Oberschlesien

Oberschlesien
Lage Oberschlesiens
Wappen Oberschlesiens aus dem 19. Jahrhundert
Oberschlesien 1905
Ehem. Bezirksregierung und heutiges Woiwodschaftsamt in Oppeln
Der St. Annaberg; Symbol und wichtigster Wallfahrtsort Oberschlesiens
Karte Schlesiens 1746
Oberschlesien 1818

Oberschlesien (deutscher schlesischer Dialekt: Oberschläsing, Polnisch: Górny Śląsk, polnischer oberschlesischer Dialekt: Gůrny Ślůnsk, Tschechisch: Horní Slezsko) ist der südöstliche Teil der Region Schlesien, der heute größtenteils in Polen in der Woiwodschaft Oppeln und der Woiwodschaft Schlesien und zu einem Teil, dem bis 1918 in Österreich verbliebenen Österreichisch Schlesien, in Tschechien liegt.

Spätestens ab etwa 100 n. Chr. war Schlesien, darunter Oberschlesien von den keltisch-germanischen Lugiern beziehungsweise vandalischen Silingen besiedelt. Ab etwa 550–600 n. Chr. wanderten Westslawen (Slensanen, Opolanen) ein.

Es wechselte seine Zugehörigkeit vom Großmährischen Reich, über zahlreiche Herzogtümer unterschiedlicher Nationen, zur Böhmischen Krone, zu den Habsburgern, zu Österreich zu Preußen und zuletzt zu Polen.

Seit Ende des 9. Jahrhunderts gehörte es zu Böhmen. 1138- 1249 wurde es von den Schlesischen Piasten regiert. Nach seiner Zerstörung durch die Mongolen um 1241 wurde das Land von deutschen Siedlern und der verbliebenen, slawischen Restbevölkerung neubelebt, gehörte seit 1249 zur Krone Österreichs und wurde 1348 Teil des Heiligen Römischen Reiches.

1742 wurde Schlesien und damit der Großteil Oberschlesiens, in den Schlesischen Kriegen von Preußen erobert. Die Teile die nicht an Preußen fielen, bezeichnete man als Österreichisch-Schlesien und heute, soweit sie nicht 1920 zu Polen kamen, als Tschechisch Schlesien.

1919 wurde aus dem Regierungsbezirk Oppeln die eigenständige preußische Provinz Oberschlesien gebildet, zuvor hatte das Gebiet zur preußischen Provinz Schlesien gehört. 1920 wurde ein Teil des Teschener Schlesiens (Olsagebiet) und 1922 auch Ostoberschlesien als Autonome Woiwodschaft Schlesien Polen angegliedert. Durch die Westverschiebung Polens kam Oberschlesien 1945 zur Volksrepublik Polen. Im Jahre 1990 erkannte die Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung im Zwei-plus-Vier-Vertrag die Oder-Neiße-Grenze und somit die Abtrennung Oberschlesiens von Deutschland an.

Als historische Hauptstadt Oberschlesiens gilt die Stadt Oppeln. Im östlichen Teil Oberschlesiens erstreckt sich ein weiträumiges Industriegebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geografie

Oberschlesien bildet den südöstlichen Teil der Landschaft Schlesien. Der größere Teil Oberschlesiens liegt im Südsüdwesten Polens, der kleinere tschechische Teil im Nordosten Tschechiens.

Oberschlesien grenzt an die Regionen Niederschlesien (historisch betrachtet an Mittelschlesien), Großpolen (historische Provinz Posen), Lodsch, Heiligkreuz, Kleinpolen, Mähren und an das Tschechisch-Schlesien.

Größte Flüsse in Oberschlesien sind u.a. die Oder, die Malapane, die Glatzer Neiße, die Raude und die Klodnitz.

Administrative Zugehörigkeit

Administratorisch gehört Oberschlesien, das heute keine politische Einheit bildet, im Westen zur Woiwodschaft Oppeln, im Osten zur Woiwodschaft Schlesien, im Südwesten zu einem kleinen Teil zur Region Olmütz und im Süden zur Region Mährisch-Schlesien.

