Orillon

Orillon
Bastion der Zitadelle von Pula
Pentagonale Bastionärsfestung Orsoy (5 Bastionen, Stand um 1650)

Eine Bastion, österreichisch Bastei, ist ein vorgezogener Verteidigungspunkt einer Festung. Sie dient dazu, Angreifer von der Seite oder von hinten beschießen zu können.

Ursprünglich waren Bastionen als Vorsprung der Befestigungsmauer selbst angelegt. Ein Beispiel ist die Bastion der Athener Akropolis, die rechtwinklig aus der eigentlichen Befestigungsmauer hervorragt, um das Haupttor zu schützen, und die den Nike-Tempel trägt. Mit zunehmender Reichweite der Geschosse wurden Bastionen von der eigentlichen Festung baulich gelöst und weiter ins Vorland verschoben, bis sie in der Neuzeit als eigene, kleine Festungen kilometerweit vor dem Verteidigungsobjekt angelegt wurden. Dabei entwickelte sich ein eigener Festungstyp gleichen Namens.

Als Bastion wird so ein aus dem Hauptwall hervorspringendes, nach hinten offenes Festungswerk mit in der Regel fünfeckigem Grundriss bezeichnet. Anders als bei Geschütztürmen und Rondellen war die Grundrissausbildung einer Bastion von den Schusslinien der auf den benachbarten Werken postierten Geschütze bestimmt, so dass bei regelmäßiger Bastionierung einer Festung tote Winkel vermieden wurden.

Eine Bastion bestand aus zwei im Bastionswinkel zusammentreffenden Vorderseiten, den Facen, und zwei mit den Kurtinen verbundenen Flanken. Die Facengeschütze sollten das Vorfeld mit Feuer bestreichen und die feindliche Artillerie auf Distanz halten, während die Flankengeschütze zunächst primär der Grabenverteidigung dienten. Der hintere Teil einer Bastionsflanke konnte zurückgezogen und mit mehreren kasemattierten Feueretagen versehen sein, die durch den äußeren Teil der Flanke gedeckt wurden. Letzterer war eckig oder abgerundet und bildete das auch Bastionsohr genannte Orillon.

Erste Bastionen wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts nach Plänen von Giuliano da Sangallo in Italien erbaut. In den deutschsprachigen Raum fand die Bastionärbefestigung im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts Eingang. So wurde um 1530 an der Wiener Hofburg eine Bastion errichtet und 1538 unter der Leitung von Antonio Fazzuni mit der Bastionierung der Nürnberger Stadtmauer begonnen.

Handelte es sich bei einer Bastion ursprünglich um einen Mauerwerksbau, setzte sich im 16. Jahrhundert eine Gemischtbauweise durch, bei der ein Erdkörper durch die Eskarpenmauer abgestützt wurde. Hinter dieser konnten sich gemauerte Galerien oder Kasematten befinden. Um die Wende zum 17. Jahrhundert kam im niederländischen Festungsbau die reine Erdbauweise mit unkasemattierten Bastionen auf, welche jedoch aufgrund der damit verbundenen aufwändigen Instandhaltung nur bis etwa 1650 üblich war.

Wacherker auf der Spitze einer Bastion

Unter dem Bastionärsystem ist ein fortifikatorisches Grundprinzip zu verstehen, welches auf der optimalen Bestreichung der Festungswerke und des Vorfeldes durch die systematische Anordnung von Bastionen beruht. Es wurde erstmalig in der altitalienischen Manier des 16. Jahrhunderts verwirklicht und prägte den Festungsbau bis in das 19. Jahrhundert. Neben den Bastionen wiesen auch die Außenwerke einer im Bastionärsystem errichteten Festung einen winkligen Grundriss auf, der sich nach den Schusslinien der Verteidigungsgeschütze richtete und somit eine effektive, gegenseitige Flankierung ermöglichte. Um die für die völlige Vermeidung toter Winkel notwendige, geometrisch perfekte Anordnung der Werke zu erreichen, waren bastionierte Festungen im Idealfall als regelmäßige Vielecke konzipiert.

Idealtypische Bastionärbefestigung in neuitalienischer Manier, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der pfeilspitzenförmige Grundriss der Bastionen ergibt sich aus den Schussbahnen der auf den angrenzenden Wällen postierten Kanonen. Die Bastionsflanken sind zurückgezogen und werden durch das Orillon (a) gedeckt.

Die Entwicklung der auf dem Bastionärsystem beruhenden Festungsmanieren war von einer stetigen Vergrößerung der Bastionen, der Verringerung der Kurtinenlänge, der Vermehrung von Außenwerken und der allmählichen Versenkung des Mauerwerks unter den Bauhorizont gekennzeichnet. Die wachsende Reichweite der Geschütze zog eine immer größere Tiefenstaffelung der Festungswerke und die zunehmende Konzentrierung der Verteidigung auf das Vorfeld nach sich. Im 18. Jahrhundert kam das Tenaillensystem mit sternförmiger Grundrissausbildung auf, doch wurden die Bastionärbefestigungen erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts durch das Polygonalsystem verdrängt. Die Festung Koblenz war das erste Befestigungssystem, das in dieser neuen Art erbaut wurde.

Literatur

  • Böhme, Horst Wolfgang/Friedrich, Reinhard/Schock-Werner, Barbara (Hrsg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Reclam, Stuttgart 2004 ISBN 3-15-010547-1
  • Duffy, Cristopher: Siege Warfare: The Fortress in the Early Modern World, 1494-1660. 2. Auflage. Routledge, London 1996 ISBN 0-415-14649-6
  • Ortenburg, Georg/Fiedler, Siegfried: Heerwesen der Neuzeit. 10 Bände. Bernard & Graefe, Koblenz 1984-93 ISBN 3-7637-5813-5

Siehe auch


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