Otto Praun

Otto Praun

Otto Praun (* 28. April 1894 in Würzburg; † 14. April 1960 in Pöcking) war ein deutscher Gynäkologe und Immobilienhändler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Praun entstammte einer Familie, deren Mitglieder seit dem Zweiten Weltkrieg zur Führung der westdeutschen Geheimdienste gehörten:

  • Sein Vetter Albert Praun war in der NS-Zeit General der Nachrichtentruppe. Er übernahm 1956 mit dem Decknamen „Schwarz“ in Pullach die Leitung der Fernmeldeaufklärung.
  • Sein Neffe Dietrich Praun brachte es zum Leiter des Referats Sicherheit/Gegenspionage und wurde später unter dem Decknamen „Pranner“ BND-Resident in Tunesien.

Otto Praun wurde 1928 Mitarbeiter der Abwehr,[1] er war Vertrauensarzt der Allianz und Mitglied der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 1725299. 1937 und 1944 schützte Praun durch Atteste Opfer des Nationalsozialismus vor Verfolgung. Ein Ehepaar wurde so vor der Zwangsarbeit bewahrt. Die Gestapo ermittelte gegen Praun wegen Verstoßes gegen die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen. 1944 wurde von einem Ortsgruppenleiter ein Parteiordungsverfahren wegen wiederholten „Nicht-Tragens“ des Parteiabzeichens angeregt.

Während des Zweiten Weltkriegs beobachteten Offiziere des Etappendienstes das Mittelmeer von der spanischen Küste aus.[2] Ab dem 6. Mai 1945 wurde in Spanien Eigentum des Deutschen Reichs und seiner Bürger enteignet, ausgenommen waren Bürger, welche sich legal in Spanien aufhielten. In dieser Situation wurden viele Eigentumstitel an Strohmänner übertragen. Nachdem die Enteignung durch den Rückkauf über diese Strohmänner praktisch ad absurdum geführt worden war, wurde mit der Eröffnung der deutschen Botschaft in Madrid am 6. November 1952 ein Moratorium der Enteignungen verfügt.[3]

1954 wurde eine Mitarbeiterin der Abwehr, Sonja Bletschacher, in Starnberg tot aufgefunden. Sie war eine Freundin von Otto Praun und hatte einen Oberst Bletschacher geheiratet, welcher 1944 gestorben war. Nach dem Krieg war Sonja Bletschacher einmal von Otto Praun in sein Haus in Pöcking eingeladen worden. Otto Praun war zum Fall Bletschacher befragt worden.[1] Für Tötungsdelikte im Bereich Fürstenfeldbruck war Karl Rodatus zuständig. Im Fall Bletschacher wurde Selbstmord ermittelt.

Praun stellte Vera Brühne im Juli 1957 in München als Chauffeuse ein, wofür er ihr einen gebrauchten VW Käfer zur Verfügung stellte und 200 Deutsche Mark monatlich zahlte. Im Oktober 1957 chauffierte Vera Brühne erstmals Praun zu dessen Finca Casavana an der Costa Brava, welche von Frau Katja Hintze verwaltet wurde. 1958 entließ Praun Frau Hintze und übertrug Frau Brühne die Verwaltung des Grundstückes bei Lloret de Mar in der Provinz Gerona. Am 23. Mai 1959 errichtete Praun in Arbúcies ein Testament, in welchem er Frau Brühne ein lebenslanges Wohnrecht auf dem 8,3 Hektar[4] großen Landsitz einräumte.

Tod

Als am 19. April 1960, dem Dienstag nach Ostern, Praun nicht in seiner Praxis in München Untersendling erschien, fuhr gegen 22:00 Uhr seine Sprechstundenhilfe Renate Meyer mit ihrem Mitbewohner, dem Heizungsmonteur Hans-Joachim Vogel nach Pöcking. Vogel betrat die Villa über die Terrassentür und fand Praun erschossen vor. Die verständigte Polizei fand, nachdem sich Frau Meyer und Herr Vogel vom Tatort entfernt hatten, die durch einen Genickschuss ermordete Haushälterin Elfriede Kloo im Souterrain der Villa. Der zuständige Kriminalobermeister Karl Rodatus stellte noch in derselben Nacht einen – für die Aufklärungstatistik positiven – erweiterten Suizid Prauns fest.[5]