Städte

Zu den oberschlesischen Orten mit mehr als 100.000 Einwohnern zählen Katowice (deutsch Kattowitz), Gliwice (Gleiwitz), Zabrze (Hindenburg O.S.), Bytom (Beuthen), Ruda Śląska (Ruda), Rybnik, Tychy (Tichau), Opole (Oppeln) und Chorzów (Königshütte).

Geschichte

Zur allgemeinen Geschichte Schlesiens siehe Schlesien (Geschichte)

Nach der Völkerwanderungszeit kamen die slawischen Opolanen (nach ihnen ist die Hauptstadt Oppeln benannt) ins Land und vermischten sich möglicherweise vereinzelt mit zurückgebliebenen Germanen und Kelten. Mieszko I. gliederte Schlesien dem polnischen Piastenreich ein. Als Polen in Teilherzogtümer zerfiel, schlossen sich die schlesischen Piasten dem Heiligen Römischen Reich an. Zweige der Dynastie hielten sich hier länger als in Polen. Wenig später kam Schlesien unter böhmische Oberhoheit. Eng mit Böhmen verbunden blieb es bis zu den Schlesischen Kriegen Friedrichs des Großen. Im Laufe des Mittelalters kamen deutsche Siedler auch nach Oberschlesien. Die deutsche Kolonisation setzte in Oberschlesien jedoch relativ spät ein, da es zum einen östlicher als andere Zielgebiete lag und zum anderen wegen der großen Wald- und Feuchtgebiete eher widrige Bedingungen herrschten. Als schließlich in den Jahren 1347/48 die Große Pest im Reich ausbrach, nahm der Strom der Zuwanderer aus dem Reich stark ab und die Ostsiedlung kam praktisch zum Erliegen. Dadurch stockte im Gegensatz zu Niederschlesien der sprachliche Assimilierungsprozess. Da Schlesien eng mit Böhmen verbunden war, war zeitweise Tschechisch die wichtigste Urkundensprache.

Während die Niederschlesier zu etwa 96% deutschsprachig waren, gaben 53% der Oberschlesier Polnisch als Erstsprache an.[1] Wobei unter polnischer Sprache hier vor allem der schlesische Dialekt, der auch Wasserpolnisch genannt wurde, zu sehen ist, der mit zahlreichen Germanismen und tschechischen Einflüssen versetzt war. Neben diesem Dialekt sprachen die meisten als Zweitsprache Deutsch, in der Dialektform Oberschlesisch, welcher sich vom Hochdeutschen durch besonders harte Rachenlaute und systematische Entrundung der vorderen gerundeten Vokale (z. B. Bühne = Biene, lösen = lesen) unterschied, was auch sonst für Deutschsprechende mit slawischer Muttersprache charakteristisch ist.

Die Bedeutung der deutschen Sprache verstärkte sich mit Verstädterung und der Industrialisierung des oberschlesischen Industriegebietes. Es kamen zu den (Wasser-)polnisch sprechenden Oberschlesiern weiterhin viele Deutsche aus Niederschlesien oder den benachbarten sudetendeutschen Gebieten und außerdem eine große Zahl von Polen aus der Provinz Posen oder dem angrenzenden russischenKongresspolen“ nach Oberschlesien. Trotz oder gerade wegen dieser schwierigen und komplexen sprachlichen Situation – im südlichen Landesteil wurde zudem noch Lachisch gesprochen, das dem Tschechischen sehr nahe steht – war das Zusammenleben der Bevölkerungsteile bis zum Ersten Weltkrieg friedlich, die Loyalität zum Deutschen Reich drückte sich unter anderem in den großen Dominanz der katholischen Zentrumspartei aus. Vor dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Lage, die Nationalitätenfrage trat nun offen hervor. Durch die Gründung zahlreicher polnischer Vereine und Zeitungen versuchten polnische Nationalisten (auch aus den polnischen Teilungsgebieten) ein nationales (polnisches) Bewusstsein der slawophonen Oberschlesier zu wecken. So erreichte bei der Reichstagswahl 1907 die Polenpartei mit 39,5% die Mehrheit der Stimmen in Oberschlesien, bzw. dem Regierungsbezirk Oppeln, die Mehrheit der Mandate behielt jedoch das Zentrum (31,7%).[2] In einigen Wahlkreisen hatte die Polenpartei die absolute Mehrheit erreicht.

