Odonata

Odonata
Libellen
Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum)

Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum)

Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata)
Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Unterklasse: Fluginsekten (Pterygota)
Ordnung: Libellen
Wissenschaftlicher Name
Odonata
Fabricius, 1793
Unterordnungen

Die Libellen (Odonata) bilden eine Ordnung innerhalb der Klasse der Insekten (Insecta). Von den 4700 bekannten Arten treten in Mitteleuropa etwa 85 auf. Die Flügelspannweite der Tiere beträgt in der Regel zwischen 20 und 110 mm, die Art Megaloprepus coerulatus kann allerdings sogar eine maximale Spannweite von 190 mm erreichen.

Inhaltsverzeichnis

Namensgebung

Der Ursprung des Namens „Libellen“ war lange Zeit ungeklärt. Eingeführt wurde der Name von Carl von Linné, der die Gruppe als „Libellula“ bezeichnete, ohne dies näher zu erläutern. Die tatsächliche Quelle des Namens wurde erst in den 1950er Jahren entdeckt. Sie stammt aus dem Werk „L'histoire entière des poissons“ von Guillaume Rondelet (1558), in dem Folgendes geschrieben steht (deutsche Übersetzung nach Jurzitza 2000):

Ein kleines Insekt könnte Libellula fluviatilis genannt werden, da sein Körperbau einem Meeresfisch ähnelt, der Zygaena oder Libella heißt. Er hat die Form einer Wasserwaage, wie sie die Architekten verwenden, und wird in Italien auch Hammerfisch genannt. Jenes Tier ist sehr klein, hat die Form eines ‚T‘ oder einer Wasserwaage, besitzt aber auf jeder Seite drei Beine. Der Schwanz endet in drei grünen Spitzen, mit deren Hilfe das Tier schwimmt.

Guillaume Rondelet beschreibt in diesen Zeilen eine Larve einer Kleinlibelle und vergleicht diese mit dem Hammerhai (Gattung Libella).

Vor der Durchsetzung des Namens „Libellen“ waren für diese Insekten die Bezeichnungen „Wasserjungfern“, „Schleifer“ oder „Augenstecher“ verbreitet[1].

Körperbau der Libellen

Vierfleck (Libellula quadrimaculata)
Äderung der Libellenflügel

Die Libellen zeichnen sich durch einen außergewöhnlichen Flugapparat aus. Die Fähigkeit, ihre beiden Flügelpaare auch unabhängig voneinander bewegen zu können, ermöglicht es ihnen, abrupte Richtungswechsel zu vollziehen, in der Luft stehen zu bleiben oder bei einigen Arten sogar rückwärts zu fliegen. Beim Flug werden Maximalgeschwindigkeiten von 50 km/h erreicht. Die Frequenz des Flügelschlages ist dabei mit etwa 30 Schlägen pro Sekunde relativ langsam.

Die großen Vorder- und Hinterflügel sind (vor allem bei den Kleinlibellen) annähernd gleich groß und weisen eine komplexe Flügeladerung auf. Dabei reicht die Spannweite der Tiere von 18 Millimetern bei Agriocnemis pygmaea bis zu 19 Zentimetern bei Megaloprepus caerulatus, Pseudostigmatidae. Da ihnen das für die Neuflügler typische Flügelgelenk fehlt, können sie die Flügel nicht nach hinten über den Hinterleib legen. Anders als bei fast allen anderen Fluginsekten setzen bei den Libellen die Flugmuskeln direkt an den Flügeln an. Stabilisiert werden die Flügel durch eine Reihe von Längsadern, zwischen denen die Flugfläche nicht plan-, sondern zickzackförmig aufgespannt ist. Im Zentrum des Flügels treffen sich diese Adern in einem Knotenpunkt (Nodus), damit sie auch bei einer Längsbeanspruchung nicht abknicken können. Am vorderen Bereich der Flügelspitze besitzen die meisten Arten ein vergrößertes und dunkel gefärbtes Flügelfeld, das als Flügelmal (Pterostigma) bezeichnet wird und das im Flug als Trimmtank durch Füllung mit Hämolymphe benutzt werden kann. Insgesamt unterscheidet sich die Flügeladerung bei den unterschiedlichen Libellenarten sehr stark, sodass sie als Bestimmungsmerkmal und zur systematischen Einordnung der Tiere genutzt werden kann.

