Nuba-Berge

Nuba-Berge
Nuba-Berge südlich von al-Ubayyid
Bundesstaat Dschanub-Kurdufan

Die Nuba-Berge (arabisch ‏جبال النوبةDschibal an-Nuba) sind ein Gebirge in dem Bundesstaat Dschanub Kurdufan in der Mitte des Sudan. Das Gebiet liegt zwischen 500 und 1325 m hoch, ist vergleichsweise wasserreich und von als Nuba bezeichneten schwarzafrikanischen Völkern besiedelt. Das Land zwischen den Hügeln ist fruchtbar. Geografisch und politisch liegen die Nuba-Berge im Nordsudan, ethnisch und kulturell gehören sie jedoch zum Südsudan.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige (Khediven) von Ägypten gekommen war, brach um 1880 der Mahdi-Aufstand aus. Um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen, begab sich der Mahdi auf einen Marsch nach Kordofan. Gegenüber seinen Anhängern verglich er diese Umsiedlung mit der Hidschra, Mohammeds Auswanderung von Mekka nach Medina. Nach einem beschwerlichen Marsch durch die Wüste erreichten die Mahdisten am 31. Oktober 1881 die Nuba-Berge. Dort erklärte der Mahdi, dass der Berg Dschebel Gebir der legendäre Berg Masa sei, von dem eines Tages der Erlöser herabsteigen solle. Hier errichtete er einen Stützpunkt, wo er am 9. Dezember 1881 seinen zweiten Sieg erringen konnte. Daraufhin wurde der Generalgouverneur Sudans, Rauf Pascha, abberufen. Der neue Gouverneur Giegler Pascha entsandte im Juni 1882 eine Streitmacht von 6.000 Mann unter dem Kommando von Jusuf el-Schallali Pascha in die Nuba-Berge. Am 6. Juni wurde auch diese Streitmacht zerschlagen. Nach der Niederschlagung des Mahdi-Aufstands 1898 durch die Briten wurden die Nuba-Berge Teil des Anglo-Ägyptischen Sudan bis zur Unabhängigkeit des Landes 1956.

Im 19. Jahrhundert, besonders während der türkisch-ägyptischen Herrschaft und bis zur Herrschaft des Mahdi, blühte der Handel mit Nuba-Sklaven, der von den arabischen Baggara als Zwischenhändlern betrieben wurde. Nuba flüchteten in Rückzugsgebiete in die Berge. Die Briten versuchten die Nuba zur Rückkehr aus den Bergen zu bewegen und die Beziehungen zu den Arabern zu verbessern, indem sie ab 1922 das Gebiet isolierten. Arabische Händler benötigten nun eine besondere Erlaubnis, um in das Gebiet zu gelangen. 1937 wurde die Isolation aufgegeben und die Region Nord-Kordofan angeschlossen. Nuba litten weiterhin unter struktureller Benachteiligung aufgrund mangelnder Bildung und Unterentwicklung. Eine aggressive Assimilierungskampagne des arabischen Nordens ließ viele Nuba zum Islam übertreten. Während des ersten Bürgerkriegs im Südsudan, der 1956 begann, verhielten sich die Nuba politisch indifferent und schlossen sich nicht dem Süden an.

Geografie und Bevölkerung

Unter dem Oberbegriff Nuba werden rund 90 Prozent der Bevölkerung der Region zusammengefasst. Man versteht darunter rund 50 schwarzafrikanische, Ackerbau treibende Volksgruppen, die ebenso viele unterschiedliche Sprachen sprechen, welche sich in 10 Sprachgruppen unterteilen lassen. Die übrigen 10 Prozent sind um 1800 aus dem Norden eingewanderte arabische Viehhirten, die Baggara genannt werden und aus den beiden Gruppen der Hawazma- und Misiriya-Araber bestehen. Die kleine Minderheit arabischer Händler heißt im Volksmund „Jellaba“. Von der Bevölkerung in den Nuba-Bergen sind etwa 60 Prozent Bauern, die auf kleinen Parzellen Subsistenzlandwirtschaft und etwas Viehzucht betreiben. 30 Prozent sind halbnomadische Viehzüchter, 8 Prozent betreiben Landwirtschaft als Großbauern. Das Verhältnis zwischen Nuba und Baggara ist nach wie vor historisch belastet. Allgemein gibt es einen Konflikt um Landrechte.[1]