Außerhalb des Industriegebietes, den Gebieten um Oppeln, dem späteren Westoberschlesien konnte sich die ursprüngliche Situation erhalten, jedoch verlor der schlesische Dialekt des Polnischen besonders in der Zwischenkriegszeit immer mehr an Sprechern, zumal nicht wenige polnischsprachige Einwohner in das polnisch gewordene Ostoberschlesien abwanderten.

Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte man mit der Gründung der Provinz Oberschlesien 1919 den sprachlich/kulturellen Unterschieden der Region im Vergleich zum Rest Schlesiens Rechnung zu tragen.

Volksabstimmung und Teilung 1922

Teilung Oberschlesiens
Volksabstimmung in Oberschlesien 1921:
  •   Reichsgrenze 1918, oberschlesische Kreise
  •   niederschlesische Kreise
  • Tschechoslowakei (ohne Volksabstimmung)
  • Polen (ohne Volksabstimmung)
  • aufgrund der Abstimmung an Polen gekommen
  • aufgrund der Abstimmung bei Deutschland geblieben
  • ohne Volksabstimmung bei Deutschland geblieben
Oberschlesier warten auf das Ergebnis der Abstimmung
siehe Volksabstimmung in Oberschlesien

Nach dem Ersten Weltkrieg sollten nach dem Versailler Vertrag Teile des Grenzverlaufs zwischen Polen und Deutschland über Volksabstimmungen geregelt werden. Die interalliierte Kommission, der die Leitung der Volksabstimmung oblag, hatte laut Vertrag die Aufgabe, die gemeindeweisen Ergebnisse dem alliierten Obersten Rat mitzuteilen und einen Vorschlag über die Linie einzureichen, „die in Oberschlesien unter Berücksichtigung sowohl der Willenskundgebung der Einwohner als auch der geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften als Grenze Deutschlands angenommen werden soll“.[3] Die letzte Entscheidung über den festzusetzenden Grenzverlauf sollte dem Obersten Rat vorbehalten bleiben. Zwischen Kriegsende und Abstimmung kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Einwohnern, die den Anschluss an Polen forderten, und deutschen Polizeieinheiten sowie Freikorps während der Aufstände in Oberschlesien. Am Abstimmungstag, dem 20. März 1921, stimmten – bei einer Wahlbeteiligung von 97,5 Prozent, die das Ausmaß der Polarisierung in der Bevölkerung widerspiegelt – 707.045 Oberschlesier (59,4 Prozent) für Deutschland und 479.232 (40,6 Prozent) für Polen.[4] Die Bedeutung dieses trotz widriger Bedingungen und massiver polnischer Propaganda für Deutschland unerwartet positiven Votums wurde durch die Tatsache noch erhöht, dass das Abstimmungsgebiet nur denjenigen Teil Oberschlesiens darstellte, in dem bei Volkszählungen ein hoher Anteil slawischsprachiger Bevölkerung ermittelt worden war. So umfasste das Abstimmungsgebiet zusätzlich einen kleinen Teil des niederschlesischen Landkreises Namslau; dagegen blieben die Landkreise Falkenberg O.S., Grottkau, Neisse und der Westteil des Landkreises Neustadt O.S., die weiterhin dem Deutschen Reich angehörten, sowie der bereits 1920 an die Tschechoslowakei abgetretene Südteil des Kreises Ratibor, das Hultschiner Ländchen, von der Abstimmung ausgeschlossen. Das Ergebnis ließ folglich den Rückschluss zu, dass auch viele, die in Volkszählungen Polnisch als Muttersprache angegeben hatten, für Deutschland gestimmt hatten.

Aufgrund der angespannten Situation in Oberschlesien sowie zwischen deutschem und polnischem Staat trug das Ergebnis zunächst mehr zur Verschärfung der Fronten als zur Klärung der Lage bei. Auf deutschsprachiger Seite wurde es zumeist propagandistisch als deutscher „Sieg“ und „Rettung Oberschlesiens“ gefeiert; nur wenige Stimmen wiesen schon im Vorhinein darauf hin, dass selbst „wenn die [...] Abstimmung eine gewaltige Mehrheit für Deutschland ergeben sollte, noch immer ein Teil Oberschlesiens den Polen zugesprochen werden könnte“.[5] Von polnischer Seite her kam es als Reaktion auf das als ungünstig erachtete Abstimmungsergebnis und auf den englisch-italienischen Teilungsvorschlag hin im Mai zum dritten Aufstand in Oberschlesien und damit zur militärischen Eroberung derjenigen Gebietsteile, die einen hohen Stimmenanteil für Polen aufzuweisen hatten.