Facettenaugen einer Libelle

Der Kopf der Libellen ist deutlich von den Brustsegmenten getrennt und dadurch extrem beweglich. Auffällig sind die großen Facettenaugen, die bei einigen Arten aus bis zu 30.000 Einzelaugen (Ommatidien) bestehen können. Zwischen den Komplexaugen liegen auf der Kopfoberseite außerdem drei kleine Punktaugen (Stirnocellen), die wahrscheinlich als Gleichgewichtsorgan (Horizontdetektor) und zur Kontrolle schneller Flugbewegungen dienen.[2] Hinweise hierzu bieten Experimente an der Falkenlibelle Hemicordulia tau, deren Flug bei abgedeckten Ocellen instabil wird. Mit diesem System verfügen sie wahrscheinlich über den besten Sehsinn unter den Insekten. Die Fühler der Libellen sind borstenartig kurz und bestehen aus acht Gliedern. Ihre Funktion besteht hauptsächlich in der Ermittlung der Fluggeschwindigkeit, die sie mit Hilfe von an ihnen befindlichen Sinneshaaren bestimmen.

Die Mundwerkzeuge und besonders die Mandibeln sind kräftig entwickelt und bezahnt (daher der wissenschaftliche Name „Odonata“). Vorn werden diese von der Oberlippe (Labrum) abgeschlossen. Die Maxillen tragen jeweils einen Taster und die Unterlippe (Labium) ist zweilappig ausgebildet.

Die Brust (Thorax) der Libellen ist wie bei allen Insekten dreiteilig aufgebaut. Die beiden hinteren Brustsegmente sind sehr kräftig ausgebildet und schräg gegenüber dem ersten Segment ausgerichtet. Auf diesem Weg entsteht ein nach vorn gerichteter „Fangkorb“ aus den Beinen. Diese besitzen außerdem kräftige Klauen und sind am Unterschenkel (Tibia) meist bedornt, um die Beutetiere besser halten zu können.

Der langgestreckte Hinterleib besteht aus zehn Segmenten, die häutig miteinander verbunden sind. Durch die Länge bewirkt er eine Stabilisierung beim Flug. Die Beweglichkeit des Hinterleibes ist vor allem für die Paarung der Tiere notwendig. Die Männchen besitzen am Ende des Hinterleibs eine Greifzange aus umgebildeten Hinterleibsanhängen (Cerci), mit der sie das Weibchen bei der Paarung festhalten können. Dabei weisen die Kleinlibellen ein oberes und ein unteres Paar Hinterleibszangen auf, bei den Großlibellen ist das untere Paar zu einer Platte verschmolzen. Die Männchen besitzen am Hinterleib außerdem einen Kopulationsapparat, die Weibchen einen Eiablageapparat (Ovipositor).

Lebensräume

Libellen sind vor allem in der Nähe von Gewässern zu finden, da ihre Larven auf Wasser als Lebensraum angewiesen sind. Besonders viele Vertreter der Großlibellen wie etwa die Blaugrüne Mosaikjungfer Aeshna cyanea fliegen zum Beutefang jedoch auch weite Gebiete abseits der Gewässer ab. Insbesondere in der Reifungsphase bewegen sich Libellen für einige Wochen abseits der Gewässer. Auch die Weibchen sind meist nicht am Gewässer zu finden, da sie sonst sofort von einem Männchen zur Paarung genötigt würden. Einige Libellenarten sind auch nicht selten in Stadtrandgebieten und durchgrünten Wohnsiedlungen anzutreffen. Nur verhältnismäßig wenige Libellen sind ausgesprochene Fließgewässerarten, vor allem in den schnell fließenden Oberläufen und im Quellbereich findet man entsprechend nur gut angepasste Tiere. In diesen Gebieten leben vor allem die Quelljungfern der Gattung Cordulegaster, deren Larven auf das sauerstoffreiche Wasser dieser Gewässer angewiesen sind. Diese findet man allerdings in den ruhigeren Bereichen hinter Steinen oder Wasserpflanzen. Die Zweigestreifte Quelljungfer Cordulegaster boltonii kann allerdings auch an langsam fließenden Gewässern gefunden werden.