Typisch für das Gebiet sind einige wenige Berggipfel, die als Tafelberge mit steilen Flanken über die flacheren Hügel hinausragen. Der mit 1460 Meter höchste Gipfel heißt Temading. Er liegt nördlich der Kleinstadt Rashad im östlichen Zentrum der Nuba-Berge. Die zweithöchste Erhebung ist der 1413 Meter hohe ad-Dair am Nordrand des Berglandes.

Die Niederschläge fallen von Mitte Mai bis Mitte Oktober. Die fruchtbarsten Böden liegen entlang der Wadis in den Tälern. Auf den Hügeln betreiben die Nuba Wanderfeldbau, Brachezeiten und Aufteilung der Felder werden durch traditionell verankerte Nuba-Landrechte geregelt. Unbestelltes Land verbleibt in kommunalem Besitz. Die Hauptursache, weshalb der Konflikt zwischen den Volksgruppen ausbrach, war die 1968 durch einen Weltbankkredit finanzierte Einführung der mechanisierten Landwirtschaft und die Landrechtsreform, die dies ermöglichte. Viele Nuba wurden enteignet und kommunales Land geriet in die Hände weniger Großgrundbesitzer, die über die Hälfte des fruchtbaren Landes in den Ebenen erhielten und mit den Baggara eine vorübergehende Allianz bildeten. Baggara verlagerten ihre Viehwanderrouten und beanspruchten nun Land der Kleinbauern. Dadurch sympathisierten die Bauern beim zweiten Ausbruch des Bürgerkriegs 1983 mit dem Süden. Ab 1985 wurden die Baggara von der nordsudanesischen Regierung mit Waffen versorgt, damit begann der Krieg auch in den Nuba-Bergen.[2]

Wie die Nuba-Berge politisch und kulturell im Grenzland zwischen Norden und Süden liegen, wird auch an den in den letzten Jahren sich langsam ändernden Ritualen und Jahresfesten deutlich. Bei den Festen zur Erntezeit spielt das gemeinschaftliche Trinken von Merisa (Hirsebier) aus einem großen Gefäß auch bei islamisierten Nuba eine wichtige Rolle. Jüngere Nuba, die in der islamischen Gemeinschaft akzeptiert werden wollen, müssen mit einem Identitätsproblem kämpfen und versuchen, ihren Glauben nach außen durch Einhaltung von Seklusion und Abstinenz von Alkohol zu demonstrieren. Das Erntefest mit Bier wird durch Id al-Fitr und das gemeinsam verspeiste Opfertier ersetzt.

Politik

Durch die Nuba-Berge führt eine Pipeline, die Erdöl aus dem unmittelbar südlich angrenzenden Fördergebiet am Gazellenfluss mit dem Zentrum in der Region Abyei nach Port Sudan am Roten Meer transportiert. Hier liegt ein weiterer Grund, weshalb die Nuba-Berge seit den 1980er Jahren in den Bürgerkrieg hineingezogen wurden. Nuba griffen auf Seiten der traditionell im Ölfördergebiet siedelnden Volksgruppen der Ngok-Dinka (die Sudanesische Volksbefreiungsarmee SPLA wird von Dinka getragen) in den Konflikt mit den dortigen Misiriya-Arabern (Baggara) ein. Die Baggara wurden von nordsudanesischer Seite zu Plünderungen und Vertreibungen von Schwarzafrikanern aufgefordert.[3] Der Krieg in den Nuba-Bergen wurde von Regierungsseite im Herbst 1991 begonnen und erklärtermaßen als Dschihad geführt. General Baschir hatte nach seiner Machtübernahme 1989 die Popular Defence Forces (PDF) ins Leben gerufen, einer Armee, deren Rekruten den Heiligen Krieg gegen den Süden führen sollten. Diese Armee griff in den Nuba-Bergen auch die muslimische Bevölkerung an, zerstörte Moscheen und ermordete die Männer, während Frauen und Kinder als Sklaven in den Norden verschleppt wurden.[4] Ganze Dörfer wurden dabei ausgelöscht und die Stammesführer getötet. In einer Konferenz im April 1992 in Khartum, an der 120 regierungstreue Stammesführer teilnahmen, gab der Gouverneur von Kordofan eine Wiederaufnahme des Dschihad in der Provinz Kordofan bekannt. Jedem der Teilnehmer wurde der Ehrentitel Emir verliehen und jeder erhielt eine Maschinenpistole und 200 Schachteln Munition. Kurz danach kam Baschir persönlich in die Nuba-Berge, um den Dschihad zu verkünden.[5]

