Organneurose

Organneurose

Die Organneurose bezeichnet eine Somatisierungsstörung als besondere Form einer psychischen Störung, bei der die geklagten Beschwerden sich auf bestimmte Körperbereiche oder bestimmte Organe beziehen. Als Synonym gilt die Bezeichnung vegetative Neurose, mit der insbesondere die Funktionsstörungen einzelner innerer Organe oder Organsysteme bezeichnet werden sollten.

Beispiele:

  • Herzneurose oder Cardiovaskuläres Syndrom / Effort-Syndrom / DA-COSTA-Syndrom usw.
  • Magenneurose oder funktionelle gastrointestinale Beschwerden
  • Penisneurose

Dabei treten diese Neurosen ohne eindeutig fassbare anatomisch-physiologische Körperstörungen auf, d. h. als funktionelle Syndrome.

Begriffsabgrenzung

Der Begriff Organneurose stellt ein Konzept dar, welches allgemein das Leib-Seele-Problem, spezieller das Problem der psychophysischen Korrelation betrifft und hier gewisse medizinisch-therapeutische Probleme besser verständlich machen soll. Es wurde 1945 von dem Psychoanalytiker Otto Fenichel (1897-1946) aufgestellt.[1] 1950 wurde von Franz Alexander (1891-1964) die Bezeichnung vegetative Neurose geprägt.[2] Mit beiden Begriffen können bestimmte therapeutische Probleme in Abgrenzung von dem bisher bekannten Konversionsmodell Freuds besser abgeklärt und verstanden werden. Sowohl das Konversionsmodell als auch das Modell der Organneurose und der vegetativen Neurose beschreiben den Übergang vom Seelischen ins Körperliche. Thure von Üexküll ist der Auffassung, dass die Abwehr, wie sie von Freud hinsichtlich des Konversionsmodells beschrieben wurde, an die Grenzen der sozialen Konvention gebunden ist.[3] Dies trifft dagegen bei Störungen der Funktion vegetativer Organe nicht mehr zu. Bestätigt wird diese Annahme durch den bekannten demonstrativen Charakter konversionshysterischer Symptome, die unter dem Aspekt des unbewussten subjektiven Krankheitsgewinns äußerlich für jedermann sichtbar sind. Adressat der konversionshysterischen Botschaft ist die psychosoziale Umgebung. Dieser Mechanismus trifft auf vegetative Symptome bei inneren Krankheiten allerdings nicht mehr zu.

Diese sozialen Motive sind für die Wirksamkeit der Therapie hingegen entscheidend (Übertragungsneurose). Bereits 1934 hatte H. Meng darauf hingewiesen, dass bei der psychoanalytischen Behandlung von Patienten mit Magersucht, Tuberkulose, Diabetes und Gallenleiden frühe Ich-Schädigungen zu beobachten sind, wie sie sonst nur bei Psychosen zu beobachten sind. Damit ist davon auszugehen, dass hier frühkindliche Beziehungsstörungen bestehen (→ Affektäquivalent], die für die geringeren Therapieerfolge maßgeblich sind. Meng machte daher den Vorschlag, sie nicht als Organneurosen, sondern als „Organpsychosen“ aufzufassen.[4]

Einzelnachweise

  1. Uexküll, Thure von (Hrsg. u.a.): Psychosomatische Medizin. Urban & Schwarzenberg, München 31986, ISBN 3-541-08843-5, Seite 227
  2. Hoffmann, Sven Olav und Hochapfel, G.:Neurosenlehre, Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin. [1999], CompactLehrbuch, Schattauer, Stuttgart 62003, ISBN 3-7945-1960-4, Seite 199
  3. Uexküll, Thure von: Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1963, Kap. „Die Ausdruckskrankheiten“, Seite 150
  4. Meng, H.: Das Problem der Organpsychose bei seelischer Behandlung organisch Kranker. Int. Z. Psa. 16 (1980) 400-410
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