Typische Bewohner der Flüsse und langsamen Bäche sind die Prachtlibellen (Gattung Calopteryx) sowie die Flussjungfern (Gomphidae). An schmalen Fließen und Wiesenbächen finden sich beispielsweise die Helm-Azurjungfer Coenagrion mercuriale sowie die Vogel-Azurjungfer Coenagrion ornatum.

Weit mehr Arten bevorzugen stehende Gewässer als Lebensraum. Sie finden sich an Tümpeln, Seen und Teichen, wo ihre Larven vor allem in den flacheren Uferzonen und zwischen Wasserpflanzen leben. Dabei sind einige Arten wie etwa die Große Pechlibelle Ischnura elegans, die Hufeisen-Azurjungfer Coenagrion puella oder die Blaugrüne Mosaikjungfer Aeshna cyanea als sogenannte Ubiquisten kaum spezialisiert, und viele Libellenlarven können auch relativ hohe Verschmutzungsgrade tolerieren. Spezialisiertere Arten wie etwa einige Heidelibellen (Gattung Sympetrum) brauchen bestimmte Typen von Kleingewässern, wie z.B. periodisch austrocknende Flachgewässer, oder gar Sümpfe.

Ein besonders gefährdeter Lebensraum sind die Moore, die ebenfalls vielen Arten von Libellen als Lebensraum dienen. Diese Arten sind an die hier existierenden Bedingungen wie den extrem niedrigen pH-Wert der Gewässer und die teilweise sehr geringen Sauerstoffressourcen angepasst und können entsprechend in anderen Lebensräumen nur schwer überleben. Auch hier leben verschiedene Azurjungfern wie etwa die Speer-Azurjungfer Coenagrion hastulatum, Falkenlibellen wie die Arktische Smaragdlibelle Somatochlora arctica sowie Mosaikjungfern wie die Torf-Mosaikjungfer Aeshna juncea. Besonders typische Moorarten sind die meisten Moosjungfern (Gattung Leucorrhinia).

„... Fast jeder dieser Weidegründe enthält einen Wasserspiegel, von Schwertlilien umkränzt, an denen Tausende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen hängen, während die der größeren Art bis auf die Mitte des Weihers schnurren, wo sie in die Blätter der gelben Nymphäen, wie goldene Schmucknadeln in emaillierte Schalen niederfallen, und dort auf die Wasserinsekten lauern, von denen sie sich nähren.“ Annette von Droste-Hülshoff: Westphälische Schilderungen aus einer westphälischen Feder.

Lebensweise

Libellen sind Räuber, die ihre Beutetiere im Flug fangen. Sie nutzen dafür ihre zu einem Fangapparat umgestalteten Beine, mit denen sie ihre Opfer ergreifen.

Die Beute der Libellen besteht im Wesentlichen aus anderen Insekten, wobei das Spektrum sehr groß ist. Libellen attackieren beinahe wahllos alle Tiere, die sie überwältigen können. Besonders die Männchen attackieren dabei zur Paarungszeit auch andere Libellen, manchmal sogar Angehörige der eigenen Art, zeigen also Kannibalismus. Die Jagdflüge sind dabei nicht auf die Gewässer beschränkt, sie finden auch auf Wiesen, Waldlichtungen oder anderen freien Flächen statt. Einige Arten, vor allem Libellenarten der tropischen Regionen, aber auch die heimische Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis), sind ausgesprochene Dämmerungsjäger. Dabei sind sie vollständig auf ihre Augen zur Auffindung der Beute angewiesen.

Wie viele andere Insekten nutzen auch die Libellen die Sonnenwärme zur Aufheizung ihres Körpers, besonders der Muskulatur. Zu diesem Zweck setzen sich einige Arten an sonnenexponierte Stellen und spreizen ihre Flügel, um unter den Flügeln die Wärme zu speichern. Besonders bei Arten der kühleren Gebirgsregionen ist dieses Verhalten häufig zu beobachten.

