Palästinensische Autonomiebehörde

Palästinensische Autonomiebehörde

Die Palästinensische Autonomiebehörde (abgekürzt PNA oder PA) (arabisch ‏السلطة الوطنية الفلسطينية‎, DMG as-Sulṭa al-Waṭaniyya al-Filasṭiniyya) ist eine quasistaatliche Einrichtung, die nominell Regierungsfunktionen in den Palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland und dem Gaza-Streifen ausübt.[1] Diese Gebiete werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde palästinensische Territorien genannt.

Die Palästinensische Autonomiebehörde wurde als Teil des Gaza-Jericho-Abkommens zwischen der PLO und Israel eingerichtet. Sie hat in den städtischen Gebieten (sog. Area A) die Zuständigkeit für Sicherheitsfragen und öffentliche Verwaltung und in den ländlichen Gebieten (sog. Area B) die Zuständigkeit für die öffentliche Verwaltung. In einem weiteren, flächenmäßig großen, jedoch sehr dünnbesiedelten Gebiet des Westjordanlandes (Area C) hat die israelische Armee weiterhin die volle Kontrolle, dazu gehören auch die israelischen Siedlungen.

Die Verträge von Oslo sahen keine explizite Regelung für die Zukunft der Palästinensischen Autonomiebehörde vor, es war jedoch ungeschriebenes Übereinkommen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde im Zuge einer endgültigen Regelung die Basis für einen zu gründenden palästinensischen Staat werden solle.

Die Palästinensische Autonomiebehörde genießt internationale Anerkennung als Vertretung des palästinensischen Volkes, jedoch in einem eingeschränkten Sinne.[2] Sie ist kein Völkerrechtssubjekt und hat bei den Vereinten Nationen anders als die PLO keinen Beobachterstatus. Die Palästinensische Autonomiebehörde erhält umfangreiche Subventionen von der Europäischen Union[3] und den USA und Ausgleichszahlungen von Israel.[4]

Die Palästinensische Autonomiebehörde unterhält Polizeikräfte im Umfang von etwa 40.000 bis 80.000 Mann, die über gepanzerte Fahrzeuge verfügen und automatische Waffen tragen. Seitens des Auswärtigen Amts wird die palästinensische Zivilpolizei seit 2008 unter Anderem mit neuen Einsatzfahrzeugen unterstützt.[5]

Inhaltsverzeichnis

Wahlen

Seit der Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde im Jahr 1993 fanden nur zwei Wahlen statt. Alle weiteren, geplanten Wahlen wurden aus verschiedenen Gründen verschoben.

Eine einzelne Wahl des Präsidenten und der Legislative fand 1996 statt. Die nächsten Wahlen waren für das Jahr 2001 geplant, fanden aber nicht statt. Nach dem Tod des Präsidenten Jassir Arafat wurde ein Wahltermin für den 9. Januar 2005 angesetzt. Die Palästinenser wählten an diesen Präsidentschaftswahlen Mahmud Abbas zum neuen Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde.

Am 10. Mai 2004 kündigte das palästinensische Kabinett erstmalig Kommunalwahlen an. Die örtlichen Bürgermeister werden derzeit nicht gewählt, sondern zentral ernannt. Die Wahlen sollten in Jericho im August 2004 stattfinden, anschließend auch in einigen Ortschaften im Gaza-Streifen. Im Juli 2004 wurden diese Wahlen ebenfalls verschoben.

Parlamentswahlen wurden im Sommer 2005 auf den 25. Januar 2006 festgelegt. Nach anfänglicher Unklarheit darüber, ob die Palästinenser im arabischen Ostteil Jerusalems (das von Israel als annektiertes, nicht als besetztes Gebiet angesehen wird) an diesen Wahlen teilnehmen dürfen, drohte Mahmud Abbas damit, die Wahlen insgesamt abzusagen. Nach Druck der US-Regierung willigte die israelische Regierung jedoch am 15. Januar 2006, also zehn Tage vor dem angesetzten Wahltermin ein und gestattet den Wahlberechtigten in Ost-Jerusalem in bestimmten Postämtern zu wählen.

Mohamed Abutair hat 2009 auf einer Pressekonferenz in London angekündigt, dass er in der Wahl von 2010 unter dem Wahlmotto "Change for Peace" für das Amt des Präsidenten in Palästina kandidieren wird.[6] Die nächsten Wahlen finden aller Voraussicht nach 2012 statt.

Ergebnisse der Wahlen vom 25. Januar 2006

Innerer Aufbau

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist historisch eng mit der PLO verknüpft, mit der Israel die Verträge von Oslo verhandelte. Daher wurde die Palästinensische Autonomiebehörde bislang von Jassir Arafat geführt, und die Exekutive wurde aus den Reihen der PLO besetzt, hauptsächlich mit Mitgliedern der Tanzim-Organisation, einem militärischen Zweig der PLO aus den Zeiten der Ersten Intifada.

2003 setzte Arafat auf internationalen Druck Mahmud Abbas (genannt Abu Mazen) als „Premierminister“ der Palästinensischen Autonomiebehörde ein, denn sowohl Israel wie die USA lehnten es ab, mit Arafat zu verhandeln, da er Verbindungen zum Terrorismus unterhalte. Nach dem Tod Arafats und nach der Besetzung dieses Postens mit Ismail Haniyya von der Hamas (2006) wurde das Amt von denselben Staaten wieder für irrelevant erklärt. Verhandlungen finden seitdem nur mehr mit dem Präsidenten statt. Ismail Haniyya und seine Minister in Gaza wurden im Juni 2007 vom Präsidenten abgesetzt und Salam Fayyad als neuer Premierminister eingesetzt. Seitdem gibt es in Gaza de facto eine zweite Regierung, die international nicht anerkannt wird.