Nach der Volksabstimmung waren von der Interallierten Kommission verschiedene Teilungspläne erarbeitet worden. Während diejenigen englischer und italienischer Vertreter nur verhältnismäßig geringe Gebietsabtretungen, außerhalb des Industriereviers, vorsahen, wollten französische Pläne durch die Zuteilung der wirtschaftlich bedeutenden Gebiete an Polen die deutsche Volkswirtschaft schwächen. Mit dem am 15. Mai 1922 in Genf unterzeichneten Deutsch-polnischen Abkommen über Ostschlesien (Genfer Abkommen)[6] wurde versucht, den Stimmenmehrheiten in den Gemeinden Rechnung zu tragen, was vor allem im Industrierevier angesichts der stark differierenden Ergebnisse in ländlichen und städtischen Gebieten nahezu unmöglich war – so wurden einzelne Landkreise, sowie mehrere Städte und Gemeinden mit teilweise eindeutigen Abstimmungsergebnissen dem jeweils nicht gewählten Staat zugeteilt. 1922 kam der kleinere (29%), aber dichter besiedelte Teil Oberschlesiens, „Ostoberschlesien“ genannt und mit ihm der Großteil des Oberschlesischen Industriegebiets mit der Hälfte aller Hüttenwerke, einem Großteil der Kohle- und Eisenerzvorkommen und den wirtschaftlich bedeutenden Bergbauregionen, auf Beschluss des Völkerbundes vom 10. Oktober 1921 an Polen. In diesem Teil bestand insgesamt eine 60-%-Mehrheit für Polen. Die Städte und Industrieorte Königshütte (Królewska Huta), Kattowitz (Katowice), Myslowitz (Mysłowice), Schwientochlowitz (Świętochłowice), Laurahütte (Huta Laura), Siemianowitz (Siemianowice Śląskie), Bismarckhütte (Hajduki Wielkie), Lipine (Lipiny), Friedenshütte (Nowy Bytom) und Ruda wurden damit polnisch. Bilder der Grenzziehungen unter Tage und durch Industriekomplexe oder Siedlungen wurden zum Symbol der von deutscher Seite zumeist als ungerecht betrachteten Teilung, die von der deutschen Regierung nie anerkannt wurde.

Das geteilte Oberschlesien

Deutscher Grenzposten bei Beuthen
Oberschlesisches Industriegebiet 1930
Lage der Provinz Oberschlesien innerhalb Preußens und der Weimarer Republik

Der größere Westteil Oberschlesiens verblieb bei Deutschland („Westoberschlesien“). Am 3. September 1922 wurde in diesem Teil Oberschlesiens eine Volksabstimmung durchgeführt, bei der über die Bildung eines eigenen Landes Oberschlesien im Deutschen Reich, wie es z. B. Preußen war, entschieden werden sollte. Jedoch sprachen sich über 90% für den bisherigen Status quo, also den Verbleib Oberschlesiens im Freistaat Preußen der Weimarer Republik.[7]

Am 20. Juni 1922 übernahm die polnische Verwaltung das abgetretene Ostoberschlesien, dem in der neugegründeten Autonomen Woiwodschaft Schlesien weitreichende Selbstständigkeit zugestanden wurde. Die Autonome Woiwodschaft Schlesien bestand damit aus Ostoberschlesien und dem 1920 polnisch gewordenen Teil des Teschener Schlesien.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde das Deutsch-polnische Abkommen über Ostschlesien (Genfer Abkommen)[8] noch zum Segen vieler Oberschlesier. In dem vom Völkerbund garantierten Abkommen gewährleistete jede Vertragspartei für ihren Teil Oberschlesiens für alle Einwohner gleiche Rechte. Nach dem Beginn der antisemitischen Diskriminierungen gegen jüdische Deutsche wandte sich der Oberschlesier Franz Bernheim im Mai 1933 mit einer Petition (Bernheim-Petition) an den Völkerbund mit der Bitte, das Abkommen über Ostschlesien wirksam durchzusetzen. Der Völkerbund kam der Bitte nach, forderte Deutschland auf, das Abkommen einzuhalten und im September 1933 nahm die NS-Regierung die antisemitischen Gesetze in Oberschlesien zurück und nahm es von neuen Diskriminierungen aus. Auch nach Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund, hielt es das Abkommen ein, um dem Vertragspartner Polen keinen Vorwand zu liefern, seinerseits das Abkommen als hinfällig zu betrachten. Dadurch wurde in Oberschlesien – im Gegensatz zum restlichen Deutschland – für die verbliebene Restlaufzeit bis Mai 1937 die sonst gültigen antisemitischen Diskriminierungen, wie der Arierparagraph, die Nürnberger Gesetze etc., nicht wirksam.[9]