Trotz ihrer Schnelligkeit haben Libellen eine große Anzahl von Fressfeinden. Besonders angreifbar sind sie dann, wenn sie sich zum letzten Mal häuten und sich aus der Exuvie arbeiten. Vor allem Frösche, Fledermäuse und Vögel fressen Libellen, aber auch Wespen, Webspinnen und Ameisen können frisch geschlüpfte Libellen attackieren und verzehren. Ebenso können fleischfressende Pflanzen wie etwa der Sonnentau (Drosera) für Libellen zur Gefahr werden. Zu den Parasiten der Libellen gehören vor allem die Larven von Wassermilben, in Mitteleuropa speziell jene der Gattungen Arrenurus und Limnochares. Die Larven der Libellen fallen vor allem anderen Libellenlarven, aber auch anderen Räubern im Wasser zum Opfer.

Die Lebensdauer der adulten Tiere beträgt bei den meisten Arten durchschnittlich etwa sechs bis acht Wochen. Manche Arten leben auch nur etwa zwei Wochen. Die längste Lebensdauer als ausgewachsene Libelle haben in Mitteleuropa die Winterlibellen (Gattung Sympecma), welche als erwachsenes Tier überwintern und dadurch zehn bis elf Monate leben. Das aktive Leben beträgt bei ihnen allerdings nur etwa vier bis sechs Monate, da sie den Winter weitestgehend in Kältestarre überdauern.

Fortpflanzung und Entwicklung

Hufeisen-Azurjungfern (Coenagrion puella) bei der Paarung
Tandems von Hufeisen-Azurjungfern bei der Eiablage

Die beiden ausgewachsenen Libellen finden sich im Flug, wobei nach einem Vorspiel das Männchen das Weibchen mit der Zange aus den beiden Hinterleibsanhängen hinter dem Kopf ergreift. Danach biegt sich das Weibchen im Flug nach vorn und berührt mit ihrer Geschlechtsöffnung am achten oder neunten Hinterleibssegment den Samenbehälter des Männchens am zweiten oder dritten Hinterleibssegment. Dabei entsteht das für Libellen typische Paarungsrad. Das Weibchen legt nach der Begattung die Eier meist in ein Gewässer ab. Dabei gibt es Arten, welche die Eier in Wasserpflanzen einstechen (endophytisch) und solche, die die Eier im Flug ins Wasser abwerfen oder unter Wasser am Substrat abstreifen (exophytisch). Andere Arten stechen die Eier in die Rinde von Bäumen am Ufer (zum Beispiel Weidenjungfer) oder werfen wie manche Heidelibellen die Eier über trockenen, möglicherweise später einmal überfluteten Senken ab. Die Eiablage kann sowohl in der Tandemstellung erfolgen als auch allein durch das Weibchen. Erstaunlich ist die Fähigkeit der Weibchen einiger Arten (zum Beispiel Prachtlibellen, Gemeine Becherjungfer), zur Eiablage bis zu 90 Minuten lang auf Tauchgang komplett unter Wasser zu gehen. Viele Arten benötigen ganz spezielle Ablagesubstrate oder Ablagepflanzen: Das Weibchen der Grünen Mosaikjungfer sticht die Eier beispielsweise nur in die Blätter der Krebsschere Stratiotes aloides ein, und viele Moorlibellen sind an das Vorkommen von Torfmoosen (Sphagnum spp.) gebunden.

Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) im Larvenstadium
Blaugrüne Mosaikjungfer, frisch geschlüpft mit Larvenhaut (Exuvie)
Untere Frontpartie mit Fangmaske bei einer leeren Exuvie der Blaugrünen Mosaikjungfer

Aus den Eiern schlüpfen bei beinahe allen Arten so genannte Prolarven, die sich morphologisch von den späteren Larven deutlich unterscheiden. Sie sind meist länger und ihre Beine sind nicht einsatzbereit. Die erste Häutung erfolgt daraufhin entweder in den ersten Sekunden oder in den ersten Stunden nach dem Schlüpfen.