Arafats Regierungsstil war durch ein nicht westlichen Standards entsprechendem Demokratieverständnis, Korruption innerhalb der Verwaltung[7], Verteilung der Macht auf Familienmitglieder[8] und eine unübersichtliche Vielzahl von Regierungsorganisationen mit unklaren Zuständigkeiten gekennzeichnet. Arafat kontrollierte über verschiedene Mechanismen ca. acht verschiedene Sicherheitsorganisationen, und dem Erziehungsministerium standen mehr als 20 Führungskräfte vor. Nach den einzigen Wahlen 1996, die er mit überwältigender Mehrheit gewann, verschob Arafat alle weiteren Wahlen auf unbestimmte Zeit. Darin ähnelt sein Führungsstil den Diktaturen des Nahen Ostens, die nach dem Motto „Ein Mann, eine Stimme, ein einziges Mal“ regierten.

Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde
Nr. Name Amtsantritt Ende der Amtszeit Partei
1 Jassir Arafat 5. Juli 1994 11. November 2004 Fatah
Rauhi Fattuh (interim) 11. November 2004 15. Januar 2005 Fatah
2 Mahmud Abbas 15. Januar 2005 Fatah

Die Regierungen wurden bis 2003 vom Präsidenten geführt und seither vom Premierminister.

Regierungen der Palästinensischen Autonomiegebiete
Nr. Regierung Amtsantritt Ende der Amtszeit Koalition
1 & 2 Fatah-FIDA-PPP
4 Fatah-FIDA-PPP
6 Notstandsregierung 5. Oktober 2003 November 2003
7 Fatah-FIDA-PPP
8 Regierung Haniyya I 29. März 2006 16. März 2007 Hamas
9 Regierung Haniyya II 17. März 2007 14. Juni 2007 Hamas-Fatah-Dritter Weg-
PNI-PPP-DFLP
10 Notstandsregierung* 15. Juni 2007 Juli 2007
11 Regierung Fayyad I* Juli 2007 19. Mai 2009 Dritter Weg-Fatah
13 Regierung Fayyad II* 19. Mai 2009 Fatah-DFLP- FIDA-PSF

*) Während der Amtszeit dieser Regierung existierte eine zweite Regierung im Gazastreifen unter der Führung von Ismail Haniyya. Haniyya wurde am 14. Juni 2007 von Mahmud Abbas als Premierminister abgesetzt und Salam Fayyad zum neuen Premierminister ernannt. Haniyya erkennt seine Amtsenthebung allerdings nicht an und arbeitet mit seinem Kabinett im Gazastreifen weiter.[9] (siehe auch Kampf um Gaza)

Kritik

Durch Einführung der Autonomie wurde für Israel die Verwaltung und vor allem die Finanzierung der besetzen Gebiete vereinfacht, obwohl völkerrechtlich noch immer eine "Besatzung" besteht. Die finanziellen Lasten, die davor Israel voll zu tragen hatte, wurden großteils auf die internationale Gemeinschaft abgewälzt. Sogar Projekte in den unter voller israelischer Verwaltung stehenden C-Gebieten erhalten internationale Unterstützung[10]. Kritiker meinen, diese (von einigen Kommentatoren so genannte) "Besatzung light" sei für Israel vorteilhafter und daher würde dieser Zwischenschritt zur Unabhängigkeit ad infinitum beibehalten. Mehrmals gab es deswegen Aufrufe und Überlegungen, die Autonomiebehörde aufzulösen, um Israel unter (finanziellen) Druck zu setzen. Die Auflösung der Behörde würde die Verpflichtung für Israel aufleben lassen, die komplette Verantwortung (Verwaltung und Finanzierung) für die palästinensischen Gebiete zu übernehmen.

Zu den Unterstützern dieser Option zählt auch der ehemalige PLO-Politiker Sari Nusseibeh, jetzt Rektor der Al-Quds-Universität.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lexikon: Palästinensische Autonomiebehörde, Der Spiegel, 9. Januar 2009
  2. Die Generaldelegation Palästinas, Generaldelegation Palästinas. Abgerufen am 30. Oktober 2010
  3. European Union provides additional €41.4 million to the Palestinian Authority to support its recurrent expenditures in 2010, Relief Web, 27. Oktober 2010
  4. Internationale Hilfe für Palästinensische Autonomiebehörde, Auswärtiges Amt. Abgerufen am 30. Oktober 2010
  5. Auswärtiges Amt unterstützt palästinensische Zivilpolizei mit weiteren Polizeieinsatzfahrzeugen und Funkgeräten, Auswärtiges Amt. 28. Mai 2009. 
  6. Website von Mohamed Abutair
  7. Palästina. Arafat gesteht Korruption ein, Der Spiegel, 18. August 2004
  8. Nahost: Die einflussreichen Gaza-Clans, Westdeutsche Zeitung, 3. August 2008
  9. FAZ: „Hanija lehnt Entlassung ab - Hamas erobert letzte Fatah-Bastion“, 15. Juni 2007
  10. Ha-Aretz: USAID asphaltiert 63 km Straße in der Westbank, 16. November 2010

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