Zweiter Weltkrieg

Im September 1939 eroberte die Wehrmacht Ostoberschlesien, das mit der Provinz Schlesien vereinigt und somit dem „Großdeutschen Reich“ angeschlossen wurde. 1941 wurde Oberschlesien formell als preußische Provinz wiedergegründet. Hauptstadt wurde nicht die historische Hauptstadt Oppeln, sondern das größere Kattowitz, das zu polnischer Zeit mit monumentalen Repräsentationsbauten bereits zur Woiwodschaftshauptstadt ausgebaut worden war. Die neue Provinz nahm nun aber neben Ostoberschlesien und dem übrigen (vormals österreichich-schlesischen) Gebiet der Autonomen Woiwodschaft Schlesien sowie dem bereits 1939 wiedereingegliederten Hultschiner Ländchen auch historisch kleinpolnische Gebiete mit den Städten Sosnowitz und Jaworzno auf. In diesem Gebiet wurde das Konzentrationslager Auschwitz errichtet. Hier und in anderen KZs wurde die beachtliche jüdische Gemeinde Oberschlesiens – soweit sie nicht bereits geflohen waren oder deportiert wurde – ermordet.

Nachkriegszeit

Flüchtlingsfamilie in Oberschlesien, Januar 1945

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Oberschlesien 1945 von der Roten Armee erobert und kam bis auf das Hultschiner Ländchen sowie den 1938 von Polen und 1939 vom Deutschen Reich übernommenen Zaolzie-Streifen, die beide wieder zur Tschechoslowakei kamen, zunächst unter polnische Verwaltung und gehört seit 1990 auch völkerrechtlich zu Polen. Anders als in Niederschlesien gab es im oberschlesischen Industriegebiet aus ethnischen und ökonomischen Gründen keine flächendeckende Vertreibung, da viele Einwohner zweisprachig waren. Darüber hinaus verfügten viele Oberschlesier über berufliche Qualifikationen, die in der Kohle- und Stahlindustrie nicht kurzfristig ersetzt werden konnten. Wer einen mehr oder weniger streng gehandhabten polnischen Sprachtest bestand und als „autochthon“ eingestuft wurde, erhielt ein Bleiberecht. Auch Oberschlesier, die als (allein) deutschsprachig eingestuft wurden, erhielten ein Bleiberecht, wenn sie in wichtigen Industrien arbeiteten. Schließlich wurden von der oberschlesischen Bevölkerung etwa 40% und nicht, wie in Niederschlesien, mehr als 90%, vertrieben. Insbesondere um Oppeln und Kattowitz blieb daher bis heute eine deutsche Minderheit zurück, die weder vertrieben wurde noch aussiedelte.

Kommunistische Zeit

Die restliche zurückgebliebene Bevölkerung Oberschlesiens, sowohl die Deutsch- wie die Polnischsprachige, musste ab 1945 Diskriminierungen von Seiten des polnischen Staates erdulden. Der polnische Staat machte es sich zum Ziel die Oberschlesier, die er zu „germanisierten Polen“ erklärte, zu „repolonisieren“. So wurde der Gebrauch der deutschen Sprache sowohl im öffentlichen Leben, in Kirchen und Schulen, als auch im Privatleben verboten. Um den Kontakt mit der deutschen Sprache zu vermeiden, wurde in sämtlichen oberschlesisch bewohnten Gegenden Deutsch auch nicht als Fremdsprache unterrichtet. Die Ausübung der deutschen Sprache konnte also nur heimlich, unter der Angst, erwischt zu werden, ausgeübt werden. Durch die lange Zeitspanne hatten eine bis drei Generationen nicht die Möglichkeit, die Muttersprache ihrer Vorfahren zu erlernen. Auch der Gebrauch des polnisch-schlesischen Dialekts, der viele deutschstämmige Wörter enthielt, wurde ungern gesehen. Erst 1988, nach 43 Jahren des Verbots, wurde erstmals wieder eine deutsche Messe in Oberschlesien auf dem Annaberg abgehalten, jedoch noch illegal.