Im Wasser sind die Larven gut angepasste Räuber und besitzen als wirksamstes Organ für diese Lebensweise eine typische Fangmaske, die im Ruhezustand unter den Kopf gefaltet wird. Ist ein potentielles Opfer in Reichweite, schnellt dieses klauenbewehrte Instrument hervor und die Beute wird gepackt. Kleinlibellen (Zygoptera) bevorzugen als Beute vor allem Mückenlarven und Kleinkrebse wie etwa die Bachflohkrebse (Gammarus spp.). Larven der Großlibellen (Anisoptera) jagen entsprechend größere Beutetiere wie kleine Kaulquappen oder Insekten und deren Larven.

Zur Atmung unter Wasser besitzen Libellenlarven zwei verschiedene Techniken, wodurch sie auf den ersten Blick unterschieden werden können: Die Kleinlibellen haben an ihrem Hinterende drei blattförmige Tracheenkiemen, mit denen sie Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen können. Großlibellen hingegen besitzen keine sichtbaren Kiemen, diese sind in den Enddarm verlagert (Rektalkiemen). Die Aufnahme des Sauerstoffs erfolgt hier durch ein spezielles Gewebe im Enddarm.

Die Dauer des Larvenlebens einer Libelle übertrifft jenes der daraus hervorgehenden Imago in der Regel beträchtlich: die Spanne, die einzelne Arten als Larve im Wasser verbringen, reicht in Mitteleuropa von etwa drei Monaten (zum Beispiel Frühe Heidelibelle Sympetrum fonscolombii, Sommergeneration) bis immerhin zu fünf Jahren (Quelljungfern, Gattung Cordulegaster). Eine ein- oder zweijährige Larvalentwicklung ist der am häufigsten vorkommende Fall. Dabei durchlaufen die Tiere mehr als zehn kontinuierlich größer werdende Larvenstadien, die jeweils mit einer Häutung abgeschlossen werden.

Gegen Ende des letzten Larvenstadiums verlässt das Tier das Wasser, um sich meist an vertikalen Strukturen zum Schlupf (Emergenz) senkrecht fest zu verankern. Eine Ausnahme bilden die Flussjungfern (Gomphidae), die häufig in waagerechter Position auf Kieseln oder dem blanken Boden schlüpfen. Das Spektrum der Emergenzorte reicht von Wurzelwerk, Steinen oder Fels, Büschen und Bäumen bis hin zu anthropogenen Strukturen wie Brückenpfeilern oder Bootshäusern. Am häufigsten suchen die Larven allerdings die Stängel oder Blätter von Ufer- oder Wasserpflanzen beziehungsweise Schilf zum Schlupf auf.

Die zur Emergenz zurückgelegte Strecke ist manchmal ganz beträchtlich. Insbesondere bei Falkenlibellen (Corduliidae) und Quelljungfern (Cordulegastridae) sind Distanzen von einigen bis vielen Metern dokumentiert, die Larven auf ihrem Weg zu einem passenden Ort für den Schlupf zurücklegten - in einem Fall (Zweifleck Epitheca bimaculata, nach Heidemann & Seidenbusch 1992) sogar mehr als hundert Meter! In der Regel erfolgt der Schlupf jedoch in direkter Nähe zum Gewässer. Dort schlüpft dann das ausgewachsene Insekt (Imago) aus der Larvenhülle, die als Exuvie zurückbleibt. Anhand der Exuvie kann bei europäischen Libellen die dazugehörige Art in fast allen Fällen problemlos bestimmt werden.

Gefährdung der Libellen

Libelle als Opfer einer Spinne in Australien

Im Jahr 2001 wurde die Plattbauchlibelle (Libellula depressa) zum Insekt des Jahres gewählt. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die auffällige und weit verbreitete Art stellvertretend für alle Libellen (Odonata) stehen und auf deren Gefährdung in Deutschland aufmerksam machen soll. Die Gefahr geht vor allem von einer ständig voranschreitenden Verschmutzung und Trockenlegung vieler Gewässer aus, die von den Libellenlarven als Lebensraum gebraucht werden. Die Folge: zwei Drittel der rund 80 heimischen Arten sind gefährdet, 20 Prozent sogar vom Aussterben bedroht. Da den meisten Laien die Artunterscheidung nicht möglich ist, stehen alle Libellenarten in Deutschland und den meisten Nachbarländern unter Artenschutz, es dürfen also nur die leeren Häutungshemden (Exuvien) gesammelt werden.

Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben sind Libellen ungiftig und können auch nicht stechen, sie sind also für den Menschen völlig harmlos. Alte Namen wie etwa „Teufelsnadel“ kamen durch diese falsche Vorstellung zustande und brachten den Libellen einen schlechten Ruf ein. Wenn eine gefangene, festgehaltene Libelle einem Menschen in den Finger beißt, ist das zwar spürbar, aber in der Regel nicht schmerzhaft. Von sich aus greifen Libellen Menschen niemals an, sondern sind meist scheu und flüchten. Einige große Arten wie die Blaugrüne Mosaikjungfer nähern sich allerdings manchmal neugierig, um den „Revier-Eindringling“ Mensch zu beobachten. Dabei verharren sie per Rüttelflug stehend in der Luft. Manche missdeuten dies als einen Angriff.

Schlüpfende Libelle

Evolution der Libellen

Die ältesten Funde von libellenähnlichen Tieren stammen aus dem oberen Karbon und sind etwa 320 Millionen Jahre alt. Diese als Palaeodictyoptera bezeichneten Tiere hatten eine Flügelspannweite von bis zu 60 Zentimetern bei Stenodictya und fanden sich offensichtlich in bewaldeten Gebieten, da ihre Fossilien in der Steinkohle gefunden wurden. Sie gehörten allerdings noch nicht zu den Libellen, sondern stellen wahrscheinlich die Vorfahren aller Geflügelten Insekten dar. Anders als alle heutigen Insekten besaßen sie auch am ersten Brustsegment, dem Prothorax, flügelartige Fortsätze.

Libellen-Fossilienabdruck aus dem Jura (Museum Mensch und Natur, München)

Aus dem oberen Karbon sind außerdem etwa 20 verschiedene „echte“ Libellenvorfahren bekannt. Diese Tiere werden als Protodonata oder auch Megasecoptora bezeichnet und umfassen als bekannteste Vertreter die Riesenlibellen Meganeura monyi mit bis zu 70 und Meganeuropsis permiana mit bis zu 72 Zentimetern Flügelspannweite.

In der Trias und der Kreide fand man Vertreter einer Gruppe, die man ursprünglich für die Vorfahren der Kleinlibellen hielt und als Protozygoptera bezeichnete, auf den Falklandinseln. Die aus der gleichen Zeit gefundenen Protanisoptera in Sibirien und Australien hielt man entsprechend für die Vorfahren der Großlibellen. Ebenfalls nicht in die heutigen Taxa einzuordnen sind die Archizygoptera und die Triadophlebiomorpha. Diese Tiere und auch die der folgenden Epochen erreichten nur noch Körpergrößen von sechs bis maximal 20 Zentimetern und entsprachen damit denen heutiger Arten. Diese Gruppen stellen wie die Protodonata jedoch noch keine Vertreter der heutigen Libellen dar.

Erste Vertreter der heute lebenden Libellentaxa traten erstmalig in der Kreide, eventuell auch bereits im Jura, auf. Die Veränderungen im Bau und wahrscheinlich auch in der Lebensweise der Libellen waren in den letzten 150 Millionen Jahren nur noch minimal.

Die größten Libellen der Jurazeit schwirrten vor etwa 150 Millionen Jahren in der Gegend von Solnhofen und Eichstätt durch die Lüfte. Diese Libellenart namens Aeschnogomphus intermedius erreichte eine Flügelspannweite von 21 Zentimetern und eine Körperlänge von 15 Zentimetern.[3]

Eine Große Pechlibelle (Ischnura elegans)

Systematik der Libellen

Hauptartikel: Systematik der Libellen

Bei den Libellen unterscheidet man drei Untergruppen, welche auch als monophyletische Gruppen angesehen werden (Lohmann 1996). Nach Ansicht einiger Forscher sind die Kleinlibellen allerdings keine natürliche Gruppe (Monophylum), sondern eine Zusammenfassung mehrerer basaler Taxa der Libellen.

