Nordseeinsel Memmert

Nordseeinsel Memmert
Geographische Lage Memmerts
Insel Juist (im Norden) mit Memmert (im Süden) und Sandbank Kachelotplate (im Westen)
Blick auf Memmert von Nordwesten

Die 5,17 km² große deutsche Nordseeinsel Memmert liegt südwestlich von Juist und östlich von Borkum an der Osterems in Ostfriesland (Niedersachsen).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Name und erste Erwähnung

Die Bedeutung des Namens „Memmert“ ist unsicher. Auf alten Karten wird die Insel als „de Meem“ bezeichnet. Es ist reine Spekulation, dass „Memmert“ vom Eisheiligen Mamertus abgeleitet wird, nach dem angeblich ein Schiff benannt war, das auf der Insel strandete.

Memmert wurde 1650 zum ersten Mal als Sandbank erwähnt, „die nicht mehr bei einer gemeinen Flut unterläuft und stellenweise Bewuchs trägt“. Bis in die 1950er Jahre wurde die Insel umgangssprachlich immer noch „Memmertsand“ genannt, was ausdrücken sollte, dass es sich jahrhundertelang mehr um eine Sandbank als ein flutfreies Land handelte.

Das Engagement Otto Leeges

Es war der Juister Lehrer Otto Leege (* 1862, † 1951), der als Geburtshelfer und „Vater“ des Memmert gilt. Otto Leege wurde 1862 in Uelsen (Grafschaft Bentheim) geboren, 1882 übernahm er auf der Insel Juist eine Lehrerstelle. Wegen seiner zahlreichen Studien zur Botanik und Pflanzensoziologie, Zoologie und Ornithologie, Geschichte und Geologie erhielt er von der Universität Göttingen die Ehrendoktorwürde verliehen. Die Naturforschende Gesellschaft in Emden ernannte ihn 1932 zum Ehrenmitglied.

Leege betrat 1888 zum ersten Mal die Sandbank bei Juist. Aber nicht nur er besuchte die Insel in den Folgejahren immer wieder: Zum touristischen Angebot der Insel Juist wurden Möwenjagden, auch auf Memmert veranstaltet, wobei der Begriff „Möwe“ sehr weit gefasst und auf alles geschossen wurde, was fliegen konnte. Eiersammler der benachbarten Inseln plünderten jährlich fast alle Gelege der Silbermöwe, der Austernfischer und der verschiedenen Seeschwalbenarten.

Nach einer solchen Jagd konnte Leege 1906 beim Besuch der Insel praktisch keinen unversehrten Vogel mehr auf Memmert auffinden. Viele Kadaver von Altvögeln und verhungerten Jungvögeln lagen zwischen Patronenhülsen, angeschossene Vögel liefen in den Dünen herum.

Vogelkolonie

Durch die Initiative des „Deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt” wurde Memmert durch einen Erlass des preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten in Berlin am 31. Juli 1907 zur Vogelkolonie erklärt. Otto Leege wurde vom Verein zum Bevollmächtigten bestellt.

Die erste Hütte wurde 1908 auf der Insel gebaut. Ein erster Vogelwärter von Juist bewachte die Insel. Durch Dünenabbrüche mussten in den Jahren 1924, 1957 und 1971 neue Häuser an verschiedenen Stellen gebaut werden, bevor die jeweiligen Vorgänger durch die Stranderosion unterspült wurden. Das Fundament des Hauses von 1957, erbaut auf einer Betonplattform auf Stahl- und Betonständern für eine Küstenbatterie im Ersten Weltkrieg, steht noch heute am Strand von Memmert und kann mit einem Fernglas von Juist, Borkum und vom Festland aus gesehen werden. Die Betonkonstruktion stand einmal mitten in den Dünen und steht nun 250 m von den Dünen entfernt im Watt.