Sehenswürdigkeiten

Schrotholzkirche in Gwoździany
Jakobskathedrale in Neisse
Marienkirche in Kattowitz

Zu den interessantesten mittelalterlich geprägten Städten Oberschlesien zählen u.a. Nysa (Neisse) und Oppeln. In Nysa befinden sich die Jakobskathedrale und mehrere Denkmäler.

Aus dem Zeitalter der Industrialisierung gingen mehrere Städte im östlichen Oberschlesien hervor, die heute eine Vielzahl an interessanten Gründerzeithäusern und historistischen Gebäuden und gleichzeitig moderne Architektur vorweisen können.

Schrotholzkirchen

Eine regionale Besonderheit Oberschlesiens sind die weitverbreiteten Schrotholzkirchen. Diese meist sehr dunklen häufig aus Kiefernholz gebauten Holzkirchen findet man beispielsweise im Powiat Oleski und Powiat Gliwicki. Auch in einigen Städten des Oberschlesischen Industriegebietes findet man Schrotholzkirchen, die dort im 20. Jahrhundert hinversetzt wurden.

Burgen und Schlösser

Bevölkerung

Der größte Teil der deutschen Minderheit Polens lebt in Oberschlesien, besonders im Oppelner Land. Etwa 350.000 Bewohner Oberschlesiens besitzen neben der polnischen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Durch den Zugang zu deutschen und deutschsprachigen Medien und dem Deutschunterricht in vielen Schulen seit den 1990er Jahren und durch regelmäßiges Pendeln zur Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich Deutsch (in der Hochsprache) seit einiger Zeit zu einer Zweitsprache.

Amtssprache ist nur die polnische Standardsprache.

Obwohl in Oberschlesien überwiegend Polen, Deutsche und Tschechen leben, gibt es heute wieder eine Gruppe von Oberschlesiern, die sich ausschließlich als Schlesier bezeichnen, was auch bei der letzten Volkszählung von 2002 zur Geltung kam. Dieses Phänomen hat viele Ursachen, u. a. die historisch stark ausgeprägte eigene Identität der Oberschlesier, die autochthonen Schlesier, die Schlesisch (polnischer Dialekt) als ihre Muttersprache bezeichnen, und auch die Sanktionen durch den polnischen Staat von 1945 bis 1989 an der Bevölkerung Oberschlesiens.

Die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung blieb im Wesentlichen über die Jahre erhalten. Traditionell ist der überwiegende Teil der Oberschlesier römisch-katholischen Glaubens (etwa 95%), was eine Besonderheit darstellte, da die Mehrheit im östlichen Deutschland (einschließlich Niederschlesiens) protestantisch war. Die Evangelische Kirche hat infolge der Vertreibung vieler Gemeindemitglieder noch mehr an Bedeutung verloren – 1933 hatte ihr Anteil noch bei rund 10% gelegen.[10]

Seit den 1990er Jahren ist Oberschlesien sowohl in den Städten als auch auf dem Land von fallenden Einwohnerzahlen geprägt. Besonders stark fielen in vielen Orten die Einwohnerzahlen in der ersten Hälfte der 2000er Jahre.

Kultur

Osterreiten in Ostropa (Gliwice)

Architektur

Feiertage

Der Barbaratag ist der Feiertag der Bergleute.