Die Kleinlibellen (Zygoptera, etwa 2600 Arten) haben wie die Stammart der Libellen gleich große Flügelpaare, die in Ruhestellung nach hinten über dem Körper zusammengefaltet werden, die Augen stehen weit auseinander. Ein weiteres Merkmal dieses Taxons ist die Ausstattung der Larven mit drei Tracheenkiemen.

Als Epiprocta werden die beiden folgenden Gruppen aufgrund der vergrößerten und nahe beieinander liegenden Augen sowie der Ausstattung mit einer Greifzange am Hinterleib der Männchen zusammengefasst (Epiproct). Auch die Entwicklung der Rektalkiemen bei diesen Taxa taucht als gemeinsames Merkmal auf.

Die Urlibellen (Anisozygoptera oder Epiophlebioptera) existieren heute nur noch in zwei Arten im Himalaya und in Japan. Sie unterscheiden sich von den Großlibellen durch eine spezifische Ausbildung des Pedicellus, der Antennen sowie durch den Besitz eines Stridulationsorgans am Abdomen.
Bei den Großlibellen (Anisoptera, etwa 2500 Arten), sind die Flügelpaare ungleich groß und stehen in Ruhestellung seitlich vom Körper ab. Außerdem ist die dorsale Flugmuskulatur reduziert und die Tiere besitzen einen speziell ausgestalteten Kopulationsapparat (Penis).

Libellen (Odonata)
├── Kleinlibellen (Zygoptera)
└── Epiprocta
    ├── Urlibellen (Anisozygoptera, Epiophlebioptera)
    └── Großlibellen (Anisoptera)

Eine systematische Liste der Arten Europas ist unter Systematik der Libellen zu finden.

Libellen in Kunst und Kultur

Libellen besitzen eine Reihe volkstümlicher Namen, die sich auf ihre Verwendung in der Mythologie und im Volksglauben zurückführen lassen. So waren die Libellen in der germanischen Mythologie der Göttin Freya oder Frigg zugeordnet und heilig. Diese heidnische Verehrung wurde von Missionaren gemeinsam mit der Bedeutung des der Freya gewidmeten Freitag umgekehrt, die Libellen wurden zu „Teufelsnadeln“, „Teufelsbolzen“ oder „Augenstechern“ und der Freitag zum Unglückstag. Bis heute hat sich die damals verbreitete Angst vor Libellen durch das Märchen, Libellen könnten stechen, gehalten. In Luxemburg ist der Name „Siwestécher“ (Siebenstecher) gebräuchlich, der auf den Glauben zurückgeht, dass sieben Libellenstiche einen Menschen töten können.

Auch in der Literatur ist die Libelle regelmäßig zu finden, so etwa in Heinrich Heines Gedicht Die Libelle, in verschiedenen Werken von Annette von Droste-Hülshoff (Der Weiher, Westphälische Schilderungen aus einer westphälischen Feder) oder auch in Heinz Erhardts humoristischem Gedicht Die Libelle, in dem er schrieb:

Liebe Libelle,
flieg nicht so schnelle!
Denk der Gefahren,
die deiner harren …

Vor allem in modernen Zeichentrickserien, beginnend mit der Biene Maja über Antz bis hin zu verschiedenen japanischen Mangas wird die Libelle aufgrund ihrer Flugkünste als Fluggerät genutzt, in anderen stellt sie das Design für futuristisch anmutende Raumschiffe in Libellenform dar (etwa bei Captain Future oder Lexx). Bemerkenswert ist auch der mehrminütige Vorspann der Hollywood-Science-Fiction-Komödie Men in Black, der komplett aus dem Blickwinkel einer jagenden Libelle gestaltet wurde.

Im Zuge der Wahl „Schönstes deutsches Wort“, die von der Goethe-Gesellschaft veranstaltet wurde, wurde „Libelle“ 2004 zum schönsten Wort in der Kategorie „Vorschläge von Kindern“ gewählt.