Die Insel wurde, zunächst ab 1908 sporadisch, dann ab 1921 dauernd, von einem Vogelwart bewohnt. Der erste ständige Vogelwärter war der Sohn Otto Leeges, Otto Leege jr. Er blieb mit seiner Familie bis zu seinem frühen Tode 1946 auf der Insel, an ihn erinnert ein mächtiges Holzkreuz auf der danach benannten „Kreuzdüne”. Die Arbeit auf der Insel wurde zunächst von seiner Frau Therese Leege bis 1956 fortgeführt.

Ihr Schwiegersohn Gerhard Pundt führte die Arbeit eines Inselvogtes und Vogelwartes ab 1956 bis 1973 weiter. Er lebte mit seiner Frau Klara (geb. Leege, Tochter von Otto Leege jr. und Therese) und den drei Kindern Immo, Antje und Hardy bis 1973 auf der Insel. Er führte aktiv Arbeiten zum Insel- und Dünenschutz aus, wobei sich dies angesichts des Naturschutzgebietscharakters der Insel auf Sandfangzäune und Helmpflanzungen beschränkte. Diese konnten jedoch die massiven Einbrüche der Nordsee ab dem Ende der 1960er Jahre nicht aufhalten. Die Abbrüche lassen sich heute ermessen, wenn man die nach wie vor stehende Fundamentplatte am Weststrand (Blickrichtung Borkum) betrachtet (oben bereits erwähnt), die weit vor den jetzt noch existierenden, kleinen Randdünen steht. Hier befand sich bis 1970 das Wohnhaus der Familie Pundt − heute steht die Fundamentplatte auf mehreren Pfeilern weit in der See. Sie war früher von einer Warft umgeben, ihr vorgelagert war das ältere Wohnhaus Leeges, noch weiter westlich stand ein Schuppen, diesem vorgelagert waren hohe, schutzbietende Dünen und ein verhältnismäßig breiter Strand. Der Strand ist aufgrund von Strömungsverlagerungen der Osterems wesentlich schmaler geworden und bringt dementsprechend kein Nachschubmaterial für neue Dünen mit. Als Folge ist die Westdünenkette im Laufe der 1970er, 80er und 90er Jahre bis auf den noch verbliebenen relativ geringen Nordteil vollständig durch die See zerstört worden. Das heute noch stehende einzige Wohnhaus der Insel Memmert wurde 1971 in den nach wie vor als sicher geltenden Norddünen errichtet. Diese stellen heute gleichwohl die einzigen noch verbliebenen hohen Dünen der Insel dar, der Rest der Insel ist bei höher auflaufenden Fluten der Überschwemmung ausgeliefert.

Nutzungskonflikte im Wattenmeer

Pundts Nachfolger wurde 1973 Reiner Schopf, er begann seinen Dienst beim damaligen „Bauamt für Küstenschutz” in Norden als Inselvogt der Insel Memmert. Schopf lebte dort 30 Jahre und sechs Monate lang, nur durch gelegentliche Urlaube unterbrochen, bis zum August 2003 und verließ die Insel aus Altersgründen. Schopf hatte erheblichen Anteil daran, die Insel wirksam vor Störungen durch Jäger, Eiersammler, Reusensteller, Touristen und Wassersportler zu schützen. Er legte sich auch öffentlich mit den vermeintlich „Betretungsberechtigen” und der Nationalparkverwaltung an, die nach seinem Dafürhalten nicht genug gegen gemeldete Störungen und Beeinträchtigungen von Brut- oder Rastvögeln unternahm. Auf der Nachbarinsel Juist hielt Schopf in der Tourismussaison regelmäßig Vorträge über den Küstenvogelschutz und die Nutzungskonflikte im Wattenmeer.

Schopfs Nachfolger wurde 2003 Enno Janssen, Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Norden.

Das Vogelwärterhaus auf der Kreuzdüne wurde 2003 völlig renoviert und mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Der NLWKN unterhält das komfortable Reetdachhaus von 1971 für den jeweiligen Inselvogt, zu dessen Aufgaben die alljährliche Brutvogelerfassung, die Verhinderung von Störungen und das Absammeln von Müll gehört.

Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

Seit 1986 gehört Memmert zur Schutzzone I im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Die Insel darf ohne schriftliche Genehmigung der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven nicht betreten werden. Lediglich nach der Brutsaison werden ab August Fahrten von Juist mit einer Führung auf der Insel für eine begrenzte Personenzahl durch den Nationalparkwart angeboten.

Memmert gehört heute zum Landkreis Aurich in Niedersachsen. Die Insel ist ein so genanntes gemeindefreies Gebiet (Schlüssel: 03 4 52 501) sowie eine Gemarkung.

Natur

Löffler

Memmert ist neben Norderoog, Trischen, Süderoog, Nigehörn, Scharhörn, Mellum, Minsener Oog, Rottumerplaat, Rottumeroog und Griend eine der wenigen (von Wärtern abgesehen) unbewohnten Inseln im Wattenmeer. Hier können auch sehr scheue Vögel weitgehend von Menschen ungestört brüten und rasten. Hier ist einer der wenigen Brutplätze des Löfflers in Deutschland, der hier 1996 zum ersten Mal erfolgreich brütete. Memmert verfügt über eine große Brutkolonie der Heringsmöwe (Larus fuscus).

Auf der Billdüne brüten Kormorane als Bodenbrüter. Alle Seeschwalbenarten haben in unterschiedlicher Häufigkeit auf der Insel gebrütet. Die Insel ist ebenfalls Brutplatz der Löffelente, der Eiderente, der Kornweihe und verschiedener Watvogelarten. Allerdings ist der Brutplatz nur begrenzt: Die Insel ist circa 620 Hektar groß (Fläche über dem mittleren Tidehochwasser, mTHw), davon bestehen ca. 200 Hektar aus Grünland, von dem nur 150 Hektar nicht vom Springtiden-Hochwasser betroffen sind, d. h. nur diese 150 Hektar können ohne Überflutungsgefahr als Brutplätze genutzt werden.

Seezeichen

Am 31. August 1900 wurde eine Bake errichtet, die aber schon im folgenden Jahr durch eine Sturmflut zerstört wurde. Neue Baken wurden in den Jahren 1901, 1910 und 1931 aufgestellt. Die letzte fiel im Winter 1936/1937 einer Sturmflut zum Opfer. Seit 1932 wird das alte, 14 Meter hohe und ölbetriebene Ostmolenfeuer von Emden verwendet.

1939 wurde in den Dünen ein neuer Leuchtturm gebaut und erstmals eine inzwischen defekte Stromleitung nach Memmert verlegt. Der Leuchtturm ist seit 1986 nicht mehr in Betrieb. Durch Dünenerosion stand er 1986 im Wasser, seine Optik wurde 1990 abgebaut. Seit 1992 befindet sich die Laterne des Leuchtturms im Juister Hafengelände, ohne eine Schifffahrtsfunktion auszuüben. 2002 riss das Wasser- und Schifffahrtsamt Emden auch den Sockel des Leuchtturms ab, der schon längst freigespült in der Brandung stand.

Literatur

  • Hans Nitzschke (Hrsg.): Otto Leege: der Vater des Memmert, Erforscher Ostfrieslands und seiner Inseln – Das Otto-Leege-Buch. Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1971
  • Michael Schulte: Insel-Liebe – Menschenlos glücklich: ein Porträt. Books on Demand, ISBN 3-8334-3244-6 (Das Porträt beschreibt den langjährigen Vogelwart Reiner Schopf)
  • Robert Erskine Childers: Das Rätsel der Sandbank (The Riddle of the Sands). fiktiver Spionageroman, der die Aufdeckung der Invasionsvorbereitung auf die britische Insel durch das deutsche Kaiserreich im Jahr 1902 zum Inhalt hat. Schauplatz ist das ostfriesische Wattenmeer und auch Memmert als Trainingsinsel für die Invasion, im Roman Memmert Sand genannt. Der Roman wurde mehrfach verfilmt.

Weblinks


53.6327777777786.87777777777787Koordinaten: 53° 38′ N, 6° 53′ O


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