für „Zigeuner“ bzw. für „Nomade“.

Religion

Der Religion nach sind die Nogaier überwiegend sunnitische Muslime, daneben existiert eine kleine schiitische Minderheit.

Geschichte

Um 1260 spalteten sich die Vorfahren der heutigen Nogaier von der Goldenen Horde ab und gründeten ein unabhängiges „Khanat der Nogaier-Horde“. Damit waren sie zeitweise die Herrscher des pontischen Steppengebietes bis zur Dobrudscha. Zunächst waren sie Vasallen des mongolischen Khanats Astrachan, nachdem dieses 1556 von Russland unterworfen wurde, schlossen sie sich dem Krim-Khanat an, für das sie den nördlichen Grenzschutz übernahmen. Die Nogaier besaßen lange eine nomadische Tradition und zogen ihren Viehherden zu den entsprechenden Weidegründen nach. Daneben betrieben sie aber auch vereinzelt den Anbau von Getreide. Nogaier trugen zur Ausbreitung des Islam in der Ukraine bei. Allerdings hatten die Nogaier der russischen Expansion in Richtung Schwarzes Meer und Kaukasus wenig entgegenzusetzen. Hatten die ständigen Raubzüge der Nogaier zunächst ein Vordringen slawischer Siedler verhindert, wurden nach dem Sieg Russlands über das Krim-Khanat und die Annexion der entsprechenden Gebiete im Jahre 1783 nach Süden verdrängt. Ihre Zeltsiedlungen wurden nun oft von Russen in Brand gesteckt, ihr Besitz konfisziert, sodass die meisten Nogaier im Gebiet der Tscherkessen am Fuß des Kaukasus Zuflucht suchten oder in das Osmanische Reich emigrierten. So siedelten vor allem Angehörige der Bujak und der Jedsan (insgesamt rund 7.000 Menschen) im Gebiet der Dobrudscha, von denen aber später viele nach Anatolien zogen. Der größte Exodus fand allerdings um das Jahr 1859 statt, als etwa 50.000 der insgesamt 70.000 um Stawropol und am Kuban lebenden Nogaier das Zarenreich Richtung Osmanisches Reich verließen. Ihnen schlossen sich auch Nogaier an, die auf der Krim und in der Ukraine lebten. 1860 zogen auch rund 300.000 Krimtataren, mit denen die Nogaier ja traditionell verbündet waren, ins Osmanische Reich. Andere Nogaier zogen, gemeinsam mit Tscherkessen, direkt aus dem Kaukasus in die Türkei.

In der Sowjet-Zeit besaßen die Nogaier keinen Status als anerkannte Minderheiten-Nation oder ein entsprechend abgegrenztes Territorium, wie das bei anderen Kaukasus-Völkern der Fall war. Dadurch wurde die Ausbildung einer eigenen nationalen Identität erschwert.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung, S. 386

Literatur

  • Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung. Geografie - Kultur - Gesellschaft, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg 2000, ISBN 3-933203-84-8

Weblinks


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