Am 22. April 1960 wurde Praun auf dem Münchener Nordfriedhof beerdigt. Er hinterließ ein Vermögen, das auf 1,6 Millionen Deutsche Mark geschätzt wurde. Am 2. August 1960 fand im Amtsgericht Starnberg die Testamentseröffnung statt. In seinem Testament vom 23. Mai 1959 räumte Praun Frau Brühne ein lebenslanges Nutzungsrecht für sein Anwesen in Lloret de Mar ein. Praun vererbte sein Grundeigentum in Spanien an Vera Brühne mit der Auflage, dass bei Antritt des Erbes ein Nacherbenvermerk zugunsten seines Sohnes in das Grundbuch eingetragen wird. Vera Brühne hätte das Gelände nutzen können, ein Verkauf wäre aber von der Zustimmung Günther Prauns (*1930) abhängig geblieben. Mit einer Grundbucheintragung für Brühne hätte diese die Chronologie des Grundeigentums in Spanien dokumentieren können. Nach der Eröffnung des Testamentes Prauns war der Konsens über die Todesursache nicht mehr ungeteilt. Zwei Wochen nach der Testamentseröffnung erstatte der Anwalt von Günther Praun bei der Staatsanwaltschaft beim Münchener Landgericht Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Mordes in zwei Fällen. Außerdem beantragte er die Exhumierung und Sektion der Leiche Otto Prauns. Am 27. Oktober 1960 gab der zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht München dem Ersuchen statt. Die anschließende Obduktion ergab, daß Otto Praun mit zwei Kopfschüssen ermordet wurde.[6]

Im Frühjahr 1962 wurde Vera Brühne und dem Mitangeklagten Johann Ferbach der Prozess gemacht. Günther Praun brachte eine Reihe entscheidender Beweismittel in das Verfahren ein, welche nicht polizeilich gesichert worden waren und von Praun hätten verfälscht worden sein können. Eine wichtige Rolle im Prozess spielten auch die widersprüchlichen Aussagen der Tochter von Vera Brühne, Sylvia Cossy, die ihre Mutter ursprünglich belastet hatte und ihre Aussage dann vor Gericht widerrief. Am 4. Juni 1962 wurden Brühne und Ferbach wegen gemeinschaftlichen Doppelmordes zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Ein Revisionsantrag wurde am 4. Dezember 1962 vom Bundesgerichtshof abgelehnt, das Urteil damit rechtskräftig.

Doppelleben

1948 war Karl Helmut Schnell Referendar in der Anwaltskanzlei von Josef Müller. 1957 war er Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und nahm aus dem Akquisitionsbüro Frankfurt des französischen Rüstungsunternehmens Radio-Air 36.000 DM von Roger Hentges[7] an sich. Hentges, Teilzeitkraft des Direction du Renseignement Militaire, behauptete im Juli 1976, bei dem Geld hätte es sich um eine Provision für den Leiter des Büros, den Waffenhändler Friedrich Großkopf gehandelt.[8]

Im Film Vera Brühne ist von Schnell nicht explizit die Rede. Schnells Anwalt Torsten Arp klagte jedoch dagegen, dass Karl-Hans Kern[9] nahelegt, dass die Figur des Oberstleutnant Schröder angeblich Schnell entspricht.[10]

In einer Aktennotiz des BND fanden Journalisten des Spiegel 2001 den Hinweis, Praun habe „der Spionage von Hitlers Wehrmacht als Offizier oder V-Mann gedient und später auch dem BND“ und „sei in Waffenschiebereien verwickelt“ gewesen.[10]

Trivia

Im Film Vera Brühne wird Otto Praun durch die Figur Dr. Dietrich Schwarz repräsentiert. In Realität war Schwarz der Nom de guerre von Otto Prauns Cousin Albert Praun.[10]

Einzelnachweise

  1. a b Oberfinanzpräsidium (Landesfinanzamt), Sophienstraße 6, München Unterhaltsakte Bletschacher, Aktenzeichen M.N.M 17836 nach Machtrausch (PDF) aus Gaby Weber in Die Vergangenheit, die nicht endete – Machtrausch, Geschäft und Verfassungsverrat im Justizskandal Brühne-Ferbach, Hrsg. Ulrich Sonnemann, Focus Verlag, Giessen, 1985, 206 S. S. 40
  2. Christian Leitz: Nazi Germany and neutral Europe during the second world war. S. 120.
  3. Wie in der Dreigroschenoper. In: Die Zeit, 22/1962
  4. Der Tod kam nicht um 19.45 Uhr. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1973 (online).
  5. Für die Polizei war alles klar. In: Die Zeit, 48/1961
  6. Die vielen Säulen des Richters Seibert. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1970 (online).
  7. Verdienst im Halbdunkel. In: Der Spiegel. Nr. 5, 1968 (online).
  8. Vernehmungsniederschrift Regierungsdirektor Fritz und Oberamtsrat Brambach vom 21. Juli 1976, Aktenzeichen ES-238/76 nach Machtrausch (PDF) Weber S.46
  9. Karl-Hans Kern: Die Geheimnisse des Dr. Josef Müller, Mutmaßungen zu den Morden von Flossenbürg (1945) und Pöcking (1960) Berlin, 2000
  10. a b c Das Geheimnis von Pöcking. In: Der Spiegel. Nr. 20, 2001 (online).

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