Ottmar Mergenthaler

Ottmar Mergenthaler
Ottmar Mergenthaler

Ottmar Mergenthaler (* 11. Mai 1854 in Hachtel, heute Stadtteil von Bad Mergentheim; † 28. Oktober 1899 in Baltimore) war Uhrmacher und ist der Erfinder der Linotype-Setzmaschine.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Ottmar Mergenthaler wurde als drittes von vier Kindern von Johann Georg Mergenthaler (1820–1893) und Rosine Ackermann (1828–1859) geboren. Sein Vater war Dorfschulmeister und stammte aus Hohenacker bei Waiblingen. Schon im Herbst 1854 wurde der Vater nach Neuhengstett bei Calw versetzt, wo er vier Jahre blieb, bis er im Sommer 1858 den Schuldienst in Ensingen bei Vaihingen an der Enz antrat. Dort erlebte Ottmar seine Jugendjahre. Schon 1859 starb seine Mutter. 1861 heiratete der Vater Karoline Hahl, die dem jungen Ottmar und seinen Geschwistern eine treusorgende Stiefmutter war.

Schon als Kind zeigte Ottmar großes technisches Interesse. So gelang es ihm, die defekte Kirchturmuhr in Ensingen zu reparieren. Seinen Wunsch, Maschinenbau zu studieren, konnte ihm der Vater aus finanziellen Gründen aber nicht erfüllen. Andererseits wollte er auch nicht Lehrer wie sein Vater werden. Seine beiden älteren Brüder besuchten bereits die Realschule, aber für Ottmar konnte der Vater das Schulgeld nicht mehr bezahlen, außerdem wurde er zunächst als Hilfe im Haushalt benötigt. Da technische Berufe eine höhere Schulbildung erforderten, ging Ottmar einen Kompromiss ein: Er begann im Mai 1868 nach dem Besuch der Volksschule eine Uhrmacherlehre bei seinem Stiefonkel, dem Uhrmachermeister Louis Hahl in Bietigheim an der Enz. Die Grundlage für seine technischen Kenntnisse lieferte der Besuch der Abend- und Sonntagsschule.

Doch der Wirkungskreis in Bietigheim schien ihm zu klein. Deshalb beschloss er, nach Beendigung der Lehrzeit nach Amerika auszuwandern. Am 26. Oktober 1872 landete der Dampfer „Berlin“ in Baltimore und unter den 500 Zwischendeckpassagieren, die in der Neuen Welt ihr Glück suchen wollten, war auch Ottmar Mergenthaler.

Er fuhr weiter nach Washington D. C., wo sein Vetter August Hahl eine Werkstatt für elektrische Geräte und Messwerkzeuge betrieb. Mit diesem hatte Ottmar Mergenthaler bereits vor seiner Überfahrt Kontakt aufgenommen. Er streckte Mergenthaler das Geld für die Reise vor, im Gegenzug sollte er in der Werkstatt arbeiten. Das Unternehmen fertigte auch zahlreiche Erfindermodelle. Nach damaligem Recht musste mit jedem Patentantrag in Washington auch ein Modell eingereicht werden. Ottmar Mergenthaler hatte so häufigen Kontakt mit neuen Entwicklungen. 1875 verlagerte August Hahl die Werkstatt nach Baltimore. Seit 1878 war Mergenthaler Teilhaber des Unternehmens, doch 1883 trennten sie sich und er eröffnete seine eigene Werkstatt. 1881 heiratete er Emma Lachenmaier, eine Tochter deutscher Eltern. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen.

In dieser Zeit entstand ein starker Bedarf nach einer brauchbaren Setzmaschine. Noch immer arbeitete man mit dem seit Gutenberg gebräuchlichen Handsatz, bei dem die Leistung eines geübten Setzers etwa 1400 Zeichen pro Stunde beträgt. Da schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die ersten Druckmaschinen aufgekommen waren, war das Missverhältnis noch größer geworden. Sechs Setzer waren notwendig, um einen Drucker mit Arbeit zu versorgen. Deshalb beschäftigten sich viele Erfinder damit, den Setzvorgang zu automatisieren und zu beschleunigen, scheiterten aber meist an mechanischen Problemen.