Bei dem im Kojiki beschriebenen japanischen Schöpfungsmythos des Inselreichs wird die größte Insel Honshū als Ō-yamato-toyo-aki-zu-shima (大倭豊秋津島), dt. „Groß-Yamato-Fruchtbar-Libellen-Insel“, bezeichnet. Der Name soll auf den ersten Tennō, Jimmu, zurückgehen der die Form Japans mit einer mit ihrem Schwanz trinkenden Libelle verglich. Die Libelle war dadurch im frühen Japan ein Symbol kaiserlicher Macht. Im Volksglauben galt sie als Geist der Reispflanze und Vorbote eines fruchtbaren Herbstes – der Namensbestandteil 豊秋 kann als „fruchtbarer Herbst“ gelesen werden. In der japanischen Dichtkunst ist daher „Libelleninsel“ (Akitsu-shima bzw. Akizu-shima) ein poetischer Name für Japan und auch die Libelle selbst ein beliebtes Motiv.[4][5]

Schutzorganisationen

Quellenangaben

  1. Duden - Etymologie. Das Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Dudenverlag, 1989
  2. Stange G, Howard J (1979): An ocellar dorsal light response in a drgonfly. Journal of experimental Biology 83: 351–355
  3. E. Probst: Rekorde der Urzeit. Bertelsmann, München 1992, S. 108. ISBN 3-570-01382-0
  4. Tiere in Literatur + Volksglauben (Teil 1): Insekten und 'ähnliches Getier'. Japanisches Generalkonsulat Düsseldorf. Abgerufen am 10. Januar 2009.
  5. The Kojiki. Volume I, 1919 (übersetzt von Basil Hall Chamberlain), Section V. – Birth of the Eight Islands (http://www.sacred-texts.com/shi/kj/kj012.htm#fn_182 ; Stand: 10. Januar 2009; siehe auch Fußnote 23:26). 

Literatur

  • J. d'Aguilar J, J.-L. Dommanget: Guide des Libellules d'Europe et d'Afrique du nord. Delachaux et niestlé, Lausanne 1998. ISBN 2-603-01119-7
  • A. Arnold: Wir beobachten Libellen. Urania, Leipzig 1990. ISBN 3-332-00259-7
  • R.R. Askew: The Dragonflies of Europe. Harley Books, Great Horkesley 1988. ISBN 0-946589-10-0
  • H. Bellmann: Libellen beobachten – bestimmen. Naturbuch, Augsburg 1993. ISBN 3-894-40522-8
  • PS. Corbet: Dragonflies: Behaviour and Ecology of Odonata. Harley Books, Colchester 1999. ISBN 0-946589-64-X
  • A. Lehmann, J. H. Nüß: Libellen - Bestimmungsschlüssel für Nordeuropa, Mitteleuropa und Frankreich, Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung (1998), ISBN 3-923376-15-4
  • G. Jurzitza: Der Kosmos-Libellenführer. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000. ISBN 3-440-08402-7
  • K. Kuhn, K. Burbach: Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart 1998. ISBN 3-8001-3495-0
  • H. Lohmann: Das phylogenetische System der Anisoptera (Odonata). in: Entomologische Zeitschrift. Ulmer, Stuttgart 106.1996, 209-252. ISSN 0013-8843
  • R. Raab, A. Chovanec, J. Pennerstorfer: Libellen Österreichs. Springer, Wien/New York 2006. ISBN 3-211-28926-7
  • J. Silsby: Dragonflies of the World. Smithsonian, Washington 2001. ISBN 1-560-98959-9
  • K. Sternberg, R. Buchwald: Libellen Baden-Württembergs. 2 Bde. Eugen Ulmer, Stuttgart 2000. ISBN 3-8001-3508-6, ISBN 3-8001-3514-0
  • Jennifer Ackerman: Lustkämpfe der Libellen. Die wilden Zeiten der Paarung. in: National Geographic Deutschland. Gruner & Jahr, Hamburg 2006,4, S. 90-105.

Weblinks

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