Traditionen, Bräuche, Feste

Ein ländlicher oberschlesischer Faschingsbrauch ist das Winteraustreiben bzw. Bärenführen. Symbolisiert wird der Winter durch eine als Bär verkleidete Person. Dieser wird durch eine als Polizist verkleidete Person festgenommen. Gefolgt von weiteren verkleideten Leuten wird der Bär aus dem Ort verwiesen, wobei vorher von Haus zu Haus gezogen wird. Der Bär soll auch für das Böse stehen, das aus dem Ort herausgebracht wird. In manchen Orten besteht das Bärenkostüm traditionell aus Stroh. In der Fastnachtszeit wird auch der "Babski Comber" bzw. "Comber" (aus dem Deutschen: Zampern) gefeiert. Ein Faschingsfest das den Frauen vorbehalten ist, jedoch gewährt man auch den als Frauen verkleideten Männern den Eintritt.

Zu Ostern gibt es verschiedene Bräuche. Ein in ganz Schlesien verbreiteter Brauch am Ostermontag war das Schmackostern. Während man in Niederschlesien die Mädchen mit einer mit Bändern geschmückten Rute schlug, begießt man sie in Oberschlesien meistens mit Wasser, vergleichbar mit dem polnischen Śmigus-dyngus, wodurch auch vom Ostergießen gesprochen wird. Teilweise wurde früher auch das Begießen mit dem Rutenschlagen kombiniert oder es war mancherorts nur die Variante mit der Rute verbreitet. Mit der Polonisierung Oberschlesiens sind die Ruten eher unüblich geworden. Daraufhin erwarten die Jungen (und Männer) ein Geschenk. Meistens sind das bemalte Ostereier oder in heutiger Zeit auch Süßigkeiten, früher hingegen zusätzlich Kuchen, Kaffee und Gelbbrot. Am Osterdienstag können die Mädchen (und Frauen) schmackostern.[11] Ein weiterer Osterbrauch ist das Osterreiten, das heute noch in einigen Orten stattfindet.

Am Erntedankfest dem in Oberschlesien so genannten Erntefest findet ein Umzug statt, vorangetragen wird die „Erntekrone“ oder der „Erntekranz“. Zu diesem Anlass werden mehrere Wagen geschmückt und meist lustige Motive gestaltet. Die Leute, die mit diesen Wagen fahren, sind verkleidet. Zusätzlich werden Transparente mit Sprüchen angebracht. Zum Abschluss findet ein Fest mit gemeinsamen Essen, Musik und Tanz statt.

Seit der Wende werden in immer mehr Orten bzw. Gemeinden nach bayerischem Vorbild Oktoberfeste gefeiert.

Bei den Oberschlesiern ist zu Weihnachten die Symbolfigur das Christkind sehr verbreitet. In anderen Regionen in Polen, wie z.B. das angrenzende Kleinpolen, ist dieses Brauchtum unbekannt.

Zu den wichtigsten Familienfesten der Oberschlesier zählen u.a. die Taufe, die erste Kommunion und der Geburtstag, darunter vor allem der erste Geburtstag und der fünfzigste Geburtstag (Abrahamstag), der in Polen wichtige Namenstag hingegen hat keine Bedeutung und wird nicht gefeiert.

Zu einer schlesischen Hochzeit gehören vor der Hochzeitsfeier der Polterabend und am Tag nach dem Hochzeitstag das Nachfeiern.

Küche

Siehe Hauptartikel: Schlesische Küche

Tracht

Trachten wurden in Schlesien bis Mitte des 19. Jahrhunderts getragen. In einigen Regionen und Orten (z. B. in Schönwald) überdauerte die Tradition teilweise bis ins 20. Jahrhundert, doch Trachten galten seitdem im Allgemeinen als altmodisch.

Man unterschied zwischen Alltags-, Sonntags- und Festtagstrachten.

Heute sind Trachten kaum mehr verbreitet und werden ausschließlich von Trachtengruppen getragen oder sind in Museen oder Heimatstuben ausgestellt. Trachten werden bei einigen Volksfesten getragen, haben im Alltag aber keine Bedeutung mehr.

Medien

Auf dem Gebiet Oberschlesiens sind über TVP Info die Regionalfenster TVP Opole und TVP Katowice des staatlichen polnischen Fernsehens TVP zu empfangen. Darüber hinaus richtet sich der private Fernsehsender TVS an die Zuschauer in der Woiwodschaft Schlesien. Ein weiterer Sender ist TVT.

Regional ausgerichtete Radiosender sind die Sender Polskie Radio Opole und Polskie Radio Katowice des staatlichen Hörfunks Polskie Radio. Ein privater oberschlesischer Sender ist Radio Piekary.