Auch Ottmar Mergenthaler suchte einige Jahre lang nach einer Lösung. Vor seiner Selbständigkeit verbesserte er mehrere Maschinen für das Unternehmen Hahl. Charles T. Moore brachte eine lithographische Schreibmaschine in die Werkstatt, die Mergenthaler zwar zum Funktionieren brachte, deren Prinzip aber den Satz nicht beschleunigte. Für den Gerichtsschreiber James Ogilvie Clephane, den er 1876 kennenlernte, sollte er eine Matrizen-Prägemaschine vervollkommnen. Zwei Jahre später wurde die Maschine fertiggestellt, jedoch hatte das Funktionsprinzip mit Papiermatern gravierende Mängel, und das erzeugte Schriftbild war inakzeptabel. Clephane unterstützte Mergenthaler weiterhin bei seiner Arbeit, verschaffte ihm Geldgeber und gründete eine Gesellschaft. 1884 konstruierte Mergenthaler eine Matrizenstabsetzmaschine mit Tastatur. In die Matrizen, die an Drähten geführt wurden, waren vertiefte Schriftzeichen geprägt. Durch das Tasten wurden sie ausgelöst und zu einer Zeile gesammelt. Das Ausschließen erfolgte noch von Hand. Die Zeile wurde aber schon bei diesem frühen Modell mit Blei gegossen. Das Patent für die Setzmaschine war am 26. August 1884 amtlich bestätigt worden und kurz darauf wurde die eigene Firma „National Typographic Co of West-Virginia“ unter Mergenthalers Leitung gegründet. Ein Jahr später, im Februar 1885, wurde die Zeile in einer verbesserten Maschine automatisch mit Doppelkeilen ausgeschlossen. Die Herstellung der Matrizen mit 4500 geprägten Schriftbildern war jedoch zu teuer.

Mergenthaler konstruierte eine völlig neue Maschine und überzeugte auch seine skeptischen Geldgeber davon, ihn weiter zu unterstützen. Am 3. Juli 1886 wurde die erste Maschine mit jetzt frei umlaufenden Messingmatrizen fertiggestellt und bei der New York Tribune vorgestellt. Der Herausgeber Whitelaw Reid soll bei der Inbetriebnahme ausgerufen haben: „A line of types!“. Damit war der Name für diese Maschine gefunden: „Linotype“. Mit ihrer Hilfe konnte die Leistung eines Setzers auf etwa 6000 Zeichen pro Stunde gesteigert werden. Das erste Modell wurde „Blower-Linotype“ genannt, weil zum Transport der Matrizen Druckluft eingesetzt wurde. Um in Serienproduktion gehen zu können und den Preis für die Maschine niedrig zu halten, brauchte Mergenthaler einen Weg, um die Matrizen günstig zu fertigen. Mit den bisherige Möglichkeiten konnte man die jeweils 1200 Matrizen nicht wirtschaftlich herstellen, so dass Mergenthaler eine eigene Matrizenfabrik baute und dafür verschiedene Spezialmaschinen entwickelte. Er verwendete auch die Stempelschneidemaschine von Linn Boyd Benton und erreichte schließlich eine günstige Fertigung.

Ottmar Mergenthaler verbesserte seine Maschine in den folgenden Jahren immer weiter. Da er während seiner Entwicklung den Bau des alten Modells anhalten wollte, verwarf er sich mit den Mitgesellschaftern und trat aus dem Unternehmen aus. In seiner eigenen Werkstatt baute er das Nachfolgemodell „Simplex“. Es kam 1889 auf den Markt und stellte die Basis für folgende Erweiterungen dar. Auf der Pariser Weltausstellung 1889 war Mergenthalers Zeilensetzmaschine die Sensation. Edison soll sie sogar als achtes Weltwunder bezeichnet haben.

Nach Mergenthalers Erfolg mit dem Maschinenmodell „Simplex“ kam es wieder zur Einigung mit den bisherigen Gesellschaftern und 1890 zur Gründung der „Mergenthaler Linotype Company“ in Brooklyn, New York City. 1892 wurde in Amerika bereits die tausendste Linotype-Setzmaschine hergestellt. 1896 gab es weltweit über 3000 Linotype-Setzmaschinen. Auch in England und Deutschland wurden Tochterunternehmen gegründet, im Oktober 1896 die „Mergenthaler-Setzmaschinen-Fabrik GmbH“ in Berlin. Die Herstellung der Setzmaschine für den deutschsprachigen Raum übernahm die Berliner Maschinenbau AG, vormals L. Schwartzkopff. Die Linotype-Matrizen stellte die Frankfurter Schriftgießerei D. Stempel her.