Die schweren Menschenrechtsverletzungen an den Nuba wurden von der internationalen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. 1993 fanden erste Friedensverhandlungen zwischen Baggara und Nuba statt. 2002 schränkte das Bürgenstock-Abkommen die Kampfhandlungen in den Nuba-Bergen ein. Seit dem Abschluss des Friedensvertrags zwischen der Regierung und der SPLA 2005 sind die zuvor isolierten Nuba-Berge wieder teilweise aus dem Norden zugänglich. Einige Landstriche waren 2008 noch vermint.

Erneute Unruhen zeichnen sich ab, falls es, wie vom Süden gewünscht, zu einer Abspaltung des Südsudan kommen sollte. Die Bevölkerung der Nuba-Berge, die im Nordteil des Landes zurückbleiben würde, fühlt sich von allen Seiten im Stich gelassen.[6] Sie wirft der SPLA vor, bei den Friedensverhandlungen mit der Regierung in Khartum zwar um die Verteilung des Erdöls von Abyei, aber nicht um eine gerechte Verteilung des Bodens in den Nuba-Bergen zu streiten. In der Region ist die UNMIS stationiert, um gewalttätige Konflikte zu beobachten.[7]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Changes and potential resilience of food systems in the Nuba Mountains conflict. Institute of Development Studies, University of Dar es Salaam. April 2005
  2. Mohamed Suliman: The Nuba Mountains of Sudan. In: Daniel Buckles (Hrsg.): Cultivating Peace. International Development Research Centre, Ottawa 1999, S. 205–220
  3. Andrew Mc Gregor: Sudan’s Oil Industry Faces Major Security Challenges. The Jamestown Foundation. Terrorism Monitor, 11. August 2008
  4. Annette Weber: Machtstrukturen und politische Lager. In: Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte. Sudan. Ferdinand Schöningh, Paderborn u. a. 2008, S. 84f
  5. Peter Nyot Kok: Die „Jihad“-Konzeption der sudanesischen Armee zur Lösung des Bürgerkriegs. In: Sigrid Faath und Hanspeter Mattes: Wuquf 7–8. Beiträge zur Entwicklung von Staat und Gesellschaft in Nordafrika. Hamburg 1993, S. 181f
  6. Nuba Survival Foundation: Naivasha Accord Fails to Address Nuba Grievances. Sudan Tribune, 4. Januar 2005 Presseerklärung, in der der Inhalt des Friedensvertrags beklagt wird. Spricht für die Bevölkerung in den Nuba-Bergen
  7. Sudan’s Southern Kordofan Problem: The Next Darfur? International Crisis Group, Africa Report 145, 21. Oktober 2008

Literatur

  • Leif Ole Manger: From the Mountains to the Plains. The Integration of the Lafofa Nuba into Sudanese Society. The Scandinavian Institute of African Studies, Uppsala 1994. Als PDF
  • Günter Dabitz: Geschichte der Erforschung der Nuba-Berge. Stuttgart 1985

Weblinks

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