Persönlichkeiten

Bernhard Grzimek

Aus Oberschlesien stammen fünf Nobelpreisträger. Den Nobelpreis für Physik erhielten 1943 Otto Stern aus Sohrau, 1963 die in Kattowitz geborene Maria Goeppert-Mayer und 1987 der Sohn oberschlesischer Eltern Georg Bednorz. Den Nobelpreis für Chemie erhielt 1950 der in Königshütte geborene Kurt Alder und den Nobelpreis für Medizin erhielt 1964 der in Neisse geborene Konrad Bloch.

Zu den bekanntesten Schriftstellern Oberschlesiens zählen Joseph von Eichendorff, Horst Bienek und der als Janosch bekannte Horst Eckert. Joseph von Eichendorff schuf u.a. die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Janosch erlangte u.a. Bekanntheit durch seine Erzählung „Oh, wie schön ist Panama“. Horst Bienek schuf mehrere Werke über seine Heimat Gleiwitz und Oberschlesien.

Aus Neisse stammt der 1909 geborene Zoologe und Publizist Bernhard Grzimek. Er produzierte von 1956 bis 1980 für die ARD die Fernsehreihe „Ein Platz für Tiere“. Eine weitere berühmte schlesische Persönlichkeit, die ihr Schicksal mit Afrika verband, war Eduard Schnitzer. In die Geschichte ging der Oberschlesier (geboren 1840 in Oppeln) als Emin Pascha ein. Der Afrikaforscher und Gouverneur der sudanesischen Provinz Äquatoria diente unter anderem den Figuren Karl Mays als Vorbild.

In der mehrheitlich römisch-katholischen Region wurden u.a. die Theologen und Bischöfe Walter Mixa aus Königshütte und Alfons Nossol aus Broschütz bei Walzen geboren.

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Walter Geisler: Oberschlesien-Atlas. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen, Volk und Reich Verlag, Berlin, 1938
  • Topographisches Handbuch von Oberschlesien (Felix Triest, Hrsg.), Breslau 1865, 1292 Seiten
  • Erle Bach: Oberschlesien. Vom Sudetenland zur Oberschlesischen Platte, Flechsig 1998, ISBN 3-88189-218-4
  • Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien / Stiftung Haus Oberschlesien <Ratingen>, Berlin 1990
  • Daniela Pelka: Der deutsch-polnische Sprachkontakt in Oberschlesien am Beispiel der Gegend von Oberglogau, Berlin 2006, ISBN 3-89626-524-5
  • Bernhard Sauer: "Auf nach Oberschlesien" – Die Kämpfe der deutschen Freikorps 1921 in Oberschlesien und den anderen ehemaligen deutschen Ostprovinzen In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 58. Jahrgang 2010, Heft 4, S. 297-320. (Pdf, 7,6 Mbyte)
  • Silke Findeisen (Hrsg.): Reise in die alte Heimat - Schlesien in 1000 Bildern, Königswinter 2010, ISBN 978-3-941557-20-8

Weblinks

 Commons: Oberschlesien – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Commons: Oberschlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Reinhold Vetter, Schlesien – Deutsche und polnische Kulturtraditionen in einer europäischen Grenzregion, DuMont Verlag, Köln 1999, ISBN 3-7701-4418-X, S. 34
  2. Vgl. wahlen-in-deutschland.de; abger. am 8. September 2008
  3. Anlage VIII zum Versailler Vertrag, § 88 betreffend
  4. Vgl. dieser Internetseite von Falter u.a. 1986, S. 118
  5. Neue Freie Presse, Ausg. v. 20. März 1921, S. 5
  6. [1]
  7. Vgl. http://www.gonschior.de/weimar/Preussen/Oberschlesien/Volksentscheide.html
  8. Vgl. bundesarchiv.de: Informationen zum Genfer Abkommen
  9. Vgl. Philipp Graf: Die Bernheim-Petition 1933: Jüdische Politik in der Zwischenkriegszeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008, (Schriften des Simon-Dubnow-Instituts; 10), 342 pp., ISBN 978-3-525-36988-3.
  10. Vgl. verwaltungsgeschichte.de
  11. Dr. Franz Schroller: Schlesien – Eine Schilderung des Schlesierlandes, Dritter Band, Seite 249

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