Im Herbst 1888 erkrankte Ottmar Mergenthaler an einer schweren Rippenfellentzündung, jedoch ignorierte er sie weitgehend. 1892 besuchte er noch einmal seinen Vater in Deutschland. Zwei Jahre darauf hatte Tuberkulose seine Lunge angegriffen. Er übersiedelte 1896 in das klimatisch günstiger gelegene Prescott in Arizona und zog später nach Deming (New Mexiko). Nachdem dort sein Wohnhaus abgebrannt war, kehrte er wieder nach Baltimore zurück. Am 28. Oktober 1899 starb Ottmar Mergenthaler erst 45-jährig an Tuberkulose. Er wurde auf dem Laudon-Park-Friedhof in Baltimore bestattet.

Bedeutung

Büste Ottmar Mergenthaler in der Princeton University Library
Briefmarke (1954) zum 100. Geburtstag

Mit der Linotype-Maschine begann 1884 ein neues Zeitalter in der Drucktechnik. Zeitungen und Bücher konnten schneller und billiger hergestellt werden. So stieg die Auflage der amerikanischen Zeitungen innerhalb kurzer Zeit von 3,6 Millionen auf 33 Millionen.

Vor allem Zeitungsbetriebe, die große Mengen Text in kürzester Zeit herstellen mussten, hatten bald ganze Säle voller Linotype-Setzmaschinen. Etwa ein Jahrhundert lang dauerte die Ära dieser genial konstruierten Maschine. Bis Anfang der 1980er Jahre blieb die Linotype-Setzmaschine, die kontinuierlich weiterentwickelt wurde und bei Lochstreifensteuerung Stundenleistungen von bis zu 25'000 Zeichen erreichte, gängige Technik. Dann verdrängten neue Techniken, wie Fotosatz und später Desktop-Publishing (DTP) die Linotype-Bleisetzmaschinen. Heute ist sie nur noch in einigen wenigen Druckereien als Liebhaberstück zu finden. In vielen namhaften technischen Museen hat die Maschine jedoch ihren gebührenden Platz erhalten.

Die Erfindung Ottmar Mergenthalers leitete eine epochale Entwicklung in der Satzherstellung und damit für die gesamte Drucktechnik ein. In Amerika ist sein Name noch immer hoch angesehen. Er wurde in die „National Inventors Hall of Fame“ (Nationale Erfinder-Ruhmeshalle) aufgenommen, die ein Museum in Akron (Ohio) besitzt. Neben Friedrich Wilhelm von Steuben und Carl Schurz gilt er als einer der bedeutendsten Männer, die als Einwanderer aus Deutschland die Geschichte der USA mitgestaltet haben.

In Deutschland wurde am 11. Mai 1954 im Rathaus von Hachtel, einem Stadtteil von Bad Mergentheim eine Gedenkstätte für Ottmar Mergenthaler eingerichtet.

Ebenfalls zu seinem 100. Geburtstag am 11. Mai 1954 brachte die Deutsche Bundespost Berlin eine Sonderbriefmarke mit seinem Porträt und der Linotype zu seinem Gedenken heraus.

Literatur

  • Severin Corsten, Stephan Füssel u.a. (Hrsg.): Lexikon des gesamten Buchwesens. 2. Auflage. Band V. Anton Hiersemann, Stuttgart 1999, ISBN 3-7772-9904-9.
  • Willi Mengel: Die Linotype erreichte das Ziel. Will & Rothe, Mainz 1955.
  • Manfred Raether: Linotype – Chronik eines Firmennamens. e-Buch-Format (PDF), Schöneck 2009.
  • Carl Schlesinger (ed.): The Biography of Ottmar Mergenthaler, Inventor of the Linotype. Oak Knoll Books, Delaware 1989, ISBN 0-938768-12-3.
  • Fritz Schröder: Ottmar Mergenthaler. Leben und Schaffen eines großen deutschen Erfinders im Ausland. Mergenthaler Setzmaschinenfabrik GmbH, Berlin 1941.
  • Michael Rehs: Wurzeln in fremder Erde: Zur Geschichte der südwestdeutschen Auswanderung nach Amerika DRW-Verlag, 1984, ISBN 3-87181-231-5
  • Ludwig Julius Fränkel: Mergenthaler, Ottomar. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 52, Duncker & Humblot, Leipzig 1906, S. 325–327.

Weblinks

 Commons: Ottmar Mergenthaler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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